Kapitel 2

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Wir beiden lachten noch lange bis in die frühen Morgenstunden. Irgendwann musste ich gähnen und schaute auf die den gelb-grün-leuchtenden Wecker neben mir. 2:00 Uhr. Ich seufzte. In drei Stunden musste ich wieder aufstehen und hatte absolut gar keine Lust. Anscheinend merkte auch Tim, dass ich langsam müde wurde.

„Komm Stegi, ich merke doch, dass du eigentlich nicht mehr kannst. Geh jetzt schlafen. Das muss ich schließlich auch."

Er konnte das leicht sagen. Bei ihm begann die Uni immer so erst gegen 11 oder 12. Er konnte ausschlafen. Ich gähnte nochmal und stimmte ihm dann schließlich zu. Wir wünschten uns beide noch eine gute Nacht und ich schloss meinen Laptop. Eigentlich hatte ich heute noch vor gehabt irgendwelche Fanfiktions zu lesen. Ich musste jedes Mal schmunzeln, wenn es zu den zitronigeren Szenen kam. Irgendwie wünschte ich mir auch so etwas. In den Fanfiktions, jedenfalls in den meisten, war es immer so leicht. Ich, der unschuldige Stegi, verliebte sich in den großen und gut gebauten Tim und wir lebten glücklich bis an unser Lebensende.

Ich stand auf und ging ins Bad, um mir die Zähne zu putzen und mich umzuziehen. Schnell zog ich mich aus und zog eine weite Jogginghose und ein noch weiteres T-Shirt an. Es gab einfach nichts Bequemeres zum Schlafen, als ein Over-Size-shirt, in dem man schon fast versinken könnte. Duschen tat ich immer morgens, um wach zu werden. Half zwar nicht immer, aber trotzdem gab es mir ein besseres Gefühl. Ich sah mich im Badezimmerspiegel an. Irgendwie waren die Beschreibungen der Fanfiktions schon akkurat. Ich hatte nun mal grüne Augen und verwuschelte blonde Locken (ich hatte es schon vor Jahren aufgegeben auch nur zu versuchen sie mir zu stylen. Es hatte nämlich immer in einer Katastrophe geendet) auch war ich jetzt nicht der größte mit meinen 1,68. Trotzdem fand ich es immer wieder befremdlich als so unglaublich schüchtern dargestellt zu werden. Vielleicht ging ich anfangs nie als erstes auf Menschen zu, aber nach einiger Zeit saß ich den meisten praktisch schon im Schoß. Und das war nicht metaphorisch gemeint.

Ich grinste mein Spiegelbild an. Wenn all diese Shipper doch nur wissen würden, dass ich noch vor ein paar Monaten eine Freundin hatte... Sie würden ausrasten. Wir hatten uns im Guten getrennt. Auch Timmi hatte ich sie mal vorgestellt und er hatte sie für nett befunden. Das war sie ja auch wirklich. Aber das war dann auch alles. Ich hatte sie nie wirklich geliebt. Wobei ich finde, dass das auch nur normal ist. Liebe ist so ein großes Wort und wird des Öfteren einfach nur benutzt, um seine Freundin oder seinen Freund zufrieden zu stellen. Ja Freund. Ich stand nicht nur auf Mädchen, da würde ich mir ja so vieles entgehen lassen, einfach aus dem Grund, dass ich auf das Geschlecht achten würde. Nein, ich hatte schon vor Jahren bemerkt, dass auch Jungs ihre Vorzüge hatten. Meine Freunde und meine Eltern hatten es auch schnell akzeptiert. Ich meine, schließlich leben wir im 21. Jahrhundert. Da müsste so etwas auch als normal angesehen werden.

Mein Timmilein hatte bis dato immer nur weibliche Freundinnen gehabt. Dennoch meinte er zu mir, als ich mich als Bi geoutet hatte, dass er auch dem männlichen Geschlecht nicht ganz abgeneigt war. Sofort hatte ich laut 'Stexpert ist real' in mein Headset geschrien. Wir hatten noch die ganze Nacht gelacht und perverse Andeutungen gemacht, bis er mich wie jede Nacht ins Bett geschickt hatte.

Noch schnell wusch ich mir mein Gesicht mit Wasser und erschreckte mich wie jedes Mal vor der urplötzlichen Kälte. Aber es war einfach nötig. Ich hasste es mit ungewaschenem Gesicht schlafen zu gehen. Immer fühlte ich mich, als hätte ich eine Dreckschicht auf dem Gesicht.

Ich trocknete mein Gesicht halbblind noch vom Wasser mit dem flauschigen Handtuch neben mir ab und machte mich dann auf in Richtung meines Bettes und schmiss mich in eben genanntes. Ich liebte es halt einfach viel zu sehr. Es hatte genau die richtigen Kurven an genau den richtigen Stellen. Gott, manche Leute würden mich wohl als verrückt betrachten, dass ich von meinem Bett wie von einem Menschen sprach, aber wie schon gesagt, wir hatten eine innige Beziehung im Laufe der Jahre aufgebaut. Ich kuschelte mich in meine Bettdecke und achtete dabei penibel darauf, dass auch ja keine kalte Luft an mich rankam. Wie eine Sushi-Rolle eingepackt lag ich nun in meinem Bett und dachte über meinen Tag nach. Ich war manchmal so sprunghaft, dass es einfach half, abends noch einmal alle meine Gedanken zu sortieren und so den Tag schön abschließen zu können.

Projekt StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt