Kapitel 10

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Von Hemden und Regeln

Wortlos stand er auf und ging zu dem Kleiderhaufen auf dem auch mein Kleid lag. Hatte ich nicht eigentlich noch eine Hose drunter getragen oder hatte ich die vergessen? Noch während ich mich das fragte flogen Kleidungsstücke auf mich zu. Perplex starrte ich sie an. Hosen, Hemden, Schuhe (wo sind meine?) und noch vieles weiteres. "Was soll ich damit?", fragte ich erstaunt.

"Anziehen, es sind die kleinsten Sachen. Über Nacht wird es hier genauso kalt wie draußen." Irgendwas murmelte er noch, aber ich hörte nicht zu und widmete mich den Sachen. Ekelhaft, zerfetzt, zerfetzt. "Warum kann ich nicht wieder mein Kleid anziehen?" Ich bekam keine Antwort und zog mir die kleinste Hose an. Sie ging mir trotzdem noch über die Füße und rutschte an der Hüfte. Ich übersehe einfach mal die Tatsache, dass es wahrscheinlich auch noch die ekelhafteste ist. "Hast du mal daran gedacht die Sachen zu waschen?" "Wozu?", fragte er. "Werden doch so oder so wieder dreckig."

"Hast du ein Band zum fest machen?"

"Zerreiß eines der Hemden, werden nicht mehr gebraucht."

"Seh ich so aus, als ob ich das könnte?" Klar könnte ich das, aber ich fass die Hemden nicht an, die ich nicht anziehen werde. Ich hörte ein Seufzen vom Kleiderhügel, der zur Hälfte geschrumpft ist, und blickte zu dem Mann. Er saß im Schneidersitz da, mit dem Gesicht zu mir. Er streckte seine Hände aus. Mit spitzen Fingern hob ich eines der Hemden auf, brachte es ihm und stellte mich vor ihm, den Blick starr auf ihn gerichtet. Nur Sekunden später hielt er mir das Stück Stoff hin. Hart schluckte ich, nahm den Streifen und ging wieder zu dem Platz, den ich nun als meinen beanspruche. Ich zog die Hose so hoch wie möglich (die Hälfte meines Bauches war bedeckt) und versuchte das Band darum zu schnüren. Ich muss sagen, ich stellte mich nicht mit Absicht so dumm an, denn nach dem ich anfing leise zu fluchen, kam der Mann auf mich zu, stellte sich hinter mich und befahl mir die Hose fest zu halten.

"Wenn du Hilfe brauchst musst du nur fragen. Ich kümmer mich schon drum.", sagte er während er mir den Streifen um den Bauch band. Es war mir unangenehm und zum Glück entfernte er sich gleich danach wieder. Ich zog mir ein langärmliges Hemd über und setzte mich hin.

"Sicherlich hast du es vergessen, aber mein Name ist Moon. Das hier ist mein Zuhause und hier gelten meine Regeln", fing er ein Gespräch an. "Sie sind größtenteils zum Schutz aufgelegt, zu meinem, zu deinem. Ein paar sind dazu da, das Leben hier angenehmer zu gestalten und andere sind einfach da. In diesem Raum werden keine Geschäfte verrichtet. Es wird nichts umgeräumt oder abgenommen oder sonst was. Es wird keinerlei Magie benutzt, jedenfalls in dieser Höhle. Alles was nicht mehr gebraucht wird, was ich entscheide, wird verbrannt. Nachts wird diese Höhle nicht verlassen, außer in meiner Begleitung. Ich werde mich nicht vor dir entkleiden und du dich nicht vor mir. Wag es ja nicht, mit mir zu diskutieren, oder zu streiten, das ist zu deinen eigenen Schutz. Baden kannst du unten in den Flüssen, aber alleine sein solltest du nicht sein. Ich besorge dir erst was zu essen, wenn du beinahe tot bist, da es nur wenige Lebewesen oder Pflanzen hier gibt wie du dir hoffentlich denken kannst. Schreie nicht unnötig, rede einfach ganz normal. Sollte etwas sein komme sofort zu mir. Versuche Verletzungen zu vermeiden, Blut lockt gefährliche Tiere an." Ich zog meine Augenbraue hoch, ich bin eine Frau, was erwartet er jetzt von mir?

Danach schwieg er erst mal. Moon, so war sein Name. Warum Mond? Ich grübelte über seine Bedeutung bis Moon mich aus meinen Gedanken riss.

Er klatschte in die Hände und strahlte mich an. "Da wir jetzt, bis der Tod uns scheide, hier zusammen hocken" - ich musste lächeln, was für eine wunderbare Aussicht - "bin ich dafür, dass wir uns besser kennenlernen. Wir leben hier in einer Demokratie, aber da ich hier der Chef bin zählt meine Stimme doppelt, also ist das jetzt beschlossene Sache. Stell dich doch erstmal vor." Mit einer Handgeste bedeutete er mir zu reden.

"Mein Name ist Rain Kenway, ich habe kein Alter und wie ich Aussehe siehst du ja. Ich war eine Weißmagierin, aber habe aufgehört. Ich bin Captain eines Schiffes mit etwa einhundert Mann und bin auf der Suche nach meinem Bruder, Edward. Auch scheine ich Opfer einer Geiselnahme zu sein und erwarte nicht je wieder hier weg zu kommen." Ich stellte mir einen Becher vor und hob ihn hoch. "Lang lebe der Tod, der mich früh holen mag."

Moon machte es mir gleich und lächelte mich an. "Lang lebe der Tod, der nicht herkommt."

Das war der Anfang unserer eigenartigen Beziehung, und der Anfang eines neuen Abenteuers, dass früher enden wird als erwartet.

Rain falls (Original)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt