28: Zwischen Traum und Realität

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Langsam öffnete ich meine Augen. Ich sah mich um und merkte, wie mich meine Freunde anstarrten. Ich setzte mich auf und ließ den Traum Revue passieren. Ich wusste noch genau was passiert war, aber ich könnte ihn nicht erzählen. Es war total merkwürdig.
"Alles in Ordnung, Alex?", fragte Teresa besorgt. "Du hast geschrien und um dich geschlagen, aber wir konnten dich nicht aufwecken." Komisch. Normalerweise wurde ich wach, wenn sie es versuchten. Ich runzelte meine Stirn und fasste mir mit meiner linken Hand an die Lippen. Es hatte sich alles so real angefühlt. Es war alles so intensiv...vor allem das Ende. Dies machte mich aber am meisten fertig, da ich nicht wusste, was das bedeutete. Ich mein, klar, ich konnte nichts für meine Träume, aber warum hatte ich Freude und Verlangen für Fernando verspürt? Das wollte ich nicht! Außerdem machte mir die ganze Sache mit Flavia und Fernando jetzt doch Angst. Was war, wenn ihr Fernando wirklich etwas gegeben hatte oder noch geben wird? Was war, wenn er sie überredete, bei ihm zu bleiben? Bei den Gedanken an Fernando kam mir dieses Grinsen vor Augen. Dieses abscheuliche, perverse, gemeine Grinsen. Wieso fand mein Traum-Ich es gut, die Lippen dieses ekligen Grinsens zu küssen?

Ruckartig stand ich auf und sagte: "Ich brauche eine kalte Dusche. Vorher kann ich nichts mit meinem Verstand anfangen!"
"Von was hast du denn dieses mal geträumt?", fragte Christian. Dieses Mal würde ich ihnen nicht alles erzählen und ich musste versuchen, Leo auszutricksen, denn ihm wollte ich erst recht nichts sagen. Auch wenn ich nicht Schuld wäre, trotzdem fühlte ich mich irgendwie schuldig. Vielleicht erzählte ich es ihm in ein, zwei Wochen...mal sehen.
"Von vielem. Marianna, Fernando, Gaia, Flavia und Spritzen und es war einfach schrecklich!"
"Das haben wir wohl gemerkt", meinte Luca. Und Teresa ergänzte: "Na, wenn Spritzen im Spiel waren, dann kann ich mir schon vorstellen, wie schlimm es für dich gewesen sein muss." Ich nickte flüchtig und schnappte mir meine Klamotten. Schnell verschwand ich nach draußen und hörte noch: "Irgendetwas muss in diesem Traum passiert sein, denn normalerweise ist sie nicht so nach einem Albtraum. Außerdem hat sie sich nicht aufwecken lassen." Ich tat so, als hätte ich das nicht gehört und ging schnell zum Bad. Als ich das Wasser anstellte, ließ ich es auf mich niederprasseln. Ich stellte es immer ein wenig kälter, bis es eisig war. Langsam fühlte ich mich besser. Frischer. Mit einem klareren Kopf.

Wieso machte mir dieser Traum mehr zu schaffen, als sonst? Normalerweise nahm ich einen Albtraum so hin und wusste, woran er lag, aber dieses Mal war es einfach so anders. Ich beschloss, heute nicht mehr darüber nachzudenken. Ich machte das Wasser aus und stieg aus der Dusche. Ich nahm mir das Handtuch und trocknete mich schnell ab. Danach nahm ich mir meine Klamotten und zog sie mir über. Zum Schluss holte ich den Föhn aus einem der kleinen Schränke und trocknete meine Haare damit. Sobald die warme Luft auf meine Haut traf, bekam ich eine Gänsehaut. Es war das selbe Gefühl, wie der warme Atem von Fernando.
"Scheiße!", rief ich laut aus und legte den Föhn ab. Sofort tauchte wieder dieses Grinsen auf. Ich konnte es einfach nicht unterdrücken. Ich musste mit jemandem darüber reden und zwar schnell! Die Jungs konnte ich vergessen und bei Leo würde ich mich nicht trauen...Flavia war ja immer bei Fernando und es bestand die Gefahr, dass sie wirklich zu ihm überging. Also blieb nur noch Teresa. Ich ging sie sofort suchen, denn länger hielt ich es nicht aus. Ich begab mich auf den Weg zur Küche, doch leider kam ich dort nie an. Mir wurde eine Hand von hinten auf den Mund gelegt und sofort ein Tuch über die Augen gemacht. Danach stopfte mir jemand etwas in den Mund, damit ich nicht schreien konnte und zerrte meine Arme hinter den Rücken. So wurde ich dann rückwärts irgendwo hin gezogen. Natürlich wehrte ich mich, aber es half nicht. Ich wurde Treppen hinunter gezogen und durch viele Gänge, bevor mich jemand auf einen Stuhl drückte und mich dort fest machte. Mein Entführer hatte keinen Mucks von sich gegeben und es dauerte noch eine Weile, bis ich jemanden reden hörte.

"Wir wissen, dass du so einiges vermutest, da dir und deinen Freunden einiges passiert ist", sprach mir eine nur allzu bekannte Stimme. "So ungern ich das jetzt sage, aber wir brauchen Infos von dir. Wir müssen wissen, was du vermutest." Mir wurde das Tuch aus dem Mund genommen. Sehen konnte ich immer noch nichts.
"Warum sollte ich das tun?"
"Es könnte böse für dich enden."
"Bringt mich um und ihr kriegt erst recht nichts."
"Na, na, na! Wer will hier denn sofort morden, wenn es doch so schöne Foltermethoden gibt."
"Ich dachte, du willst mir nichts tun."
"Ich bin hier, um Leo zu schützen, nicht dich."
"Das klang aber mal ganz anders."
"Menschen ändern sich, Alexandra!"
"Seid ihr deswegen nicht mehr zusammen?" Stille. Ich hörte Schritte und auf einmal sah ich wieder etwas. Ich blickte direkt in blaue Augen, die mich nicht sehr freundlich musterten.
"Ich mache das hier nicht zum Spaß, Alexandra!"
"Ich auch nicht", zuckte ich mit den Schultern. Gaia stöhnte genervt auf und stellte sich richtig hin.
"Jetzt sag doch einfach, was du weißt!"
"Warum sollte ich das tun? Komm schon, Gaia, jetzt mal im Ernst! Warum bist du überhaupt auf der Seite von diesen Idioten? Du bist nicht so wie die! Du hast ein gutes Herz!"
"Halt die Klappe!", sprach nun eine weitere Stimme. Genervt verdrehte ich meine Augen.
"War ja klar, dass du auch wieder mal auftauchst", sagte ich und Marianna trat in mein Blickfeld. "Du hast sicher sehnlichst auf mich gewartet, Cousinchen! Hast du denn nicht von mir geträumt?" Ich biss mir auf die Lippe. Es wäre besser, wenn ich nun gar nichts mehr sagen würde. Sie sah mich überrascht an, bis sich ein verschmitztes Lächeln auf ihrem Gesicht auftauchte. "Du hast ja wirklich von mir geträumt!", sagte sie und kniff mir in die Wange.
"Freu' dich nicht zu früh, es war nämlich ein Albtraum!" Sie lachte und es erinnerte mich wieder an den Traum.
"Die mag ich am Liebsten!"

Ich sah sie abschätzig an, bis sie sich beruhigte und wieder ernst sprach: "Nun, wie Gaia bereits gesagt hat, wollen wir Infos von dir, also hau raus!" Ich blickte sie unschuldig an.
"Ich weiß nicht, wovon ihr redet. Schließlich arbeite ich hier nur im Schloss als bedienstete."
"Ja, komm, lass den Quatsch!"
"Warum denn Quatsch? Ich bediene bloß den ganzen Tag den König, die Königin und manchmal auch Fernando." Seinen Namen sprach ich komischerweise anders aus, als sonst. Ich war selbst über meine Worte verwirrt und merkte erst später, dass auch Marianna das bemerkt hatte. Sie sah mich forschend an.
"Was lag da denn gerade in deiner Stimme, als du Fernandos Namen ausgesprochen hast?"
"Ekel? Wut? Verabscheung?", versuchte ich es.
"Nein, nein", kam sie näher. "Da war mehr." Sie beugte sich runter und legte eine Hand auf meine eine Schulter. "Es klang nach...hm...so etwas wie Bewunderung oder...Ehrfurcht." Sofort schüttelte ich energisch meinen Kopf.
"So ein Quatsch! Das hast du dir bloß eingebildet!" Sie fing an zu grinsen und richtete sich auf. Sie sah hinter mich. "Meine Cousine findet Gefallen an dir, Fernando!" Ich sah sie mit großen Augen an. Das hatte sie jetzt nicht wirklich gesagt!

