Jon und Linda

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Jon stand am Waschbecken und hielt einen Schraubenschlüssel in der Hand. Er ging nicht ein auf das, was Linda ihm gesagt hatte. Er dachte bloß, warum musste sie so stur sein? Hätte sie es nicht einfach hinnehmen können, dass er zuhause blieb, um sich von den anstrengenden Tagen im Camp zu erholen? Ja, es hatte natürlich andere Gründe. Er wollte nicht ihrer Mutter begegnen oder über die ewig gleichen Witze ihres Vaters lachen müssen. Er und ihre Eltern, das passte einfach nicht zusammen. Warum machte sie ein Drama daraus?

„Meine Eltern sind nunmal so, wie sie sind. Ich akzeptiere deine Eltern ja auch," sagte sie.

„Es ist ja nicht so, dass ich deine Eltern nicht akzeptiere. Ich möchte mich bloß ausruhen und ja, deine Eltern sind manchmal anstrengend für mich," antwortete ich, in der Hoffnung, dass sie mich dann in dieser Sache in Ruhe lassen würde. Aber das tat sie nicht.

Linda wickelte eine Locke auf ihrem Zeigefinger auf. „Meinst du, dass es für mich ein Vergnügen ist, das Theater um Geld oder die Zänkereien über deinen Onkel mitanzuhören, wenn wir bei deinen Eltern sind?"

„Ich wusste nicht, dass dich das nervt. Letztens hast du noch gesagt, du fändest das alles sehr komisch und könntest darüber lachen wie über eine gute Komödie," sagte ich, und bemühte mich um einen versöhnlichen Tonfall.

„Das ist aber nicht lustig. Du scheinst es ja witzig zu finden, wenn deine Eltern sich zoffen. Ich finde, das ist viel zu ernst, um darüber lachen zu können."

Ich musste ein wenig verdutzt geschaut haben, was sie aber nicht bemerkte, da sie nicht mich, sondern irgendetwas auf ihrem Handydisplay ansah. „Interessant, dann hast du also bloß so gesagt, dass es für dich so lustig sei," sagte ich, weniger versöhnlich.

Sie wischte mit ihrem Finger über das Handydisplay und begann zu tippen.

Ich versuchte, zu ihr durchzudringen. „Ich sagte, dann war das also nur ein Scherz von dir gewesen, dass du meine Eltern lustig findest, wenn sie sich streiten? Also, um das klarzustellen, ich hätte kein Problem damit, wenn du das lustig fändest. Für eine Außenstehende muss das lustig sein, wenn Leute sich über Nichtigkeiten so aufregen, als ginge es um ihr Leben."

Linda legte ihr Handy auf den Tisch. „Für eine Außenstehende? Wir haben vor drei Jahren geheiratet, erinnerst du dich? Klingelt da etwas? Ich gehöre zur Familie. Aber wenn du es so sagst, muss ich dir Recht geben. Ich fühle mich wie eine verdammte Außenstehende, weil du dein Leben einfach so weiterführst, als wäre nichts passiert."

Ich schüttelte den Kopf und hob unwillkürlich die Hand, als wollte ich mich gegen einen drohenden Schlag verteidigen. „Was willst du mir damit denn sagen? Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Soll ich meinen Freunden sagen 'hey, ich bin verheiratet, da können wir uns nur noch einmal im Monat sehen, wenn meine Frau das zulässt'? Was ist mit deinen Freundinnen. Du telefonierst an jedem zweiten Abend mindestens eine Stunde lang."

Linda schnaufte auf. „Das ist Bullshit. Erstens habe ich gar nicht von deinen Freunden gesprochen, sondern meinte das ganz allgemein. Du guckst mich nicht an, wie ein Ehemann seine Frau anschaut. Du berührst mich nur, wenn du deinen Sex haben willst und", hier machte sie eine Pause und sprach leiser weiter, „ansonsten bin ich dir doch sowieso egal."

„Meinen Sex? Ich dachte immer, zum Sex gehörten zwei Menschen. Ich hatte nie den Eindruck, dass es dir keinen Spaß machen würde."

Linda gestikulierte wild mit ihren Händen. „Spaß, Spaß, Spaß, dir geht es immer nur um Spaß. Wann geht es dir mal um mich?"

Ich schlug mit der Faust auf die Tischplatte. „Immer, es dreht sich immer alles nur um dich. Jetzt lass dieses Gefriemel mit deinen Haaren sein. Das geht mir dauernd auf die Nerven. Ich kann es auch nicht ausstehen, dass du immer diesen verdammten Hundeblick auflegst, wenn du zu faul bist, um dir selber was aus der Küche zu holen oder wenn es sonst etwas gibt..." Linda versuchte mich zu unterbrechen, was ich aber unterband, indem ich lauter und lauter redete. „Wenn ich abends ins Schlafzimmer komme und nur mit meinen geilsten Shorts bekleidet bin, dann guckst du nicht mal von deinem scheiß Buch auf. Und überhaupt, deine verdammte Liebe zu Büchern übersteigt ja wohl alles. Du lebst ja mehr in deinen Geschichten als mit mir zusammen. Hast du dir schonmal überlegt, warum ich mit dir Sex haben will? Vielleicht, weil ich dich so sehr hasse? Hast du dir überlegt, warum ich diesen beschissenen Job angenommen habe, nur um etwas mehr zu verdienen, damit du dir die Pediküre leisten kannst? Ich weiß echt nicht, woher du es nimmst, mir vorzuwerfen, dass ich kein guter Ehemann bin. Du bist es doch, die den ganzen Tag nur mit dem verdammten Kackhandy rumspielt, weil da die wichtigeren Leute drin sind, mit denen du lieber kommunizierst als mit mir."

Ich merkte gar nicht, dass ich mittlerweile brüllte und sah auch nicht, dass Linda bloß dasaß und weinte.

Ich redete weiter. „Du kapierst einfach nicht, dass es immer nur um dich geht, um dich und deine Marotten."

Dann war ich fertig und setzte mich auf den Stuhl, der am Tisch stand. Das Handy von Linda zappelte auf dem Tisch herum, weil jemand anrief und sie die Vibration eingeschaltet hatte. Es musste ihre Freundin gewesen sein, denn um diese Zeit an diesem Wochentag hatte sie immer einen Telefontermin mit ihr. Dann wurde es still und ich hörte, wie der Wasserhahn tropfte. Den wollte ich doch reparieren.

Maximale EskalationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt