Kapitel 2

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  Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen.  ~Aristoteles

In den Sommerferien, war ich die meiste Zeit nicht zu Hause. Entweder war ich bei Freunden oder allein in der Stadt etwas essen. Ich ging nur zum Schlafen nach Hause und meine Eltern ließen mich das auch durchziehen, bis auf die letzten zwei Wochen.

Die letzten zwei Wochen verbrachten wir in einem Hotel in Tschechien, wobei, eigentlich waren wir kaum im Hotel, da meine Eltern so viele langweilige Sehenswürdigkeiten wie möglich sehen wollten. 

Ich jammerte nicht, sondern ließ das Schicksal seinen Lauf nehmen und saß somit am Montag den 22. August im Auto Richtung Internat welches abgeschottet von der Zivilisation war. Zu Fuß war das nächste Kaff 40 Minuten entfernt.

Zu dem kommt noch, dass die Lehrer der Schule so nett waren, mich einen Tag früher her kommen zu lassen um mir das Gelände zu zeigen.

Ich wünschte mir nichts sehnlicher als allein zu sein, aber stattdessen musste ich mir von meiner Mutter zum tausendsten Mal anhören zu müssen wie toll dieses Internat doch sei und dass ich mir doch auch für jeden Tag eine AG aussuchen sollte damit ich viele Freunde finde.

Ich hörte nicht mehr zu, setzte meine Kopfhörer auf und scrollte durch mein Instagram Feed. 

Nach über drei Stunden Fahrt mit nur einer kurzen Pause schmerzte mein Hintern als hätte ich auf Stacheldraht gesessen.

Ein Mann winkte uns zum Straßenrand. 

"Schau mal Schatz, dass ist Herr Kaufmann, der Internatsleiter und dein Direktor!", meinte meine Mutter euphorisch. Der Mann war vielleicht Mitte 30, also konnte er nicht der Herr Kaufmann sein, den meine Eltern damals als Direktor hatten.

Wir fuhren auf einen kleinen Platz und ich betrachtete die riesigen Gebäude in die mich meine Eltern das folgende Jahr sperren werden. 

"Guten Tag Herr Thies, Frau Thies", er gab meinem Vater und meiner Mutter die Hand, dann schob er seine Brille zurecht und wandte sich an mich: "Und du musst Esther sein richtig?", er hielt mir seine Hand hin.

Ich ergriff diese vorsichtig und versuchte ein Lächeln zu erzwingen. "Hallo", meinte ich leise.

"Sie ist etwas schüchtern", meinte meine Mutter schnell, als müsste sie mich aus etwas herausreden. 

"Ach das legt sich schon", meinte Herr Kaufmann, "spätestens, wenn morgen die anderen Kinder kommen". So sehr ich versuchte diesen Typen zu hassen er war irgendwie nett. 

Meine Mutter reichte mir meinen Koffer, welchen Herr Kaufmann an meiner stelle annahm. "Ich würde sagen wir gehen erstmal in dein Zimmer oder?"

Ich nickte.

Wir näherten uns dem größten Gebäude hier in der Umgebung, wo eine Frau, vielleicht Mitte 20 stand und mich freundlich Empfing: "Hallo Esther! Na wie findest du das Internat bishin?"

"Hab ja noch nicht sonderlich viel davon gesehen...", antwortete ich kurz.

"Ah! Ich hab eine Idee!", meinte Herr Kaufmann so euphorisch, als hätte er gerade Einsteins Theorie wiederlegt, "wie wäre es, wenn Kathi dich rum führt und ich mit deinen Eltern das Finanzielle nochmal bespreche. Verabschieden könnt ihr euch ja jetzt schon."

"O... okay", auch wenn ich mich mit meinen Eltern in letzter Zeit kaum verstanden hatte, war es irgendwie ein komisches Gefühl jetzt zu verlassen.

"Wir sehen uns in den Herbstferien kleine", meinte mein Vater und nahm mich in den Arm. Das gleiche wiederholte sich bei meiner Mutter, allerdings etwas kaltherziger.

