»Synchronizing watches
To the seconds that we lost
I looked up and saw you
I know that you saw me
We froze but for a moment«
Audience of One – Rise Against
Zwanzig Jahre. Es sind zwanzig ganze Jahre vergangen, in denen sich Ron nicht einmal erlaubt hat, darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn er Draco Malfoy wiedertreffen würde. Und schon gar nicht hat er darüber nachgedacht, was geschehen würde, wenn der ihm offenlegen würde, dass er nie an Frauen interessiert gewesen ist, sondern nur an Männern. (Und vielleicht sogar ein kleines bisschen nur an Rons, die ihrerseits zwar nicht schwul, aber durchaus pansexuell sind, und von nichts mehr geträumt haben, als irgendwann wieder mit besagtem Draco Malfoy zu knutschen. Oder vielleicht sogar ein klein wenig mehr.)
»Glaubst Du nicht«, presst Draco zwischen ein paar Küssen hervor, die er mitten auf dem Flur des kleinen Appartements gegen die Wand gedrückt mit Ron austauscht, »dass das alles etwas schnell geht?«
Ron lacht und weiß nicht, ob er Draco dafür noch mehr küssen oder lieber einen Schritt nach hinten treten soll. Also verharrt er in einer seltsam intimen Position zwischen Dracos Beinen und ganz nah mit seinen Lippen an Dracos, von wo aus er leise flüstert: »Zwanzig Jahre sind nicht allzu schnell. Wir können später reden.« (Eventuell wird er es nachher bereuen, wenn er sich jetzt auf Draco einlässt, wie er es von ihm hofft, aber damit wird er sich auseinandersetzen, wenn es soweit ist. Bis dahin kann er es auch einfach genießen, kann er nicht?)
»Vielleicht hast Du recht«, erwidert Draco ungefähr genauso leise und zieht Ron im selben Moment so nah wie möglich an sich heran. Es scheint keinen Millimeter an ihren Körpern zu geben, an denen sie sich berühren können und es nicht tun; Ron könnte nicht zufriedener sein. »Reden können wir später.« Und dann sind ihre Lippen wieder aufeinander; Dracos Zunge berührt Rons und vielleicht zieht Ron ein wenig an Dracos Haaren; ganz sicher ist er sich nicht, aber Draco zeigt keine Anzeichen von Unbehagen, also widmet sich Ron weiter, jeden Zentimeter an Dracos Körper zu berühren und sich wieder mit dem vertraut zu machen, was er vor langer, langer Zeit schon einmal kennengelernt hat.
Irgendwann und irgendwie gelangen sie gemeinsam in Dracos Schlafzimmer; Kleidung liegt auf dem Boden verteilt und Draco fährt vorsichtig mit seiner freien Hand über Rons Oberkörper, als ob er nicht glauben könne, dass er Ron gerade tatsächlich bei sich hat, ihn tatsächlich und wahrhaftig berühren darf.
Es sind knapp sechshundertdreißigmillionensiebenhundertzwanzigtausend Sekunden, die sie miteinander hätten verbringen können und die sie versuchen in die wenigen Stunden, die sie bisher miteinander verbracht haben, unterzubringen.
Ron blickt nach oben und sieht Draco ins Gesicht, der ihn mit einem Gesichtsausdruck betrachtet, den Ron nicht einordnen kann. Es könnte alles sein zwischen Zufriedenheit und Unglauben. – Alles bleibt für einen Moment stehen und sie starren sich einfach nur gegenseitig an. (Ron überkommt das Bedürfnis Ich liebe Dich zu sagen, aber er beißt sich auf die Zunge, weil er nicht weiß, ob er Draco liebt; weil er sich vielleicht nur von Nostalgie überwältigen lässt und sich in Glücksgefühlen suhlt, die überhaupt nicht mehr aktuell sind; weil er sich plötzlich wieder fühlt wie mit siebzehn.)
