Kapitel 9

48 5 20
                                    

Yoongi POV

Unverständliches Gerede von unzähligen unbekannten Gesichtern. Das Rascheln der Bäume, die allmählich ihre trockenen Blätter verloren. Das Auftippen von Bällen auf dem Sportplatz. Alles Geräusche, die ich wahr nahm, als ich dabei war auf Jimin zu warten. Mein erster Schultag auf der neuen Schule in der neuen Stadt. Wie abgemacht wartete ich auf einer Bank neben einer Hecke an dem Sportplatz, der zu unserer Schule gehörte. Jimin meinte, er treffe sich öfter mit Freunden dort.

Würden seine Freunde mich mögen?

War eine der vielen Fragen, die vor Nervosität nur so in meinem Kopf herumschwirrten. Natürlich sagte er, sie seien nett und würden neue Menschen gut aufnehmen, aber ist das nicht einfach nur so daher gesagt? Man würde schließlich nicht einfach sagen ,,Ja, meine Freunde werden dich wahrscheinlich hassen und du wirst auch keine anderen Freunde finden. Aber willkommen auf deiner neuen Schule!“. Obwohl.. ich würde sowas sagen. Ich bin direkt. Und ehrlich. Meistens. Wie dem auch sei..

Da ich so in meine Gedanken vertieft war, merkte ich gar nicht die Hand, die vor meinem Gesicht herumfuchtelte. Erst als die Person, die der Hand angehörte, meinen Namen rief, löste ich mich aus meiner Starre. Sofort blickte ich in die Augen meines Gegenübers. Die braunen, dunklen Augen. Die vollen Lippen. Die kleine Nase. Das markante Gesicht. Jimin.

,,Nochmal hi, Yoongi!“ lachte er.

,,Oh sorry, ja hi.“ erwiderte ich verlegen.

Jedoch war Jimin nicht allein. Er hatte zwei weitere Jungs im Schlepptau. Einen mit hell blonden Haaren und einen mit mittel braunen Haaren.

,,Ich bin übrigens Seokjin. Kannst mich aber gerne Jin nennen.“ stellte sich der blonde Kerl vor und hielt mir seine Hand hingegen. Das gleiche tat der Braunhaarige. Im Gegensatz zu Jimin hatte dieser aber recht große Hände.

,,Taehyung. Freut mich dich kennenzulernen.“

Dieser Taehyung strahlt aber eine positive Energie aus. Meine Güte. Aber sympathisch wirken beide allemal.

,,Yoongi.“ erwiderte ich etwas schüchtern , während ich mich am Hinterkopf kratzte.

Wir redeten noch kurz über den Ablauf des Tages und freundlicher Weise erklärten sie mir noch, wo ich meine Bücher abholen musste etc. Dann kam natürlich der ganze Kram mit der Ich-Stell-Mich-Der-Klasse-Vor-Nervosität, aber bei mir war das überhaupt kein Problem. Zumal es mich eh nicht wirklich interessierte mich gut vor der Klasse darzustellen, da ich zunächst nicht einmal vor hatte Freunde zu finden. Irgendwann studierst du und man sieht sie nie wieder. Oder sie lassen dich fallen. Also warum überhaupt eine Freundschaft anfangen, wenn du ihnen vielleicht nicht einmal etwas anvertrauen kannst? Bei Jimin war das natürlich was anderes. Auch wenn ich erst einmal schauen wollte, ob ich ihm vertrauen kann. Bis jetzt schien er vertrauensvoll, weshalb ich ihm schon von ein paar Geheimnissen erzählt hatte. Ich fühlte mich in seiner Nähe geborgen. Das ist ein Gefühl, das ich bei keinem zuvor hatte.

Als ich im Unterricht saß, bemerkte ich auf einmal, wie es anfing zu regnen. Zum Glück hatte ich einen Platz direkt neben dem Fenster, weshalb ich den Tropfen zusehen konnte, wie sie die kalte Oberfläche langsam herunterglitten. Oder wie Menschen über den Gehweg rannten, um ihre Einkäufe sicher und trocken nach Hause zu bringen. Oder wie kleine Kinder nebenan im Kindergarten draußen im entstehenden Schlamm spielten, während verzweifelte Erzieher versuchten sie davon abzuhalten und sie rein ins Trockene zu bringen. Es erinnerte mich an meine Kindheit. In den letzten Monaten kam ich öfter dazu wertzuschätzen, was ich hatte und habe. Ich hatte keine schlechte und verkorkste Kindheit. Dank meiner Eltern. Vermutlich schätzte ich das alles wert, weil ich Angst hatte, dass mir all das bald genommen werden würde. Durch eine einzige Tat, die ich selber nicht verstand.

,,Yoongi, oh man. Ist alles in Ordnung?“ fragte Jimin.

Die Sorge konnte man klar und deutlich in seiner Stimme hören.
Leicht verwirrt sah ich ihn an, als er anfing mit seinem Daumen über meine Wange zu streichen. Sein Finger hinterließ ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut und insgeheim wünschte ich ein wenig, er würde noch nicht damit aufhören. Habe ich geweint? Immer noch verwirrt patschte ich nun selbst in mein Gesicht. Stotternd verließ meinen Mund ein ,,Öh, keine Ahn- eh.. nicht wichtig!“ und ich versuchte es mit einem gespielten Lächeln zu überdecken. Meine Schauspielkünste schienen nicht besonders gut zu sein, weshalb mich der Jüngere mit einem einfühlsamen und mitleidenden Blick ansah, aber nicht weiter nachfragte, wofür ich ihm echt dankbar war. Er sollte es nicht erfahren. Zumindest noch nicht.

Schließlich nahm er meine Hand und zusammen gingen wir in die Pause. Er zeigte mir noch jegliche Räume und Plätze, bis der Unterricht auch wieder beging. Im Großen und Ganzen war es ein gelungener erster Schultag und ich hätte ihn mir nicht besser vorstellen können. Klar, mein Geheule hätte nicht sein müssen, aber das bewies mir durch Jimins Tat seine Besorgnis, was dazu führte, dass ich mich noch sicherer bei ihm fühlte.

Memories. ○ YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt