"Ich kann sie nicht verlassen!", schluchzte sie verzweifelt, "Das wird sie mir niemals verzeihen!" "Du hast keine andere Wahl, wenn du willst, dass sie in Sicherheit ist." Der Mann mit dem spitzen grauen Hut starrte auf die weinende Frau hinab. "Es wird das Beste für sie sein. Sie wird alles zur vorgesehenen Zeit erfahren." Noch immer hörte die Frau nicht auf zu weinen, nickte jedoch nach einem kurzen Moment des Zögerns.
"Versprich mir, dass du sie niemals im Stich lassen wirst, und dass du alles tust um sie zu schützen!" Es war ein kläglicher Versuch die ungeheuren Schuldgefühle loszuwerden, dass war ihr selbst auch bewusst. Aber sie würde nicht gehen, bevor er den Schwur geleistet hatte. Wenn sie ihre kleine Tochter schon im Stich lassen wollte, dann nicht ohne das Versprechen des einzigen Mannes dem sie noch traute.
Nach schier endlosem Schweigen neigte der Zauberer leicht den Kopf und schwor: "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um deiner Tochter ein sicheres und behütetes Leben zu ermöglichen. Ich werde sie mit meinem Leben schützen und ihr alles zu gegebener Zeit erklären. Bist du damit zufrieden?" Die Mutter lächelte ihn erleichtert an, doch es erreichte immer noch nicht ihre Augen. Schließlich erhob sie sich schwerfällig, als wäre sie in den letzten paar Stunden um Jahrhunderte gealtert.
Sie dachte zurück an die sorglose Zeit, die sie damals mit ihrer Tochter hatte verbringen können. Schon damals hatte sie gewusst, dass es nur von kurzer Dauer wäre, aber eingestehen wollte sie es sich erst, als es bereits zu spät war. Wenigstens hatte Eleniel eine glückliche Kindheit mit ihrer Mutter zusammen verbringen können.
Die kleine Elbin hatte es nicht leicht, sich in die menschliche Dorfgemeinschaft einzugliedern, aber wer hatte schon so einem süßen Kind widerstehen können? Trotz allem lastete der Fluch der Zeit auf ihnen und die einzige Konstante in diesem Kreislauf aus Leben und Tod bildete Eleniels Mutter. Und diese Konstante würde sie nun verlassen. Voller Sorge fragte sich die junge Mutter, welche Last sie ihrem Kind da aufbürdete. Wie würde ihre Kleine damit zurechtkommen, von Fremden umzingelt zu sein, die der Ansicht wären, alles über sie zu wissen? Alles über ihre Vergangenheit und ihre Zukunft zu wissen?
Schweren Herzens warf Eleniels Mutter noch einen Blick zurück auf den Zauberer, der ihre Illusion von Glück innerhalb eines Tages zerstört hatte. "Gib mir noch einen Tag. Danach mache ich mich auf den Weg zu den Anfuhrten. Ihr Schicksal liegt dann in deiner Hand. Aber sei dir einer Sache gewiss: Ich werde die Valar bitten über sie zu wachen und solltest du versagen und ihr stößt etwas zu, wird mein Fluch dich treffen und dein Leben wird verwirkt sein." Unbeeindruckt von dieser Drohung lüftete er seinen Hut und ging zur Tür hinaus. "Morgen Abend werde ich sie abholen." Ohne ein weiteres Wort des Grußes schritt er durch die Tür hinaus in das nachmittägliche Licht der Sonne, und verschwand zwischen den Bäumen des angrenzenden Waldes.

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Not All Those Who Wander Are Lost
FanfictionDas Leben als Elbin kann manchmal ganz schön zum Kotzen sein! Das denkt vor allem Eleniel wenn sie sich durch die sitenlange Etikette quält, mit der sie es tagtäglich zu tun bekommt. Das ihr das alles aber eines Tages nützlich sein kann, wird ihr er...