»Warum hast Du mich verlassen?«, fragt Ron und Draco schließt gequält die Augen. Die Antwort lässt auf sich warten, dann flüstert er: »Weil ich Angst hatte. Vor allem. Vor Voldemort, vor dem Krieg, vor unserer Beziehung. Ich konnte das nicht.«
Ron umfasst Dracos Arm mit seiner Hand und streicht vorsichtig mit seinen Fingerspitzen über die vernarbte Haut. (Er kann nicht wirklich glauben, dass dort tatsächlich einmal das Dunkle Mal gewesen sein soll. Vielleicht will er es auch nicht glauben, weil er sich dann eingestehen müsste, wozu Draco einmal gehört hat; wenn auch nur unter Zwang.)
»Ich wünschte, ich wäre früher auf Dich zugegangen. Nicht erst jetzt«, sagt Draco leise und mit einem traurigen Ausdruck in den Augen. »Es tut mir leid. Alles.« Ron lächelt und bewegt vorsichtig seine Schultern, um zu zeigen, dass er in Ordnung damit ist; dass er Draco nichts nachträgt. Sie sind beide nicht unschuldig an ihrer Situation und irgendwie wird gerade ja auch alles gut.
Sie hören auf, zu reden; fahren mit ihren Händen über die Haut des anderen; tauschen Küsse aus und Blicke. (Man sollte davon ausgehen, dass sie Sex miteinander haben, um all die verlorenen Nächte nachzuholen, die sie gern miteinander verbracht hätten; aber das haben sie nicht. Ich kann das nicht, wispert Draco und Ron zuckt zurück, als ob er sich verbrannt hätte. Es liegt nicht an Dir, führt Draco weiter aus, die einzigen beiden Menschen, mit denen ich je geschlafen habe, sind Du und Astoria gewesen. Er schluckt trocken und greift vorsichtig nach Rons Hand, der so schnell und fest danach greift, wie er nur kann. Ich hatte eigentlich nie Interesse daran, wenn ich ehrlich bin, sagt er leise, ich habe mit Astoria geschlafen, weil ... nun ja, Du weißt ja. Mit Dir habe ich geschlafen, weil ich Dich geliebt habe. Aber jetzt? Ron hebt Dracos Hand an seine Lippen und haucht kleine Küsse auf seine Fingerknöchel. Ich kann das nicht. Alles daran stößt mich ab.
Ron hält Dracos Hand an sein Herz gepresst und sagt leise: Das ist in Ordnung. Im ersten Moment ist ihm nicht klar, wie ernst er es wirklich meint. Natürlich müssen sie jetzt keinen Sex haben, vielleicht auch nicht demnächst, aber irgendwie ist Sex immer ein wichtiger Teil in Rons Leben und in seinen Beziehungen gewesen; er kann sich nicht vorstellen, gar keinen Sex mit der Person zu haben, mit der er eine Beziehung führen möchte. Aber irgendwo kann er sich auch nicht vorstellen, keine Beziehung mit Draco zu führen; nicht jetzt, da er die Möglichkeit dazu hat. – Aber umso länger er darüber nachdenkt, während sie Küsse und süße Worte austauschen, desto mehr kommt er zu dem Entschluss, dass er sich vielleicht auch vorstellen könnte, gar keinen Sex mit Draco zu haben; niemals oder wie lang auch immer das zwischen ihnen halten wird; solange Ron nur dazu in der Lage ist, gemurmelte, viel zu leise Worte zu hören, die verdächtig nach Ich liebe Dich und Ich hab' Dich so vermisst und Bitte bleib' für immer klingen.)
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on my own
FanfictionEs ist lange Zeit nach dem Krieg als Draco und Ron sich wieder treffen. Aber es ist nicht annähernd so feindselig, wie Ron es erwartet hat. TW: (regelmäßiger) Alkoholkonsum Geschrieben: 2014 Überarbeitet: 2017