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Gedankenverloren lasse ich meinen Füller über das Blatt kreisen. Der Vortrag meines Lehrers über die Spaltung von Atomkernen zieht an mir vorbei. Ich blicke in die müden Gesichter meiner Klassenkameraden.
"Merkt er nicht, dass ihm sowieso niemand zuhört?", denke ich grimmig und widme mich wieder meinem Kunstwerk.
Ich bin gut darin schlechte Geschehnisse zu verdrängen. Ich schiebe sie einfach in die hinterste Ecke meines Gehirnes und falls mir das nicht gelingt, ziehe ich eben die rosarote Brille auf. Ich bin ein Hoffnungsloser Optimist. Auch Ablenkung steht auf meiner "Was du tun solltest, wenn du einen irgendwie realen Albtraum hattest" Liste ganz oben. Mister Browns grelle Stimme begleitet mich unbarmherzig zurück in die Realität. Ich spüre die neugierigen Blicke meiner Klassenkameraden. Die einen grinsen mich voller Genugtuung an, während die anderen wenigstens versuchen ihre Schadenfreude zu verbergen. Hilfesuchend schaue ich meine beste Freundin an. Kacies grüne Augen mustern mich mitleidig.
Ein lautes Räuspern ertönt neben meinem Ohr.
"Miss Blake, ich rede mit ihnen!", zischt Mister Brown. Ich zucke zusammen. Er tront über mir riesig und bedrohlich.
"Äh, entschuldigen sie, können sie das bitte wiederholen?", stottere ich.
Sein Schnurbardt kräuselt sich. Genervt lehne ich mich zurück, da ich genau was auf mich zukommt. Ich setze einen betrübten Blick auf und versinke in meinen Gedanken.
Mister Brown redet sich in Rage und wird von Minute zu Minute lauter und agressiver. Nun hängen meine Mitschüler an seinen Lippen. Amüsiert mustern sie den aufgebrachten Lehrer. Die Anschuldigungen und Beleidigungen, die ich schon so oft erdulden musste, fließen an mir vorbei. Nur ab und zu dringt ein Wort zu mir durch.
"Krank"
"Aufmerksamkeitsstörung"
"Dringend Hilfe"
Auf einmal spüre ich eine Vibration in meiner Hosentasche. Erneut werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Mister Brown hält inne. Er hat die kleinen wulstigen Lippen zu einem Strich zusammen gepresst. Röte schießt in sein Gesicht. Hastig springe ich auf und renne aus dem stickigen Klassenzimmer.
"Hallo", rufe ich außer Atem in den Höhrer.
"Rede ich mit Doren Blake?",fragt eine gedämpte Frauenstimme.
"Mhh", brumme ich zustimmend, während ich über den leeren Schulhof laufe. Ohne die schreienden Kinder wirkt er fast gespenstisch.
"Guten Tag, Miss Blake. Mein Name ist Doktor Lucy Rain. Ich bin von der GZ. Ich denke sie haben davon gehört?", fragt sie fordernd.
"Sollte ich?! Entschuldigen sie Doktor Rain, aber ich hatte heute einen echt bescheidenen Tag. Würden sie bitte auf den Punkt kommen?", entgegne ich aufgebracht.
Ich stoße die Tür zur Damen Toilette auf. Der vertraute Gestank steigt mir in die Nase. Entkräftet lasse mich neben dem Waschbecken nieder.
"GZ bedeutet Gesundheitszentrale.", erklärt Doktor Rain nun gelassen.
"Die Regierung hat aufgerufen die Gesundheitliche Verfassung aller Jugendnlichen, die per Kaiserschnitt auf die Welt kamen, zu überprüfen. Es wurde ein neuer Virus entdeckt. Er tritt nur in der Pupertät, bei Kindern die auf unnatürliche Weise den Mutterleib verließen, auf. Der Hilu Virus forderte bereits drei Tote.
Wenn wir die impfizierten Jugendlichen unter Quarantäne stellen und die anderen impfen können wir die Krankheit schnell zurüchdrängen.", beendet sie ihren Vortrag.
Ich frage mich ob sie ihn abgelesen hat.
Mit dem Finger zeichne ich kleine Kreise an die beflieste Wand und lasse das eben Gesagte auf mich wirken.
