Der dritte Tag

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Der dritte Tag an dem ich sie sah, war eigentlich ein ganz normaler Samstag.

Ich hatte ausgeschlafen, hatte gefrühstückt und bin dann gut gelaunt zur Arbeit gegangen.

Samstags musste ich nicht so früh kommen, wie an den anderen Tagen, dafür musste ich aber umso länger bleiben. Es störte mich allerdings herzlich wenig, ich liebte schließlich meine Arbeit.

Gerade als ich einen Kunden beriet, sah ich sie aus den Augenwinkeln. 

Sie stand wieder vor dem Regal, ihre Finger glitten wieder über die Buchrücken. Ich drückte dem Kunden das Buch, welches er wollte in die Hand. Darauf hin verschwand er Richtung Kasse.

Ich atmete tief durch.

Das ging nicht mehr so weiter.

Ich musste mit ihr reden.

Diesmal schien sie nicht fündig zu werden. Sie ging in die Hocke, um die Bücher im untersten Regal zu begutachten und zog die Augenbrauen zusammen.

Ich fasste all meinen Mut zusammen und machte einen Schritt auf sie zu. Ich wollte mich gleich wieder umdrehen, doch ich zwang mich dazu weiterzugehen. 

Schritt für Schritt.

Mein Herz wurde lauter und lauter.

Als ich sie fast erreichte, kam sie von der Hocke wieder hoch und betrachtete wieder die Bücher in den mittleren Regalen.

Noch ein Mal tief durchatmen. 

"Guten Tag. Wie kann ich ihnen behilflich sein?", fragte ich und hoffte, dass meine Stimme nicht allzu zitterte. 

Sie schien mich gar nicht erst bemerkt zu haben, denn sie zuckte bei meinen Worten zusammen. Sie drehte sich zu mir.

Ich war ihr zum ersten Mal so nahe. Nun konnte ich auch in ihren braunen Augen grüne Sprenkel erkennen. Sie erinnerten mich an Erde auf denen frisches Gras wuchs. An Neuanfang. An Hoffnung.

Und sie sah mich sehr hoffnungsvoll an: "Sie kommen wie gerufen! Ich habe keine Ahnung welches Buch ich kaufen soll. Ich habe das Gefühl, ich habe jedes einzelne in diesem Regal schon gelesen. Haben Sie vielleicht Vorschläge? Zum Beispiel ein Buch, welches nicht ganz so bekannt ist, aber jeder mal gelesen haben sollte?", sprudelte es aus ihr heraus.

Ihre Stimme war warm und sanft. Auch wenn sie sehr aufgebracht klang, hatte sie etwas beruhigendes an sich.

Ich durfte jetzt nicht abschweifen. "Natürlich kann ich Ihnen da helfen. Welche Art Bücher mögen sie denn gerne?", fragte ich. Meiner Meinung nach eine sehr wichtige Frage.

Sie seufzte, drehte sich zum Regal, breitete ihre Arme aus und tat so, als würde sie das Regal umarmen. "Ich lese alles, was eine Geschichte ist." 

Ich schmunzelte. Das kannte ich nur zu gut. 

"Nun, haben sie denn vielleicht auf etwas besonderes Lust im Moment?", fragte ich noch mal spezifischer nach.

Sie löste sich vom Regal und sah wieder zu mir. "Wenn ich ehrlich bin, habe ich meiner Meinung nach viel zu lange keine Romanze mehr gelesen. Haben sie Vorschläge?"

"Welche Art von Romanze? Fifty Shades of Grey oder Das Schicksal ist ein mieser Verräter?", fragte ich. War das zu viel? Das war zu viel. Mist.

Doch sie lachte nur. "Definitiv lieber die John Green Variante.", sagte sie.

Ich nickte. "Da hätte etwas.", sagte ich.

Erwartungsvoll sah sie mich an.

"Da müssen sie schon von dem Regal weggehen."

"Oh, ja natürlich.", sagte sie und machte schnell Platz.

Ich hockte mich hin, fischte ein Buch heraus und reichte es ihr hinüber. "Hier. Das ist wirklich sehr gut. Ist eines meiner Lieblingsbücher." Sie nahm es mit einem dankbarem Blick in die Hand, las den Klappentext, lächelte und nickte dann. "Hört sich gut an. Das nehme ich."

"Das freut mich.", sagte ich dann nur. Was machst du denn da du Vollidiot?

"Wenn ich es durch habe, werde ich Ihnen auf jeden Fall sagen, wie ich es fand, okay?"

"Okay."

Wir sahen uns kurz an und brachen dann in Gelächter aus. Das ist das gute wenn man andere Bücherwürmer kannte. Sie verstanden deine Witze.

"Also gut. Schönen Tag noch!", sagte sie und winkte mit dem Buch in der Hand mir noch zu, bevor sie um die Ecke verschwand.

Und dann war sie wieder weg. Einfach so.

Doch diesmal wollte das Lächeln aus meinem Gesicht nicht mehr verschwinden.

Es war der dritte Tag, der mich strahlen ließ.  

BücherliebeWhere stories live. Discover now