Deutschland - Algerien

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Erst nach dem chaotischen Mittag wurde die Stimmung wieder angespannter. Man konnte ihnen förmlich die Nervösität an der Nasenspitze ansehen. Ich, bewaffnet mit meinem Block und einem Kulli, saß mehr oder weniger tatenlos in der Lobby und zeichnete Manu. Nur mit einem Ohr bekam ich mit, dass Miu es sich daran gemacht hatte, meinem Onkel nicht von der Seite zu weichen. Ich zeichnete genau die Szene von heute morgen, wo ich Manu schlafend neben mir gefunden hatte. Vertieft in meine Arbeit, bemerkte ich nicht, wie Thomas mir von hinten über die Schulter schaute. Erst als er sich meinen Block schnappte, und Manus Gesicht damit einen fiesen Schlenker verpasste, und sich fröhlich grinsend aus dem Staub machte. "Ey, Müller!", brüllte ich durch die Halle und sprintete ihm hinterher.

"Gib das sofort wieder her." "Und wenn nicht?", lachte er ganz ungeniert und legte nochmal nen Zahn zu. * Wie kann so ein unproportionierter Mensch sich plötzlich so schnell bewegen?* Aber ich war nicht umsonst deutsche Meisterin geworden. Nach vielleicht fünf Minuten Jagd, hatte ich ihn mit einem Sprung auf seinen Rücken zum stehen gebracht. "Du bist gut!", schnauften wir gleichzeitig und stoppten mitten in der Bewegung. Nur um uns gleich darauf prustend in die Arme zu fallen.

"Du und Manu also?", fragte Thomas dann, als wir uns beruhigt hatten. "Mhm.... Nein.... Ja.... Ich weiß es nicht, aber ich glaube schon. Aber du darfst es auf keinem Fall irgendjemanden verraten. Jogi würde ausrasten.", schärfte ich ihm ein. Widererwarten nickte er nur und gab mir meinen Block wieder. "Keinen schlauen Spruch auf Lager?", misstrauisch zog ich eine Augenbraue hoch. "Warum? Ihr seid füreinander bestimmt. Das hatten wir schon von Anfang an gesehen.", sagte Thomas ernst. "Wir?", jetzt wanderte auch meine zweite Augenbraue an meinen Haaransatz. "Ja, wir. Phips, Per, Lukas, Basti und Miro." "Dass Phips und so das gesehen haben, das wundert mich nicht. Aber du?" "Ja, ich. Selbst ich kann mal sensibel sein. Frag Lisa." "Okay. Ich glaub dir auch so. Heißt das, dass du unser Geheimniss bewahrst?" "Ehrenwort à la Müller.", lachte er und führte seine rechte Hand an sein Herz. "Spinner.", lachte ich auch und ging mit ihm wieder in die Halle.

"Du hast mir übrigends meine Zeichnung versaut." "Hä?", erwiderte Thomas. "Durch dein abruptes wegziehen, hat Manu jetzt einen ekelhaften Schlenker im Gesicht und da ich mit Kulli gezeichnet habe, darf ich dank dir wieder von neuem anfangen." "Stets zu ihren Diensten, Ma'am.", erwiderte er und machte eine galante Verbeugung vor mir. Ich nutzte die Gelegenheit und stellte meinen Ellenbogen auf seinen Rücken und tat so, als sei er ein Tisch. "Weißt du Müller? Du würdest auch einen wunderbaren Tisch hergeben. Falls das mit dem Fußball irgenwann nicht mehr ist, weiß ich was dein neuer Beruf wird.", zog ich ihn auf und ging schon mal auf Sicherheits abstand. Bedrohlich langsam, zumindestens sollte es bedrohlich wirken, stand er auf und grinste mich fies an. "Lauf."

Nichts lieber als das. Mit einem gekonnten Start, sprintete ich den restlichen Weg in die Halle und kreischte, als ich ihn aufholen hörte. Natürlich drehte sich die gesamte Mannschaft um und schaute uns verwirrt an. "Basti hilf mir. Der Müller will kein Tisch sein.", rief ich und umrundete Basti ohne das er irgendetwas tat. "Mirooooo", kreischte ich und zog das O lang. Wenigstens der reagierte und hielt den Müller auf. "Danke." Außer Atem, stand ich immer noch hinter Miro. "Der Müller will kein TISCH sein?", ungläubig wiederholte Basti meine Worte. "Du hast mich schon richtig verstanden.", lachte ich und kam hinter Miros Rücken hervor. "Thomas will kein Tisch sein." "Genau. Tisch sein, war noch nie meine Lieblingsbeschäftigung.", stimmte Thomas mit ein und legte einen Arm um meine Schulter. "Na los. Hop Hop. Was steht ihr hier noch rum? Der Bus wartet zwar auf euch, aber zu spät ins Stadion kommen, wollt ihr nicht.", scheuchte Jogi, der gerade erst dazu gekommen war, alle nach draußen.

Immer noch über unsern Insider kichernd, gingen wir in den Bus und Thomas zog mich direkt zu ihm. Etwas entsetzt sah ich ihn an. "Dein Liebster wird dich schon nicht in der Luft zerreißen.", flüsterte Thomas und ich nickte. Die Fahrt über unterheilten wir uns köstlich. Bei ihm war die Anspannung erst zu spüren, als das Stadion in Sicht kam. "Ihr schafft das schon.", sagte ich und drückte ihn vor dem Bus noch einmal. "Danke.", flüsterte ich ihm ins Ohr und ging dann durch den Hintereingang in das Stadion. Mittlerweile kannte ich mich sehr gut aus.

Während die Jungs sich aufwärmten, telefonierte ich wieder mit Karo. In zwischen war es fast zu einem Ritual geworden. Als es dann kurz vor dem Einzug ins Stadion war, seilte ich mich ab und ging zu den Umkleiden. Immerhin brauchte noch jemand eine ordentliche Portion Glück von mir. Ich versteckte mich in einem dunklem Gang, wo ich aber die Umkleide gut im Blick hatte. Es waren schon so ziemlich alle Jungs raus gekommen. Manu kam als letztes. Mit einem gekonnten Griff, zog ich ihn in den Gang. Durch den Überraschungseffekt ließ er es geschehen. Als sich meine Augen wieder an das Dunkle gewöhnt hatten, sah ich in Manus versteinertes Gesicht. "Was ist los?", fragte ich unsicher. "Was los ist? Das sollte ich dich fragen. Ich hätte dich nie als so eine Frau eingeschätz, die für jeden dahergelaufenen Mann die Beine breit macht.", kalt warf er mir diesen Vorwurf ins Gesicht. "Was?... Aber Manu...", meine Stimme brach. "Kein Aber. Du kannst mir gestohlen bleiben. Und ich dachte das mit uns wäre etwas ernstes. Du bist für mich gestorben.", mit diesen Worten drehte er sich um und ließ mich allein.

Verzweifelt rutschte ich an der Wand runter. Heiße Tränen liefen meine Wangen in Sturzbächen herunter und ich konnte mein Herz brechen hören. Erneut. Erneut wegen Manu.


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