6.Kapitel

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Kapitel von Sunfall:

P.O.V. von Arya

"Wir hatten vorhin nicht viel Zeit, um zu Reden... Komm mit, ich zeige dir einen Ort, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.", schlug Eragon vor und warf mir einen fragenden Blick zu. "Liebend gern.", bestätigte ich seinen Vorschlag. Während Eragon mich durch den Wald führte, bekam ich noch am Rande mit, wie Saphira Fírnen aufforderte, mit ihr zu kommen, doch dann wurden meine Gedanken erneut von der Schönheit der neuen Stadt der Reiter abgelenkt. Wann immer ich glaubte, jedes kleine Wunder gesehen zu haben, tat sich ein neues vor meinen Augen auf, so zum Beispiel der kleine Springbrunnen, der auf einmal mitten im Wald auftauchte und dessen Wasser in allen Farben der Regenbogens schillerte oder die riesigen weißen Lilien, die fast so hoch wie die umstehenden Häuser wuchsen.

"Wie kommt es, dass wir noch keine Drachen gesehen haben, seit wir hier sind? Außer Saphira natürlich.", fragte ich den jungen Anführer der Drachenreiter, mich um einen neutralen Tonfall bemüht. "Du bist neugierig.", grinste der schelmisch. Bevor er jedoch fortfahren konnte, hakte ich ein: "Woher weißt du das?" Eragon gestattete sich ein kleines Lächeln, als er mir antwortete: "Ich kenne dich besser als du denkst, Arya Svit-kona*. Deine Augen verraten dich." Noch während ich ihn überrascht über sein Wissen musterte, fuhr er, meine vorherige Frage beantwortend, fort: "Wir befinden uns hier auf dem Teil der Insel, der den Reitern und ihren Drachen zugeteilt ist. Die wilden Drachen sind zwar nicht mehr ganz so scheu wie früher, aber dennoch pflegen sie keinen engen Kontakt mit den Zweibeinern, wie sie uns nennen.

Sie sind etwas von hier entfernt untergebracht. Es ist nicht weit, ich kann es dir und Fírnen gerne noch heute zeigen. Dann lernst du auch die Schlüpflinge kennen, sie sind ziemlich knuffig. Aber vorher sollten wir uns noch ein wenig unterhalten, wir haben uns wirklich lange nicht gesehen, auch wenn ich weiß, dass vier Jahre gemessen an unserer Lebensspanne nicht viel sind." Ich nickte dankbar, dass er mir diese Möglichkeit gewährte, noch einige ruhige Momente mit ihm zu verbringen, bevor ich mich wieder meinen Pflichten als Königin stellen musste.

Nach einigen Minuten Fußmarsch kamen wir an eine Steilklippe. Eragon führte mich einen hinter Efeu versteckten Pfad hinauf, der oben an einer kleinen Hütte endete. Umgeben von hohem Gebüsch und großen Trauerweiden war ein abgeschiedener Ort geschaffen worden, an den wohl nur selten jemand kam. Von dort oben hatte man eine herrliche Aussicht über das Tal, das Eragon und Saphira nun ihr Zuhause nannten. "Es ist wunderschön hier.", flüsterte ich ergriffen, als Eragon mit einem Schnippen seiner Finger zwei elegante Stühle und einen Tisch herbeizauberte. Wir setzten uns beide, dann nahm er meine Hände in die seinen. "Bevor du mir erzählst, wie es dir ergangen ist, möchte ich dir zuerst eines sagen, Arya. Ich liebe dich, ja. Und ich weiß, dass du das gleiche empfindest, aber ich bitte dich: lass dir alle Zeit, die du benötigst. Du bist in deinem Leben so oft verletzt worden, also ist es nur rechtens, wenn du bestimmst, wie weit es mit uns beiden geht und vor allem in welchem Tempo. in Ordnung?" Eine Welle der Dankbarkeit zu meinem Geliebten überrollte mich und ich brachte es kaum heraus, ein leises "Danke" zu flüstern.

Als ich meine Stimme wieder unter Kontrolle hatte, fragte ich ruhig: "Wann bist du so weise geworden, Eragon Schattentöter? Was ist mit dem Bauernjungen aus Carvahall geschehen?" "Der Krieg hat mich verändert Arya, so wie uns alle. Angela sagte einmal zu mir, dass ich nie wieder nach Alagaësia zurückkehren würde, wenn ich einmal fortgehen würde. Und sie hatte Recht. Der Junge, dem sie diese Worte damals mitgab, hat Alagaësia verlassen. Aber ich bin nicht mehr der, der ich einmal war. Ich trage eine Verantwortung, seit Saphira bei mir schlüpfte, die ständig größer geworden ist, und es obliegt nun mir, die neue Generation der Reiter und Drachen aufzuziehen. Wie gesagt: ich bin nicht mehr der, der ich war." Ich schüttelte nur den Kopf und ließ meine Hand über seine Wange streichen. "Nein, der bist du wahrlich nicht mehr."

Nach kurzer Zeit versuchte Eragon allerdings, die nostalgische Stimmung, in die seine Erklärung uns versetzt hatte, zu vertreiben, indem er sich betont unbefangen erkundigte, wie es mir ergangen war, seit unsere Wege sich vor vier Jahren getrennt hatten. Zögerlich begann ich ihm zu berichten, wie schwer ich es anfangs als Königin und Drachenreiterin gehabt hatte und das allerhand Gerüchte in Alagaësia kursierten. Über seinen Weggang, über die neuen Reiter und auch über mich. Nachdem ich mit meinen Berichten geendet hatte, schaute er besorgt in die Ferne, dann bat er: "Arya, ich weiß, wir haben uns lange nicht gesehen, aber würdest du mich bitte entschuldigen? Ich muss mit Nasuada reden." Obwohl ich genau wusste, dass er wichtige Gründe haben musste, so schnell wieder zu gehen, durchfuhr mich ein schmerzhafter Stich. Zwar wandte ich mich schnell ab, damit er nicht sah, dass es mich verletzte, doch trotzdem bemerkte er es.

Als ich an die Kante des Steilhanges trat, schlangen sich von hinten zwei Arme sanft um meine Taille und zogen mich an Eragons warmen Körper. "Aber nicht doch. Ich mache das doch nicht, weil ich dir wehtun möchte. Ich liebe dich, Arya.", flüsterte seine sanfte Stimme direkt an meinem Ohr.

P.O.V. von Eragon

Arya stand weiterhin einfach nur still da und lehnte sich haltsuchend an mich an. Ich wusste, dass sie ein wenig Zeit brauchte und mit mir reden würde, wenn sie soweit war. Sie war einfach keine Person, die ihr Herz auf der Zunge trug und ich hatte den verletzten Ausdruck in ihren Augen genau gesehen, als sie sich abwandte. Aus diesen Gründen blieb ich einfach weiterhin stehen, meine Arme um sie geschlungen, und wartete ab.

Und tatsächlich regte sie sich nach einigen Minuten und murmelte dann fast unhörbar: "Ich weiß. Aber als du sagtest, dass... dass du mit Nasuada sprechen wolltest, wo wir uns doch gerade erst wieder gefunden haben, da fühlte es sich einfach so an, als ob..." Sie brach ab, doch ich vervollständigte ihren Satz ruhig: "Als ob ich dich nicht bei mir haben wollen würde." Die zierliche Elfe nickte einfach nur, noch immer den Blick von mir abgewandt.

"Sieh mich an, Arya.", befahl ich sanft und tatsächlich drehte sie ihren Kopf zu mir herum. Sie hatte ihre übliche emotionslose Maske aufgesetzt, doch sah ich tief in ihren Augen Tränen schimmern. "Nichts liegt mir ferner, als dich von mir zu stoßen. Ich liebe dich mehr als alles andere auf dieser Welt, Saphira vielleicht ausgenommen... Wenn du es wünschst, werde ich später mit Nasuada sprechen, meinetwegen erst heute Abend oder auch erst morgen. Einen Tag Aufschub wird die Sache verkraften.", versprach ich ihr. Und dann setzte ich noch mit einem schwachen Lächeln in der alten Sprache hinzu: "Vel Eïnradhin iet ai Shur'tugal.*" Auf diese Formulierung hin musste auch Arya etwas lächeln. Sie gab mir einen sanften Kuss, dann bat sie mich leise: "Können wir jetzt vielleicht wieder zu Saphira und Fírnen gehen? Auch wenn ich die Zeit mit dir alleine genieße, sind es doch die Pflichten, die mich hergetrieben haben, nicht einzig das Vergnügen." Verstehend nickte ich, dann erwiderte ich fast ebenso leise: "Natürlich, meine Liebe. Komm, ich bringe dich wieder zurück zu den anderen."

*Svit-kona Anrede für eine sehr weise Elfe

* Vel Eïnradhin iet ai Shur'tugal. Mein Wort als Drachenreiter.

Eragon 5 - Falsche EntscheidungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt