Und der Vorhang aus rotem Samt fiel. Bloß, dass es kein Samt war, sondern Blut, dass zwischen ihren blassen Lippen hervorquoll.
***
Ich hasste diesen Ort. Ich hasste die fensterlosen, schwarzen Wände, die verhangenen roten Lampen, die diesen Ort in dämmriges, betörendes Licht tauchten. Ich hasste die Sofas aus schwarzem und weinrotem Leder und die runden, schwarzen Tische, in deren Mitten sich Stangen für die Tänzerinnen befanden. Ich hasste diesen Club mehr als alles andere auf der Welt und dennoch arbeitete ich hier, weil es die einzige Jobausschreibung gewesen war, die zu meinem Stundenplan passte und in etwa meinen Gehaltsvorstellungen entsprach, aber es war zum Kotzen. Am schlimmsten jedoch waren die Menschen, die hierher kamen. Sabbernde alte Säcke mit Bierbäuchen und Holzfällerhemden, junge, überhebliche Idioten, die endlich mal eine nackte Frau sehen wollten und sich dann wie die Größten aufführten, perverse Schweine in Anzügen, polierten Schuhen und aalglatten Frisuren und natürlich jene, die einfach nur zu viel Geld hatten (oder zumindest so taten) und der Ansicht waren, sich alles kaufen zu können. Ich hatte die dreiundzwanzig-Uhr-Schicht. Schlechter hätte es mich nicht treffen können. Die Männer waren angetrunken und grölten, sie pfiffen einem hinterher und hauten einem auf den Arsch, wenn man ihnen den Rücken zukehrte. Ich war hier Kellnerin und trotzdem behandelten mich viele wie eine billige Prostituierte. In der kleinen Garderobe hinter der Bühne war es brechend voll, was kaum verwunderlich war, da es Freitagabend und somit einer der kundenreichsten Abende der Woche war. Ich zwängte mich zwischen Stripperinnen und anderen Angestellten hindurch bis in eine kleine Nische am hinteren Ende des Raumes, die eigentlich immer frei blieb, weil es dort keinen Spiegel gab, und begann, meine Tasche nach dem Kostüm zu durchstöbern, dass hier alle Kellnerinnen tragen mussten. Noch eine Sache, die ich hasste. Als ich fündig geworden war, schälte ich mich aus meiner löchrigen Jeans und meinem schwarzen Top und befreite mich von jeglichem Schmuck, was bei mir aufgrund diverser Piercings und zahlreicher Silberringe ein Weilchen dauerte. Ich stand in Unterwäsche da, als mein Chef (auch ihn hasste ich), ohne Anklopfen in das Zimmer trat und mit den dahingerotzten Worten „neue Kostüme“ einen Haufen lederner Klamotten fallen ließ, bevor er wieder verschwand. Ich verdrehte die Augen, als mir eine Kollegin von mir (ich glaube sie hieß Sarah und war ziemlich schmerzfrei, was so ziemlich alles anging) einen kurzen, schwarzen Lederrock, High-Heels und ein bauchfreies Oberteil weiterreichte. Ich überlegte kurz, ob ich kündigen sollte, griff dann aber nach den Klamotten und zwängte mich hinein. Allmählich leerte sich der Raum, da die nächsten Auftritte anstanden, und ich konnte mir einen Platz am Spiegel ergattern, wo ich mir das Zopfgummi aus den Haaren riss, meine dunkelrote Mähne locker ausschüttelte und meine Augen mit schwarzem Kajal umrandete. Fertig war der bad-girl-Look und ich war bereit (mehr oder weniger), einen weiteren abscheulichen Abend hinter mich zu bringen.
Als ich in den Hauptraum des Clubs trat und unweigerlich von dem üblichen Rot und Schwarz begrüßt wurde, begann auf der Bühne gerade eine der Special-Shows. Georgia turnte halbnackt um ihre Pole-Dance-Stange herum und ließ sich zwischenzeitlich Geldscheine in ihren Slip stecken. Es war widerlich. Ich wandte mich ab und verschanzte mich hinter der Theke, wo ich den einzigen Grund, warum ich noch nicht längst das Handtuch geschmissen hatte, entdeckt hatte. Jake. Naja, wenn man von dem Hauptgrund, hier zu arbeiten (Geld), einmal absah. Jake war Barkeeper, hasste den Club ebenso wie ich und arbeitete hier bloß, um seine Musik finanzieren zu können. Normalerweise, also tagsüber, war er Streetworker.
„Hey little One“, begrüßte er mich und zerzauste mir mit seiner Hand das Haar.
„Du meinst wohl big One“, verbesserte ich ihn und grinste. Als Antwort schob er mir bloß einen riesigen Berg Abwasch zu. Mit einem tiefen Seufzer ging ich an die Arbeit.
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Als mein Herzschlag sich von jetzt auf gleich beschleunigte und ein angenehmes Kribbeln meinen Körper durchfuhr, war mir klar, dass sie angekommen sein musste. Ich blickte mich suchend um, konnte sie aber noch nirgends entdecken. Ich wusste nicht, wie sie aussehen würde, aber wenn sie erst einmal vor mir stand, würde ich sie augenblicklich an ihrer Aura erkennen. Ebenso wenig wusste ich, warum ausgerechnet sie ausgewählt worden war, aber ich vertraute darauf, dass es gute Gründe dafür gab. Und dann sah ich sie. Sie war hinter der Theke aufgetaucht und scherzte ihrem breiten Grinsen nach zu urteilen mit ihrem Arbeitskollegen. Ihre Aura strahlte blutrot. Ich fragte mich kurz, was sie in solch einem Drecksschuppen zu suchen hatte, denn normalerweise holte ich die Leute aus Eliteuniversitäten, Krankenhäusern, Hilfsorganisationen oder sonstigem ab, aber noch nie war ich in einen Strip-Club geschickt worden, um jemanden abzuholen. Ich bahnte mir meinen Weg durch die Menge betrunkener, perverser Männer, die alle auf die Brüste der Tänzerin starrten, hin zur Theke. Normalerweise hätte ich längst zugeschlagen. Normalerweise machte ich mir keine großen Gedanken. Aber heute war es nicht wie sonst. Das Mädchen war jung, hatte große, ozeanblaue Augen und wallende rote Haare. Es war mir schlicht unbegreiflich, wie sie auf die Liste gekommen sein konnte.
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Exposed
Teen Fiction"Es würde viel weniger Böses auf Erden geben, wenn das Böse niemals im Namen des Guten getan werden könnte." (Marie von Ebner-Eschenbach) Der Kampf um die Seelen der Menschheit ist ein ewig andauernder, der niemals ein Ende finden wird. Und doch mus...