"Okay fangen wir mit deinem Zimmer an", meinte Kathi, oder für mich Frau Fink und schleppte meinen Koffer die Treppen des Internats hoch. Die Eingangshalle war relativ schlicht gehalten, eine Kommode, ein paar Gemälde und eine menge Türen, welche zu anderen Räumen führten.

Bevor ich mich weiter umschauen konnte, meinte Frau Fink völlig außer Atem am oberen Ende der Treppe: "Komm ich zeig dir gleich was alles unten ist!"

Auf der zweiten Treppe , welche zum Trakt der Zehntklässler führte, schleppte ich meinen Koffer und war auch dementsprechend außer Atem, als wir ankamen. Auf dem Flur waren sechs Holztüren, drei rechts und drei links, welche mit Zimmernummern versehen waren, beginnend bei Raum 200. Am Ende des Flurs war eine Feuerschutztür, welche mit ihrem grellen Schriftzug geradezu Reklame für Feuerschutztüren machte.

"So dann müssen wir nur hier durch", Frau Fink hielt mir die Tür offen, während ich mit meinen Koffer hindurch ging, "Und das erste Zimmer links, Zimmer 206, ist deins! Naja, deins und Minas..."

"Gibt es auch Einzelzimmer?", platzte es aus mir heraus. Ich wollte nicht so direkt sein, aber vielleicht war das meine Möglichkeit keinen nervigen Mitbewohner zu haben.

"Nein", Frau Fink lachte kurz, "Wir haben nur Doppelzimmer"

"Okay...", ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer. Meinem und Minas Zimmer...

Als ich das Zimmer betrat, fühlte ich mich nicht mehr wie in einem Internat mit grauem Teppich und langweiligen weißen Wänden auf den Fluren, nein, ich fühlte mich wie in einem Ikea Traumzimmer.

Das Zimmer war zwar recht klein, aber der Platz wurde optimal genutzt. Auf der linken Seite befand sich ein weißes Etagenbett aus Holz. Am Fußende, welches Richtung Tür zeigte, war ein eingebauter Schreibtisch mit einem kleinem Regal darüber. Am Kopfende des unteren Bettes war ebenfalls eine kleine Ablage auf der ein eingerahmtes Foto von drei Mädchen war. Die rechte hatte brustlanges gewelltes braunes Haar und zeigte mit der rechten Hand ein Peace Zeichen. Das Mädchen in der Mitte hielt einen Selfie-Stick und hatte schulterlange hellblonde Haare. Und das dritte Mädchen kam mir  allzu bekannt vor. Es war etwas kleiner als die anderen beiden und hatte schulterlange blaue Haare. Fassungslos griff ich nach dem Bild. Das war Lena Vanille!

"Ehm das ist Minas Zeug, du kannst dich hier auch einrichten, letztes Jahr hatte sie ein Zimmer für sich allein und hatte am Ende des Schuljahres die Sachen die sie nicht mit nach Hause nehmen wollte hier her gebracht. Vermutlich mit der Erwartung dieses Jahr wieder ein Zimmer für sich alleine zu haben"

Ich stellte, immer noch völlig verdattert, das Bild zurück und schaute mich weiter im Zimmer um. An der hinteren Wand war ein relativ großes Fenster mit schöner Aussicht auf einen Wald, welche allerdings von schrecklich aussehenden Vorhängen bedeckt wurde. An der rechten Wand befand sich in der nähe des Fensters der zweite Schreibtisch, diesmal schwarz statt weiß und mit einem Whiteboard an der Wand darüber. Auch dort hingen ein paar Fotos von den beiden Mädchen und Lena Vanille.

Der Boden war aus braunem Laminat allerdings waren einige kleine Teppiche auf dem Boden ausgelegt, die Wände waren blau gestrichen und die Decke weiß. 

In der nähe der Tür befand sich ein Schrank, der zu klein für all meine Klamotten von zu Hause wäre und hier genug Platz für zwei Personen spenden musste.

Frau Fink öffnete die eine Hälfte des Schrankes: "Das hier ist dein Schrank dort ist deine Schuluniform und bevor Fragen auftritt, nachmittags darfst du etwas anderes tragen, deine Wäsche musst du selbst waschen und jedes Teil für die Uniform besitzt du drei mal, damit musst du zurecht kommen."

KETTENREAKTION [YouTube FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt