Kapitel 4

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Das Eisengitter wurde aufgeschlossen und ich wurde sanft wachgerüttelt. Es war wieder die Frau mit dem Essen. Diesmal brachte sie mir mein Essen und als ich fertig war, verließen wir zusammen die Zelle. Sie führte mich durch lange Gänge mit unzähligen Verzweigungen, in denen ich mich sicher verirrt hätte. Durch die Steinwände wucherten ab und zu dicke Wurzeln, aber Fenster gab es keine. Logisch, denn wir befanden uns ja unter der Erde. Dann kamen wir irgendwann an eine Holztür und ich betrat ihr Zimmer. Oder eher ihre Wohnung. Es war wie eine zwei-Zimmer -Wohnung, mit einer kleinen Couch, einer minimalen Küche und einer geschlossenen Tür, hinter der vermutlich ein Schlafzimmer lag. Aber es gab eine Sache, die mir sofort auffiel: alles war aus Holz. Also fast alles; die Küche und die meisten Möbel. Die Couch war mit rotem Samt gepolstert und an den Steinwänden hingen dicke Teppiche mit kunstvollen Verzierungen. Insgesamt war es ganz gemütlich, für einen großen Mensch wäre das alles zu klein, ich war aber nicht besonders groß, also passte alles einigermaßen. Die Frau lief zu einem Schrank und holte zwei Kleider heraus, die beide wunderschön aussahen. Eines war grün, das würde gut zu meinen rabenschwarzen Haaren passen und zu meinen grünen Augen. Das andere kleid war blau. Ich probierte beide Kleider an und hoffte insgeheim, die Frau würde mir das grüne geben. Aber das grüne war mir zu groß und ich musste das blaue anziehen. Naja, halb so schlimm, dachte ich. Als ich das blaue kleid aus Samt mit zierlichen Bestickungen anhatte, nahm die Frau meinen Haarschopf in die Hand und zauberte eine unglaubliche Turmfrisur.
«Was, du hast keine Ohrlöcher?!», sie schien empört, als sie meine makellosen Ohrläppchen sah. «Zu deinem Glück habe ich noch ein Paar Steckerohrringe da.» sie holte aus einer Schublade zwei Stecker mit massiven Perlen dran. Sie steckte sie mir an die Ohren und betrachtete mich von oben bis unten. Dann nickte sie zufrieden, «Du bist echt eine hübsche Gestalt. Der König wird über mein Werk erfreut sein.» Sie schien sehr zufrieden mit sich selbst. Dann setzte sie sich auf die Couch und bedeutete mir, mich neben sie zu setzen. Aber als ich mich hinsetzen wollte, rutschte ich auf dem Saum des kleides aus.
«Pass doch auf! Mädchen, hattest du noch nie ein solches kleid an?» schrie sie empört. Ich schüttelte den Kopf. Dann stand sie auf und zeigte mir genau, wie man sich hinsetzte. Das war echt schwer, doch nach ein Paar versuchen konnte ich es einigermaßen. Als ich neben ihr saß fragte ich sie :« Wie heißt du?»
Sie schaute mich lächelnd an, «Ich dachte schon, du hättest gar keine Stimme. Ich heiße Alexia. Und du, wie heißt du denn?» fragte sie zurück.
«Ich heiße Viktoria.»sagte ich. Sie lächelte mich an und dann ging sie in die Küche.
«Möchtest du einen Tee? Wir haben noch ein wenig Zeit, bis wir zum König müssen» rief sie mir aus der Küche zu. Ich hatte mal gehört,  zwergischer Tee sei scheußlich, also antwortete ich: «Nein, aber danke.»
Alexia bereitete sich eine eigene Tasse Tee zu und kam damit zurück zur Couch.
«So Viktoria, woher kommst du denn überhaupt. Ich darf dich hübsch machen, aber über dich weiß ich kein bisschen.» sagte Alexia und schaute mich interessiert an. Ich zögerte kurz aber ich vertraute Alexia, denn sie war so nett zu mir gewesen. « Ich komme aus den Grünen Ländern. Das ist ziemlich weit nördlich von hier, glaube ich.» Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte das in unserem Schulfach Weltwissen gelernt zu haben. Alexia schlürfte an ihrem Tee und hörte mir ausmerksam zu. Also erzählte ich weiter: « Dort wohnte ich mit meiner Familie. Naja, also meine Schwestern sind alle älter als ich und alle schon verheiratet. Meine Eltern hatten meine hochzeit geplant. Ich war sehr froh über mein Leben, ich wohnte mit meinen Eltern in einer ruhigen Gegend und wir liebten uns ganz doll. Aber eines Abends hörte ich von draußen einen höllischen Lärm und hörte meinen Vater schreien. Als ich aus dem Fenster sah, sah ich dunkle Gestalten, die meine Eltern wegschleppten. Diese schwarzen Körper und die langen, spitzen Krallen werden für immer in meinem Gedächtnis bleiben. Als ich im Morgengrauen zum nächsten Dorf rannte und um Hilfe bat, sagten alle Leute ich wäre verrückt und verscheuchten mich.» ich machte eine kurze Pause und atmete durch. Über dieses Thema zu reden war schon immer schwer gewesen. Aber Alexia wollte anscheinend alles wissen, denn sie schaute mich interessiert an. Also fuhr ich fort.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 12, 2017 ⏰

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