Prolog

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Sie kniete nieder, fasste in das weiche Gras, das sich einzigartig in der hylianischen Steppe nach oben reckte. Es wehte leicht im Wind. ,Wie immer‘, dachte sie, auch wenn sie wusste, dass selbst der Wind hier bald nicht mehr wehen würde. Hier im alten Hyrule, in einer vertrauten Vergangenheit, die nicht sein sollte. Sie fühlte den kalten, staubigen Erdbeben, aus dem langsam, fast unmerklich, das Leben sickerte.

Es begann…
 

Sie verschränkte ihre Arme vor sich und berührte sachte den samtenen Stoff ihrer blassrosa Handschuhe. Ein wenig kühl. Ja, in Hyrules Steppe schien immer ein kühler Wind zu wehen, selbst dann, wenn die heiße, feuerrote Sommersonne am Himmel stand. Langsam schloss sie ihre Augen, in denen einsame Tränen schimmerten.

Der Wind streichelte ihre blonden Haare, die stets gepflegt aussahen. Einige goldene Strähnen wurden verspielt vom Wind aufgewirbelt. Sie nahm ihre aus teuerstem Stoff bestehende Handschuhe ab, warf sie wie etwas unnützes beiseite, griff sich in die blonden Strähnen und zerrte wie wild geworden ihre goldenen Spangen heraus, warf die reichlich verzierte Tiara ab. Kein gepflegtes Antlitz mehr- wozu auch!
 

Sie stand mit geballten Fäusten auf, schaute nostalgisch in das stumme Tal vor ihren Augen. Der Weg, auf dem einst zahlreiche Händler unterwegs waren, um in der Stadt vor dem Schloss ihre Waren anzubieten, war nun leer und lag wie eine dunkle Blutader zwischen den grünen Hügeln. Sie blickte in Richtung Osten, wo sich eine lange Kette von kräftigen, stämmigen Bäumen von der Landschaft emporhob, dann in Richtung Westen zu der sich nähernden Wüste mit ihren sandigen Stürmen, um möglichst viel von diesem Bild in sich aufzunehmen, denn es würde eines der letzten Male sein, dass sie dazu die Gelegenheit hatte. Im Hintergrund ragten stolz die mächtigen Todesberge empor, eingehüllt von rauchigen Gewitterwolken. Doch dieses Bild, so wahnsinnig schön und bewundernswert, es würde in wenigen Stunden nicht mehr sein.

Wie in Trance breitete sie ihre Arme aus, stellte sich vor zu fliegen, sich in einen königlichen, starken Adler zu verwandeln, der über der Welt hinweg schwebte, alles erblickte sein Auge und sein Ruf nach Freiheit, so mächtig, könnte von den Völkern gehört werden. Sie wünschte sich, sie könnte nur einmal so anmutig sein wie ein Adler oder ein Falke, so stark, nur für diese Welt, die sie hätte retten müssen. Sie hätte dieses Land, welches sie so sehr liebte, beschützen müssen.
 

Warum nur war jetzt doch die letzte Stunde gekommen? Die letzten Minuten Hyrules?

Ihre Augen, himmelblau und klar, blickten zum Himmel herauf, sahen, wie dunkle Wolkenschleier vorüberzogen, sahen am Horizont die Sonne herabsinken. Es tat unheimlich weh, der Schmerz wühlte ihr Inneres auf, alte Bilder eines Himmels, der aussah wie erstarrtes Blut, drangen in ihren Geist.

Geistesgegenwärtig sagte sie: „Es war immer seine Schuld gewesen… und nun hat er im letzten Augenblick doch noch seinen Willen erhalten, sein Verlangen gestillt. Sein Wunsch Hyrule zu besitzen, seine Gier über es zu herrschen… und ich, ohnmächtig konnte ich nur zu sehen.“ Gedankenloser Hass stieg in ihr auf. Schäumende Wut kochte in ihrem Inneren und floss das königliche Blut in ihren Adern entlang, bis hin zu ihren porzellanfarbigen Händen. Die Macht, um die sie nie gebeten hatte, löste sich von ihr und stieg in Richtung des weiten Himmels.

„Seht her, Ihr Götter. Ist das wirklich gerecht? Ich sollte einen Teil der heiligen Macht tragen, und trage ihn noch- auch wenn Hyrule bald nicht mehr ist. Ist das fair! Sagt es mir!“

Plötzlich schrie sie verzweifelt: „Das ist einfach nicht fair!“

Sie hatte immer nur an dieses Land gedacht, jede Minute ihres Lebens damit verbracht, an Hyrules Sicherheit zu denken. Wenn die Sonne schien, studierte sie Bücher, beschäftigte sich mit Magie und in der Nacht, weder geschlafen noch gewacht, hatte sie sich vor den Schatten in der Dunkelheit verkrochen. Sie unternahm alles in ihrer Macht stehende nur für Hyrule, ganz allein für Hyrule, hatte Gefühle geleugnet, Ängste versucht zu unterdrücken… alles für diese Welt. Und nun war sie gezwungen wegzulaufen, wie ein verfluchter Feigling, der sie niemals sein wollte.
 

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