Prolog

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Revan rannte um sein Leben. Wenn die Sturmmäntel ihn in die Finger bekommen würden, wäre er ein toter Mann. Es war alles so schnell gegangen. Gerade war er noch unbekümmert mit seiner Einheit im Wald vor Helgen, der befestigten Stadt des Kaiserreichs zur Überwachung der Grauwasserpassage nach Falkenring gewesen, und schon im nächsten Moment waren die Pfeile der Sturmmantel-Rebellen wie aus dem Nichts auf sie niedergeprasselt. Ein Dutzend schwer bewaffneter Rebellen hatte ihnen im Gebüsch aufgelauert. Binnen weniger Minuten waren die überraschten Kaiserlichen erledigt worden. Revan war es als einzigem gelungen, zu entkommen, nur um nun wie ein Wahnsinniger durch den Wald zu rennen. Wie ein Reh auf der Flucht sprang er über Steine und Wurzeln, tief hängende Äste schlugen im peitschend ins Gesicht und sein Atem rasselte vor Anstrengung. Doch er gab nicht auf, lief weiter, sein Schwert fest umklammert, für den Fall, dass sie ihn einholen würden. Er würde sich nicht kampflos ergeben. Er musste Helgen um jeden Preis erreichen. Der General der kaiserlichen Armee lagerte zurzeit dort. Wenn General Tullius fiel, hätten die Sturmmäntel eine Chance, den Krieg zu gewinnen. Falls die Rebellen zu diesem Zweck einen Angriff auf die Festung planten, wären die Kaiserlichen völlig unvorbereitet, es sei denn, Revan warnte sie rechtzeitig.

Es waren nur noch ungefähr anderthalb Meilen bis zur Festung. Sofern er durchhielt, konnte Revan es schaffen. Er begann zu hoffen. Zu hoffen, er könne die Festung rechtzeitig erreichen, überleben und seinen General retten. Seine Schritte beschleunigten sich. Die umliegenden Bäume flogen nur so an ihm vorbei. Bis jetzt war alles glatt gegangen. Doch auf einmal stürzten zwei bewaffnete Männer hinter einem mannshohen Stein zu seiner linken hervor: „Keinen Schritt weiter Kaiserlicher!" Sturmmäntel, Revan erkannte die verhassten Uniformen. Vorzeige-Nord. Blond, groß gewachsen und breitschultrig, blutige Breitschwerter in den Händen. Blut von Kaiserlichen. Blut von Revans Waffenbrüdern. Dieser Anblick ließ ihn innerlich toben, obwohl er versuchte konzentriert zu bleiben. Einer der Rebellen trat auf ihn zu: „Leg die Waffe nieder und wir verschonen dich. Es wäre eine Schande einen Landsmann zu töten, nur weil er vom rechten Weg abgekommen ist." Der Kaiserliche spuckte aus: „Leckt mich. Werdet ihr mich so verschonen, wie ihr meine Kameraden verschont habt? Ein Jammer, dass man gezwungen wird stolze Nord zu töten, nur weil sie einem den Weg weisen wollen." Die Sturmmäntel hatten keinen Angriff erwartet. Der Rebell, der Revan näher stand, hatte seine Waffe schon sinken lassen und bekam sie nicht mehr schnell genug vor seinen Körper, als der Soldat angriff. Das kaiserliche Schwert durchbohrte den Wappenrock und die Lederrüstung, schnitt tief ins Fleisch des Rebellen. Der Getroffene ließ ein ersticktes Ächzen hören und begann zu zucken. Der zweite Sturmmantel schoss blitzartig nach vorn, so schnell, dass Revan keine Zeit zum Reagieren hatte. Gerade noch rechtzeitig konnte er den sterbenden Rebell wie einen Schild vor sich reißen. Knirschend blieb die heransausende Klinge im Kopf des Rebellen stecken und beendete dessen Leben endgültig. Blut spritzte umher als die Männer ihre Schwerter aus der Leiche zogen. Auf das dumpfe Aufschlagen des Toten auf den Boden folgte das unerbittliche Klirren der Klingen. Revan schlug sich tapfer; parierte Angriffe und zielte selbst mit tödlicher Genauigkeit. Sein Gegner hatte zunehmend Schwierigkeiten seine Deckung aufrecht zu erhalten. Er wich immer weiter vor dem Kaiserlichen zurück, was diesem Mut einflößte. Stärker und ungestümer ließ Revan sein Schwert auf seinen Feind niederregnen. Bereits zweimal hatte seine Klinge den Panzer des Sturmmantels gestreift ohne ihn zu beschädigen. Der Kaiserliche holte immer weiter aus, hieb immer stärker auf sein Gegenüber ein. Doch plötzlich stürzte der Sturmmantel nach vorne und stach zu. Brennender Schmerz machte sich in seiner Hüfte breit, als die Klinge sich in seine Seite bohrte. Benommen vor Schmerz stolperte er nach hinten, sein Schwert entglitt seinem Griff und er fiel, sein Körper schlug hart auf den Boden. Revan hörte seinen Feind hämisch lachen, sah wie der Rebell sein Schwert zu Boden warf und einen Dolch zog. Mit einem genussvollen Grinsen im Gesicht beugte der Sturmmantel sich über ihn. Revans zitternde Hand tastete an seinem Gürtel nach seinem Dolch. Dumpf tönte die Stimme des Rebellen in den Ohren des Kaiserlichen, er sagte etwas, ließ sein Messer und lachte, doch der verletzte Soldat verstand ihn nicht, das Rauschen des Blutes in seinem Kopf übertönte alle andern Geräusche. Ein Griff aus Elfenbein schmiegte sich in Revans blutverschmierte Hand. Sein Feind war nun direkt über ihm und drückte ihm sanft die kalte Messerklinge an den Hals. Warum beendete er es nicht. Unter unglaublicher Anstrengung zog Revan den Dolch aus seinem Gürtel und rammte ihn dem Sturmmantel mit letzter Kraft in den Bauch. Gegen den unglaublichen Schmerz in seiner Hüfte ankämpfend, stieß er so oft zu, bis er Blut über seinen Handrücken laufen spürte. Mit einem Ausdruck stummen Entsetzens auf dem Gesicht und einem überraschten Luftschnappen auf den Lippen rollte der Sturmmantel-Rebell nach rechts und starb zuckend und Blut spuckend an der Seite des kaiserlichen Soldaten. Sein Gegner hingegen lag da und wusste, dass er versagt hatte. Diese Erkenntnis erschütterte ihn, sie schmerzte ihn mehr als die Stichwunde in seiner Seite. Er hatte versagt. Zwar lagen neben ihm die Leichen zweier Rebellen, doch waren an dem Hinterhalt mindestens ein Dutzend beteiligt gewesen, wenn nicht mehr. Es waren zehn weitere, schwerbewaffnete Feinde des Kaiserreichs, die sich im Wald vor Helgen herumtrieben und der einzige Kaiserliche Soldat, der davon wusste, würde jeden Moment verbluten oder an Organverletzung krepieren und war unfähig aufzustehen. Die Wunde in seiner Hüfte war zu tief. Er würde als Versager sterben und die Sturmmäntel, was immer sie planten, würden den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite haben...


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