"Und sie haben sie dir einfach so in die Hand gedrückt und gesagt, dass sie etwas mit dem Verschwinden deines Vaters zu tun hat?"
Stirnrunzelnd beäugte meine beste Freundin Hanna die zerranste Uhr meines Vaters.
Aus ihr hingen schon gefährlich viele Fäden heraus und das Leder löste sich langsam, sodass ich Angst hatte, dass sie jede Sekunde auseinanderfallen könnte.
Seufzend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück: "Ja, aber das macht doch null Sinn. Was soll denn diese arme Armbanduhr getan haben, dass mein Vater, wie vom Erdboden verschluckt, plötzlich weg ist?"
"Hmm", Hanna kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Vielleicht ist es auch gar nicht die Uhr direkt-"
Sie drehte die Uhr einmal um und stocherte mit ihrem Messer an ihr herum.
"Was wird das?"
Gerade wollte ich die Uhr wieder zu mir nehmen, als es plötzlich knackte.
"Sondern das, was darin ist", vollendete Hanna ihren Satz.
Verwirrt schaute ich zu ihr herüber, wie sie das Messer wieder beiseite legte und irgendetwas aus der Uhr herausholte.
"Was ist das?", fragte ich.
"Ein Zettel", antwortete Hanna. Stirnrunzelnd faltete sie ihn auseinander. "Oder ein Brief."
"Was?"
Sofort sprang ich auf, griff über die Tischplatte und riss ihr den Mini- Zettel aus der Hand.
"Da steht mein Name drauf", murmelte ich und betrachtete für einen Moment die schön geschwungene Schrift.
"Na lies schon", befahl Hanna mir aufgeregt.
Ich atmete einmal tief durch.
"Alice", las ich. "Wenn du das hier liest, haben sie mich wahrscheinlich schon gefunden. Vielleicht lebe ich noch, vielleicht haben sie mich auch getötet. Allerdings ist das nicht mehr von großer Bedeutung, denn du musst jemanden sehr, sehr Böses stoppen, der darauf aus ist, die gesamte Menschheit auszurotten. Dafür musst du die Barriere zwischen Zeit und Raum durchbrechen. Wie das funktioniert, wirst du sehr bald erfahren. Ich hab dich lieb. Dad."
"Wow, der weiß wirklich wie man sich kurz ausdrückt", murmelte Hanna.
"Warte mal: Barriere zwischen Zeit und Raum durchbrechen? Zeitreisen?", fasste ich verwirrt zusammen.
"Vielleicht hatte deine Großmutter ja Recht und dein Vater ist zu einem kranken Drogenboss geworden, der jeden Tag Koks zu sich nimmt", erwiderte Hanna schnell und sah mich mit einem besorgten Blick an.
"Du hast Recht. Ich meine, er ist ja auch ohne Grund einfach so abgehauen... Oh man, mein Dad und Drogen. Das passt einfach nicht."
Hanna nickte und sah sich das Handgeschriebene nochmal an: "Aber wieso schreibt er, dass sie ihn bald umbringen werden oder schon umgebracht haben?"
Ich seufzte und vergrub mein Gesicht in meinen Händen: "Ich weiß es nicht. Ich kapiere überhaupt gar nichts mehr."
Tröstend gab Hanna mir die Uhr wieder und legte sie um mein dünnes Handgelenk.
"Keine Sorge. Wir werden es schon herausfinden."
"Das hoffe ich", murmelte ich. "Und danke, dass du mir hilfst."
Sie lachte: "Natürlich helfe ich dir. Du bist immerhin meine beste Freundin."
Ich lachte ebenfalls: "Das bist du.""Hey, Mädels", kam es plötzlich von hinten.
"Verpiss dich, Keath", brummte Hanna böse, woraufhin ich mir ein Kichern unterdrücken musste.
Wie immer verzog sich Keath's Gesicht und so schnell wie er gekommen war, war er auch schon wieder weg.
Als er aus unserem Blickfeld verschwunden war, kicherten wir beide leise los, weshalb uns die Mädchengruppe an dem Tisch neben uns komisch ansahen.
'Meine Lieblingsklasse', dachte ich mir nur.
Die Mädchen an dem Tisch neben uns waren, bevor wir in der elften Klasse in Kurse aufgeteilt wurden, mal in einer Klasse gewesen.
Hanna war in der siebten Klasse auch eine von ihnen gewesen.
Als sie jedoch irgendwann mal mit lila gefärbten Haaren zur Schule gekommen war, hatten sie sie mehr oder weniger aus ihrer Klasse gemobbt.
Also ist sie in meine gekommen, und kurz darauf wurden wir die besten Freundinnen überhaupt.
"Habt ihr nichts Besseres zu tun, als uns die ganze Zeit dumm anzustarren?", zickte ich sie an und kassierte sofort ein paar Blicke, die hätten töten können.
"Anscheinend nicht", kommentierte Hanna laut und fing wieder an zu kichern.
Die Blicke der Mädchen hätte ich gerne mit meinem Handy festgehalten.
Die waren einfach zu gut!'Rrrring!', klingelte es plötzlich.
"Noch eine Stunde Physik", seufzten Hanna und ich wie aus einem Mund, weshalb wir sofort wieder laut anfingen zu lachen.
Die Physikstunde war wie immer todlangweilig (und unser Physiklehrer Mr Reynolds grausam).
Trotzdem lief ich gutgelaunt zusammen mit Hanna nach Hause, da sie in meiner Straße wohnte.
Kurz bevor sie auf ihr Haus zusteuerte, deutete sie noch auf die zerranste Uhr an meinem Handgelenk: "Vielleicht kannst du ja etwas aus deiner Mum herausquetschen."
"Das werde ich", lachte ich gutgelaunt.
'Das werde ich.'Zweites Kapitel! Juhuuu!
Wie findet ihr's?🙉Lg, Lilia. 💜
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Zeitenkuss
Historical FictionAlice Wilson hat alles, was man sich wünschen könnte: Sie ist hübsch, klug, hat eine beste Freundin, die immer an ihrer Seite ist und dazu noch eine Familie, die sie aus ganzem Herzen liebt. Als jedoch eines Tages ihr Vater spurlos verschwindet, sie...