Kapitel 2

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Schnell hatte Christian zu Carter und Maggie aufgeschlossen und gemeinsam rannten sie durch das Maisfeld.

Immer wieder sah er zurück, versuchte herauszufinden, ob sie verfolgt wurden, konnte aber aufgrund der hohen Pflanzen, die nicht nur ihn und die Geschwister vor den Blicken der Soldaten schützten, sondern gleichzeitig auch ihre eigene Sicht behinderten, nichts erkennen. Er versuchte zu lauschen, konnte aber nur den Wind in seinen Ohren und ihr eigenes, angestrengtes, dreistimmiges Keuchen hören und schließlich musste er einsehen, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als weiterzulaufen und dabei auf das Beste zu hoffen.

So rannten sie eine ganze Weile und entfernten sich immer weiter vom Dorf, zunächst in westliche Richtung Westen, dann nach Süden, im großen Bogen um das Dorf herum, ohne auch nur einen Verfolger zu Gesicht zu bekommen.

Sie rannten so schnell sie konnten, das Entsetzen noch immer im Nacken, das stärker war, als ihre Erschöpfung, und so dauerte es nicht lange, bis sie die ersten Ausläufer des Waldes, der südlich ihres Dorfes lag, erkennen konnten, eine dunkelgrüne Wand aus dicht stehenden Nadelbäumen, die sich mit ihren Wurzeln in den kargen, teils erdigen, teils felsigen Untergrund gegraben und sich trotzig ihr Dasein erstritten hatten.

Christian liebte den Wald. Er versorgte sein Dorf mit Holz und Wild. In den heißen Sommern war es dort schattig, kühl und angenehm. Doch noch lieber waren ihm die sonnigen, verschneiten Wintertage, wenn der Schnee auf den Tannen und Fichten wie tausend Edelsteine glitzerte und der Wald einer Wunderwelt glich. Früher hatte ihn seine Mutter an solchen Tagen oft mitgenommen, wenn sie im verschneiten Wald nach Tannenzapfen und Reisig gesucht hatte und ihm die ganze Zeit über Geschichten von Zwergen und Trollen und Elben erzählt. Wenn er die Augen schloss, hörte er noch immer das helle, fröhliche Lachen seiner Mutter in diesen Augenblicken der Unbeschwertheit und Nähe, sah noch immer das Blitzen in den dunkelbraunen Augen, die den seinen so ähnlich gewesen waren, ihre dunklen Locken, die sich widerspenstig aus dem Knoten in ihrem Nacken gelöst hatten und in denen sich kleine Eiskristalle verfangen hatten. Die winterlichen Spaziergänge mit seiner Mutter im verschneiten Wald gehörten zu seinen schönsten Erinnerungen. Jedes Mal, wenn er den Wald betrat, musste er unwillkürlich an sie denken – meist mit einem traurigen Lächeln.

Sogar jetzt schweiften seine Gedanken kurz zu seiner Mutter ab. Allerdings verbot er sich heute die schönen Erinnerungen. Zu drohend empfand er noch immer die Gefahr, in der sie und die Dorfbewohner schwebten, zu groß waren noch immer seine Angst und sein Entsetzen.

Weiter liefen sie, so schnell sie konnten, auf den Wald zu, der immer näher und näher kam, bis sie schließlich durch das erste Unterholz brachen.

Christian kannte den Wald seit seiner Kindheit, genauso wie jeder andere Bewohner des Dorfes. Der Wald war Teil ihres Lebens und so fiel es weder ihm, noch den beiden Geschwistern schwer, den richtigen Weg zu finden. Ein steiler Pfad führte zu einem großen, felsigen Plateau hinauf. Durch einen kleinen Bachlauf war in Jahrtausenden aus dem Felsgestein eine Höhle herausgespült worden. Diese Höhle war die Zuflucht des Dorfes. Dorthin konnten die Dorfbewohner fliehen, sollte das Dorf angegriffen werden. Geschützt vor Wind und Wetter hatte die ganze Dorfgemeinschaft in der Höhle Platz. Der schmale und steile Pfad war der einzige Zugang zur Höhle, so dass sie gut zu verteidigen war. In regelmäßigen Abständen wurden Vorräte in der Höhle ausgetauscht, um den Dorfbewohnern im Ernstfall das Überleben für einige Zeit zu sichern. Auch Brennholz lagerte dort das ganze Jahr über trocken und sicher. Der Bachlauf versorgte sie mit Wasser.

Eine große Glocke in einer stabilen Holzkonstruktion, die auf dem Plateau verankert war, bildete das Herzstück der Zuflucht. Die Glocke sollte die Dorfbewohner im Notfall warnen und zur Zuflucht rufen.

Auf diese Glocke rannten sie nun über den steilen Zugangsweg zu. Alle drei keuchten vor Anstrengung. Christians Oberschenkel und seine Seiten brannten wie Feuer. Trotzdem wurde er nicht langsamer, bis er die Glocke endlich erreicht hatte. Carter, der noch immer an der Spitze ihrer kleinen Gruppe lief, griff sofort nach dem Seil und zog daran, so kräftig er konnte. Es kam Christian wie eine Ewigkeit vor, dabei konnten es nur wenige Augenblicke gewesen sein, bis der helle, klare Glockenton laut und vernehmlich über ihren Köpfen ertönte. Sie wussten, dass der weit vernehmbare Glockenton die Bewohner ihres Dorfes, wo auch immer sie gerade ihrer Arbeit nachgingen, warnen und hierher führen würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 08, 2020 ⏰

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Leseprobe - Feuer und EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt