Marktplatz. Ein Ort, wo man sich im Normalfall kaum frei bewegen kann, ohne seinem nächsten auf die Füße zu treten. Aber es gibt Tage, wo man gerade die Masse an Leuten von Vorteil ist. Als Versteck zum Beispiel. Da ist man seit Wochen spontan in ein Haus eingestiegen, um das schnelle Geld zu finden, und man erwischt den Wohnsitz des Hauptmannes der Stadtwache. Und nun, ein paar Hechtsprünge und Sprintstrecken später taucht man in die Menge ein, in der Hoffnung nicht entdeckt zu werden. Ich schiebe mich an einem Pulk von Leuten vorbei. Ein Zwerg und ein hiesiger Händler diskutierten über den Fischpreis. "25 Kupfer für diesen Fisch? .. Der stinkt dermassen, der ist doch niemals frisch!" "WILLST DU SAGEN, MEIN FISCH SEI NICHT FRISCH?" - "JA, DASS SAGE ICH, HAST DU EIN PROBLEM DAMIT?" - "ALLERDINGS! Der Zwerg wurde schon vom Hals bis zum Kopf rot, er schien fast zu platzen.
Ich schob mich weiter in Richtung Mitte. Die Stimmung scheint gereizt, was aber kein Verdienst des heutigen Tages ist. Gilneas, ein kleines Königreich am Rande des Kontinents, wandte sich im zweiten Krieg von der gemeinen Welt ab. Mit Handel, Armee und Politik. Und dieses kleine, beschnittene System schien zunehmend in sich selbst zu kollabieren. Der Handel, der immer nur eine kleine, gleichbleibende Auswahl lieferte, flachte ab. Das Königshaus hörte von einer Seuche, die alles in den anderen Königreichen dahinraffte und war dementsprechend ausserordentlich wachsam geworden. Und die Armee - oder auch Stadtwache- wurde in Folge dessen von Tag zu Tag mit mehr Privilegien betraut. Ich kam nur langsam voran, was mir aber Recht war. Solange man nicht entdeckt wurde.
Als ich mich aus meinen Gedanken reissen konnte, sah ich nur wie sich eine Reihe vor mir ein junger Kadett in einer ihm viel zu gross wirkenden Rüstung auf eine Kiste stieg und über die Menge späte. Ich drehte mich umgehend weg, doch leider zu spät. Mit sich fast überschlagender Stimme hörte ich "Da ist er!! Hier, bei mir" und sah, wie er direkt auf mich zeigte. Mit dem stillen Versprechen ihm seine verräterische Hand bei erstbester Gelegenheit abzuschneiden, versuchte ich mich schnellstmöglich wieder zum Rand durchzuarbeiten. Zwischen den Marktgesprächen, hörte ich bereits Rüstungen klappern, es würde nur noch Minuten dauern, bis der Markt komplett umstellt war und sie mich festnahmen. Ich musste sie beschäftigen.
Ich versank wieder in der Menge. Der Zwerg hatte dem Händler mittlerweile den Rücken zugedreht, anscheinend waren seine "Verhandlungskünste" am Ende. Ich nutzte die Gelegenheit, griff einen der Fische vom Stand und schleuderte ihm selbigen auf den Hinterkopf. Die Zeit stand still, der Zwerg erstarrte. Sein Gesicht, was wieder normale Farbe angenommen hatte, wechselste nun wieder auf das grelle Rot von geschmolzenem Eisen. "JETZT KREIST DER HAMMER!" brüllte er und sprang mit erhobenen Fäusten direkt in den Stand des überraschten Fischhändlers. In jeder Hand einen Fisch haltend hieb er wie vom Teufel besessen um sich, getroffene Unbeteiligte machten es ihm gleich, griffen nach dem was in der Nähe war und dreschten auch wild um sich.
Das Chaos war perfekt. Die Stadtwache würde Minuten brauchen, um die Situation zu überblicken und Ordnung zu schaffen. Dies konnte ich nutzen. Ich schob mich wieder in Richtung des Randes. Von allen Seiten drängten Soldaten zum Tumult, schoben Leute beiseite, und ich liess mich ohne Regung mit der Menge treiben.
Minuten später fand ich Einkehr in einer kleinen Spelunke. Es war keine richtige Gaststätte, eher ein ausgebauter Keller mit grossem Alkoholvorrat. Aus finanzieller Not hatten sich einige Stadtbewohner dazu entschlossen, Teile ihre Häuser zu Diensten zu stellen, für die verschiedensten Angebote - inoffiziell, Steuerfrei natürlich. Die Stadtwache wusste von diesen Vorgängen, drückte aber beständig beide Augen zu, solche Praktiken auszuheben würde zu Aufständen führen, und diese konnte sich Gilneas im Moment nicht leisten. Zumal die Stimmung dem Haus Graumähne gegenüber im Moment alles andere als wohlwollend war.
"Was führt euch nach hier?" knurrte der Inhaber. "Durst. Einen Zwergenschnaps, wenns genehm ist." Mich aus den Augenwinkeln beobachtend griff der alte Mann mit grauem Haar unter die Theke, holte eine Krug unter dem Tresen hervor und kippte eine klar-braune Flüssigkeit ein. "Ihr ward bislang noch nicht hier - dieses Haus hat eine überschaubare Stammkundschaft - wie habt ihr hiervon erfahren? Ihr seid kein Spion der Krone?" "Nein, .." erwiderte ich ".. ich habe einfach nur Augen im Kopf. Man kann von der Strasse aus sehen, wie sich Leute dem Verschlag zu diesem Keller nähern, mehr als in diesem Haus leben können, und andere verlassen es torkelnd, manche sogar auf allen Vieren." Die Augen des alten Mannes weiteten sich vor Schreck. "Macht euch keine Sorgen, die Stadtwache wird schon wissen was hier vor sich geht, aber es tolerieren. Sonst hätten sie euch schon längst festgenommen." Er schluckte. "Ihr habt einen scharfen Verstand, Fremder. Ihr habt keinen Ärger, den ihr in mein Haus bringt?" Ich lächelte "Seid unbesorgt. So schnell wie ich kam, bin ich wieder weg.... und euer "Geheimnis" ist bei mir sicher, wie bei allen anderen Bürgern dieser Stadt auch" Der Wirt grunzte und wandte sich neuen Gästen zu.
Ich zog mich in eine Stille Ecke zurück. Ein simples Fass, eine Kerze auf der Mitte stellte hier einen Tisch dar. Mit den Ellenbogen aufgelehnt Versank ich mit meinen Blicken in den Flammen der Kerze. Was nun? Die Stadt verlassen? Einen Weg aus der Mauer suchen? Die Welt war gross, Gilneas nur ein Bruchteil. Ich hörte von Elfen im Norden, in einer goldenen Stadt. Von Zwergen im Süden, in einer goldenen Stadt. Von anderen Städten, Stratholme, wo das Königshaus Menethil mit sanftem Griff das Volk regierte. Alles schien besser als das ewig nasskalte Gilneas, von der Welt isoliert. Vielleicht war dort auch Arbeit zu finden. Ich lächelte spöttisch. Träumer. Die Wahrheit war, dass ich nichts anders als Gilneas kannte. Und das ein passieren des Walles nicht zu den Dingen gehörte, die man "einfach mal so" machen konnte.
Ich blickte in meinen Krug. Entweder hatte es ein Loch, oder ich mehr Durst als ich mir eingestehen wollte, in jedem Fall war sie leer. Seufzend wand ich mich um, um nachfüllen zu lassen, als ein gepanzerter Handschuh meine Schläfe traf. Noch bevor ich den Boden erreichte, verlor ich das Bewusstsein.
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Lichritter
Fantasy"Die Welt wird im Eis versinken - Und Nordend wird mit Kaltem Glanz über sie regieren. Todesritter werden die Lebenden Zufall bringen, damit unser Herr zu immer grösserer Macht greifen kann, und Ich, Sol, ehemals ein Mensch, heute ein Ritter des Gef...