Nach einer kurzen Pause sagt sie:
"Wir erwarten sie heute um 14 Uhr. Wenn sie sich und ihre Mitmenschen nicht gefährden wollen, sollten sie in unserer Klinik erscheinen. Sie befindet sich in der Northwest Parkerstreet. 16.
Falls sich nicht da sein werden, müssen wir zu härteren Maßnahmen greifen.
Und sie könnten es sicher nicht verkraften, wenn wegen ihnen Leute sterben?
Oder Miss Blake?"
"Das soll eine Drohung sein.", stelle ich fest.
Stille.
Sie hat aufgelegt. Ich weiß nicht wie lange ich so sitzenbleibe:
Die Arme um den Körper geschlungen und den Kopf gegen die kalte Wand gelehnt. Ich bin nicht im Stande einen klaren Gedanken zu fassen. Hilflosigkeit breitet sich in mir aus.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass sich die Gänge und auch die Toiletten bald mit Schülern füllen werden.
Ich möchte nicht riskieren einem Lehrer zu begegnen. Mit Sicherheit würde er meine Mutter verständigem und die würde völlig durchdrehen.
Ich erhebe mich und taumele aus dem Schulgebäude.
Da ich nicht nach Hause kann und mir auch sonst kein anderer Ort in den Sinn kommt, mache ich mich auf den Weg in die GZ.
"Es gibt nichts zu verlieren.", rede ich mit gut zu.
Ich steige in den Bus und fahre in einen Stadtteil, in den ich noch nie zuvor war.
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Es ist eine hässliche Gegend. Wohin das Auge reicht gibt es nur graue, schäbige Reihenhäuser.
Nirdenwo sieht man Blumen, Büsche oder Bäume.
Die Straßen sind leer.
Eine unheimliche Ruhe beherrscht die Stadt.
Wie aus dem Nichts schreitet ein Mann mit gebückter Haltung auf mich zu.
Ich kann das Knirschen seiner Schuhe hören.
Schnell drehe ich mich um und laufe in die danebenliegende Straße.
Ich werde immer schneller, bis ich schließlich sprinte.
Meine Eltern hielten mich immer für verrückt, als ich ihnen erzählte, ich könnte Atmosphären spüren.
Doch in meinen 15 Lebensjahren hatte ich mich nie getäuscht.
Und durch die Atmosphäre, die diesen Ort umhüllt, stellen sich meine Nackenhaare auf.
Ich streiche meine Haare aus meinem verschwitzten Gesicht und versuche das unangenehme Ziehen in meinem Bauch zu ignorieren.
Außer Atem komme ich vor einem Gebäude an, das ebenso aussieht wie die, die daneben liegen. Nur der Silberne Schriftzug unterscheidet es von den anderen.
"GESUNDHEITSZENTRALE" ziert das goldene Schild.
Nach kurzem Zögern betrete ich das Gebäude. Der Geruch von Desinfiktionsmittel steigt mir in die Nase. Die weißen Wände geben dem Empfangsraum eine strahlende Wirkung. Die Frau am Tresen wirft mir ein verhaltenes Lächeln zu. Sie ist mittleren Alters, schätze ich. Ihr schwarzes Haar hat sie zu einem strengen Dutt zusammen gebunden. Es wird von einzelnen grauen Strähen durchzogen.
Tiefe Schatten umranden ihre dunklen Augen.
"Guten Tag. Sie haben einen Termin?", begrüßt sie mich. Ihre Stimme klingt kraftlos und erschöpt.

"Hallo. Ja, um 14 Uhr.", entgegne ich.
"Und ihr Name ist?", fragt sie.
"Ich bin Doren Blake."
Sie mustert mich mit müden Augen.

"Alles klar. Folgen sie mir bitte, Miss Blake.", sagt sie freundlich.
Verwundet darüber, dass ich nicht in einem überfüllten Raum warten muss, folge ich ihr.
Mit großen elleganten Schritten führt sie mich durch die Flure. An den Seiten befinden sich in kleinen Abständen schlichte Holztüren.
Sie stoppt vor einer Tür mit der Aufschrift:
"DOKTOR HENRY CLARSEN".
"Nehmen sie Platz. Doktor Clarsen ist gleich für sie da.", sagt sie lächelnd und öffnet die Tür.
Langsam betrete ich den kleinen Raum.
Von der Decke hängt ein kitschiger Kronleuchter, der dämmriges Licht spendet. Unter ihm steht eine Liege.
Ansonsten ist der Raum völlig leer.
"Wie ein gewöhnliches Behandlungszimmer sieht das nicht aus.",murmel ich und lasse mich auf der Liege nieder.
Das unangenehme Gefühl in meinem Bauch wird stärker.
Bevor ich mir erneut den Kopf zerbrechen kann, betritt Doktor Clarsen den Raum.
Er ist alt. Das weiße Haar reicht ihm bis auf die Schultern. Durch eine runde Brille mustert er mich neugierig. Sein weißer Kittel scheint ihm viel zu weit zu sein.
"Guten Tag Doren.", sagt er leise und nimmt neben mir Platz. Überrascht zucke ich zusammen.
"Dann lass uns mal los legen.", murmelt er.
"Mach deinen Brustkorb frei.", ungewollt zucke ich erneut zusammen.
Er lacht. Es ist ein heiseres Lachen.
"Du brauchst keine Angst zu haben, Kleines."
Noch mehr verängstigt als zuvor schiebe ich mein T- Shirt hoch.
Die Untersuchung verläuft ganz normal.
Nichts Besorgnisserregendes.

Er nimmt mir Blut ab, testet meine Reflexe, misst und wiegt mich.
"Wir informieren sie, wenn der Bluttest ausgewertet wurde.",informiert mich Doktor Clarsen.
Ich bin dennoch froh als er die Untersuchung beendet.
"Warten sie bitte einen Moment. Sie müssen noch einige Formulare ausfüllen.", sagt er und verlässt den Raum.
Ich schließe die Augen.
Als ich sie wieder öffne, stelle ich fest, dass ich immer noch alleine bin.
Langsam stehe ich auf, doch setze mich sofort wieder.
Sterne beginnen vor meinen Augen zu tanzen.
Nach dem dritten Versuch gelingt es mir in den Flur zu taumeln.
Tageslicht überflutet mich und ich muss mich erneut an der Wand festhalten.
Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung war.
Ruckartig drehe ich mich um.
Ein junger Mann steht vor mir.
Keuchend stützt er seine Hände auf die Oberschenkel.
"LAUF. DOREN,DU MUSST LAUFEN. SIE WERDEN DICH...,seine Stimme erstirbt.
"TÖTEN.",bringt er nach Atem ringend hervor. Besorgt legt er die Stirn in Falten.
In jeder anderen Situation hätte ich ihn für verrückt erklärt, doch die Angst in seinem Gesicht und mein schlechtes Gefühl, dass mich die ganze Zeit begleitet, überzeugen mich.
Ich laufe, so schnell mich meine Beine tragen können.
Voller Panik verlor ich die Orientierung.
Mehr nach Gefühl als Verstand renne ich weiter.
Kein Flur unterscheidet sich von den anderen.
Erleichterung überschwemmt mich als ich schließlich in der Einganshalle ankomme. Nur noch wenige Schritte trennen mich von der Freiheit.
Und ein leises Klicken..
Verzweifelt rüttel ich an der verschlossenen Tür.
Ich bin umzingelt 6 maskierte Männer schneiden mir jeglichen Fluchtweg ab. Sie alle sind von muskulöser und kräftiger Statur.
Mir bleibt nichts anderes übrig als mich meinem Schicksal hinzugeben.
Ich mache mich so klein wie möglich und presse meinen zitternen Körper gegen das kalte Glas der Tür.
Die langen schwarzen Roben reichen den Männern über die Füße  und lassen sie mächtig und bedrohlich aussehen.
Schritt für Schritt nähern sie sich mir langsam.
"Es scheint fast so, als fürchten sie sich vor mir."
Es ist ein naiver Gedanke, aber das spielt nun auch keine Rolle mehr.
"Ich werde es euch nicht zu einfach machen." Meine Stimme klingt viel dünner und leiser als vorgesehen.
Taumelnd erhebe ich mich und stemme die Arme in die Hüften.
Lautes Gelächter.
"Bewundernswert.", sagt eine gedämpfte Stimme belustigt.
Mit einem Satz steht einer der Männer vor mir. Bevor ich begreifen kann, was vor sich geht, drückt er mir ein feuchtes Tuch ins Gesicht.
Alles wird schwarz.








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