Fernando trat nun ebenfalls in mein Blickfeld und musterte mich genau. Er hatte seine braunen Haare vorne etwas hochgestylt und seine dunkelbraunen Augen zeigten etwas, was ich nicht deuten konnte. Nachdem er mich abgecheckt hatte, sah er mir direkt in die Augen. Es war komisch. Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl im Bauch und mir wurde leicht übel. Aber ich wollte meine Augen nicht abwenden, da dies sonst bloß zeigte, dass es mir unangenehm war. Sein Blick war so durchdringlich und er zog mich mit seinen Augen fast in einen Bann. Endlich fand ich meine Stimme wieder.
"Er steht auf Flavia", meinte ich und sah ihn verabscheuend an. Ich versuchte es zumindest.
"Heißt das, du bist eifersüchtig?", grinste Marianna fies. Wieder schüttelte ich energisch meinen Kopf, sodass meine Haare nur so hin und her flogen. Fernando fing an zu überlegen und meinte dann zu Gaia und Marianna, dass sie uns alleine lassen sollten. Marianna war nicht sofort mit der Idee einverstanden, doch schließlich willigte sie ein. Fernando drehte sich wieder zu mir und griff nach einem Stuhl, wo er sich falsch herum drauf setzte und mich ansah.
"Ich wusste sofort, dass du einer von den Bösen bist", murmelte ich. "Seit du diese merkwürdigen Fragen über die Königin gestellt hast!" Er fing an zu lachen und es hörte sich fast so an, wie in meinem Traum, was mir eine Gänsehaut verpasste. Schließlich blickte er mir wieder tief in die Augen.
"Ich habe schon so einiges von dir gehört, Alexandra, aber dass du so hinterhältig bist, das hätte ich nicht erwartet." Ich zuckte mit meinen Schultern.
"Ich mache bloß meinen Job."
"Nun, das tun wir doch alle. Also sag schon, was weißt du über die Königin?"
"Sie ist alt, hat zwei Enkel und ist die zweite Frau des Königs."
"Wow...so weit waren wir allerdings auch schon, also tu' nicht so, also hättest du nicht mehr Infos."  

Ich blickte ihn bloß an und sagte nichts. Einmal kurz, wirklich nur ganz kurz, huschte mein Blick zu seinen Lippen. Es war wirklich schneller als ein Wimpernschlag, doch er hatte es wohl bemerkt. Ein Grinsen schlich sich auf diese Lippen. Es brachte mir sofort das Grinsen des Traums vor Augen und ich atmete schneller. Sein Grinsen wurde größer und er sah mich provozierend und wissend an. Er stieg vom Stuhl und kam mir näher, bis er sich ganz nah vor mich hockte. Er hob seine Hand und strich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht, hinter mein Ohr. Mein Herz pochte schneller und ich atmete flacher. Er sollte weg gehen.
"Geh' weg!", brachte ich hervor, doch es klang lächerlich.
"Sh!", machte er und blickte mir wieder tief in die Augen. Er kam mir langsam aber sicher näher. Wäre ich nicht gefesselt, dann hätte ich ihn schon längst geschlagen. Oder? Ich war mir selbst nicht mehr sicher, über das, was ich wollte.

Nun sah er auf meine Lippen, aber nur kurz. Er kam mir immer näher beziehungsweise kamen seine Lippen immer näher an meine. Ich atmete unnormal schnell und flach. Ich blickte immer in seine Augen und als er nur wenige Zentimeter von meinen Lippen entfernt war, da spürte ich es. Ich spürte das selbe Gefühl, wie im Traum. Ich hatte das komische Verlangen, ihn zu küssen, doch ich wollte es nicht. Mein Kopf schrie förmlich Ja! Jetzt mach' doch endlich!, doch mein Herz meinte etwas anderes. Ich wusste, dass wenn ich ihn küssen würde, ich Leo betrog und das wollte ich gar nicht!
Er kam mir noch näher und nun war er nur noch wenige Millimeter von meinen Lippen entfernt. Mein Blick huschte zu diesen, doch sofort blickte ich ihm wieder in die Augen. Scheiße! Was wurde das hier bloß?

Undercover 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt