Kapitel 4

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Kennt ihr das, ihr wacht auf und denkt euch zu aller erst: „Was zum Teufel ist mit meinem Gehirn falsch, dass ich das gerade geträumt habe?"

So geht es mir so ca. jede zweite Nacht. Manchmal hätte ich schon gerne ein Traumtagebuch, in welches ich jeden Tag meine Träume aufschreiben würde. Aber meistens erinnere ich mich schon beim zweiten Klingeln meines Weckers nicht mehr an meinen Traum, sondern habe nur noch so ein Gefühl, dass ich mich echt mal untersuchen lassen müsste.

Normalerweise ist das so. Nur heute, kann ich mich an fast alle Einzelheiten erinnern. Ich war glaube ich an einem See und habe in der Sonne gelegen und plötzlich kam ein Schatten und ich habe aufgesehen. Durch die Sonne konnte ich das Gesicht nicht erkennen, aber ich die Stimme, die mich daraufhin verführerisch ansprach kannte ich dafür umso besser.

So kam es dazu, dass Tim im Traum mit mir geflirtet hat. An den genauen Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß nur noch, dass mir verdammt heiß war, und dass das nicht an der prallen Sonne gelegen hatte, die mir ins Gesicht schien und mir so die Sicht nahm. Wow Unterbewusstsein, dass hast du echt mal wieder gut hinbekommen. Jetzt kann ich heute nicht mehr normal mit Tim reden.

Vollkommen übermüdet rollte ich mich aus meinem Bett und machte meinen Wecker aus. Zu schnell stand ich auf und sofort wurde mir schwarz vor Augen. Ich stützte mich an der Heizung ab und wartete einfach bis dieses ekelhafte Gefühl verging. Das war jeden Morgen so, trotzdem gewöhnte man sich einfach nicht daran. Immer noch torkelnd verließ ich meine, mir Halt gebende, Heizung und machte mich auf in Richtung Bad. Schnell zog ich die gemütlichen warmen Schlafsachen aus, nur, um mich einen Moment später unter die eiskalte Dusche zu stellen.

Warum ich mir das jeden Morgen aufs Neue immer und wieder antat wusste ich nicht so genau. Ich glaube einfach, dass ich das brauche, da ich sonst wohl nie wirklich wach werden würde. Wie gerne ich doch einer dieser Menschen wäre, die morgens einfach aus dem Bett springen können und dann sofort so wach sind, wie ich es nur abends sein kann. Wobei ich aber eher glaube, dass solche Menschen nicht existieren. Das sind alles nur lauter Lügengeschichten, um sich besser dastehen zu lassen. Ich habe noch nie wirklich verstanden, warum Leute ihr Leben manchmal besser oder schlechter darstellen, als es wirklich ist, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich meine, ihr habt da nichts davon und andere erst recht nicht. Also warum?

Frisch geduscht und angezogen setzte ich mich an den Küchentisch und stocherte in meinen Haferflocken rum. Ich wollte ja schon länger versuchen mich gesund zu ernähren, aber warum müssen Haferflocken eigentlich so scheiße schmecken? Tim meinte ja, ich solle mal seinen Bananenbrei ausprobieren, aber Bananen in Müsli sind einfach nicht mein Ding. Sind sie unreif, gibt es ein pelziges Gefühl auf der Zunge. Sind sie es nicht, ist es meistens schon zu spät und die braunen Flecken haben die Überhand gewonnen. Ich meine, schön und gut, man sollte ein Buch niemals nach seinem Einband beurteilen, aber es war schon sehr unappetitlich, so dunkelbraune fast schon schwarze schleimige Flecken auf einer sonst makellosen Banane zu sehen. Außerdem konnte ich die Konsistenz nicht leiden. Punkt.

Ich nahm mir mein Handy von der Steckdose in der Küche und überprüfte alle sozialen Medien. Auf tumblr hatte ich echt lange nichts mehr gepostet. Das würde sich dieses Wochenende wohl ändern. Mit einem Lächeln auf den Lippen ging ich alle neuen, an mich gerichteten Tweets durch. Immer wieder war ich fasziniert von der scheinbar grenzenlosen Kreativität meiner Zuschauer. Mindestens ein Mal die Woche wurden mir Bilder zugeschickt, auf denen man ein Cosplay von meinem Minecraftskin sehen konnte. Manche waren wirklich herausragend und man konnte förmlich spüren, wie viel Zeit und Schweiß in das Kunstwerk gesteckt wurde, andere waren eher schlicht, aber dafür mit umso mehr Liebe gemacht. Auch das ein oder andere Fanart begutachtete ich und jedes Mal grinste mich ein kleiner Stegi mit smaragdgrünen Augen an. Für so eine herausstechende Augenfarbe wäre ich echt bereit zu töten. Meine waren eher schlicht. In trübem Licht wirkten sie sogar manchmal fast gräulich.

Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr, die rechts neben mir an der Wand hing und hätte mich fast verschluckt.

„Scheiße, scheiße, scheiße! Das das auch immer nur mir passiert:"

Immer weiter fluchend, schoss ich wieder zurück ins Badezimmer und putzte mir in einer irren Geschwindigkeit die Zähne. Hätte mein Zahnarzt das gesehen, hätte er mich nur wieder mit diesem vorwurfsvollen Blick betrachtet, aber seien wir mal ehrlich. Wer hat bitte morgens Zeit dafür, sich zwei bis fünf Minuten lang die Zähne zu putzen? Ich sicherlich nicht.

Immer noch hetzend schnappte ich mir meine Unterlagen und meine Schlüssel und raste aus der Wohnung und das Treppenhaus hinunter. Kurz bevor sich die Haustür hinter mir schloss bemerkte ich zu meinem Bedauern, dass ich mein Handy oben auf dem Küchentisch vergessen hatte. Kurz überlegte ich, ob ich es mir leisten konnte noch einmal schnell nach oben zu sprinten, entschied mich dann aber doch dagegen. Ich würde wohl oder übel mal einen Tag ohne Handy auskommen.

Ich drehte mich also um und sprintete weiter. Ohne mein Handy. Eine Entscheidung, die ich spätestens dann bereute, als ich mich total aus der Puste auf einen der Sitze in der Bahn fallen ließ. 40 Minuten musste ich jetzt noch fahren und ich hatte keine Musik. Ich war also dazu gezwungen mich entweder mit meinen eigenen Gedanken zu beschäftigen und meine nervig laute Umwelt so gut es ging auszublenden oder andere Gespräche zu belauschen.

Ich versuchte also so gut es ging alles um mich herum auszublenden und hing einfach meinen Gedanken nach. Meine Fantasie hatte schon immer so gut wie keine Grenzen gehabt. Leider war dies nicht immer so ein guter Vorteil, wie ich schon sehr früh zu spüren bekommen hatte. Angefangen hatte es im Kindergarten. Während alle anderen Kinder zusammen fangen spielten, saß ich in der Ecke und starrte nur verträumt in die Luft. Ich hatte immer von aufregenden Abenteuern und magischen Kreaturen geträumt und hatte mir so meine ganz und gar nur für mich erschaffene Welt kreiert. Stunden lang hatte ich dann immer auf der Wiese hinter unserem Haus gelegen und in die Luft gestarrt.

Meine Mutter wusste, dass sie mich da nur sehr schwer herausbekommt und hat mich deswegen einfach machen lassen und ich war ihr dafür mehr als dankbar. Durch das viele Nachdenken und Träumen hatte ich viel über mich als Individuum und auch über andere gelernt. Leider hatten meine Tagträume nicht nur Vorteile. In der Schule hatte ich größere Probleme mich auf den Unterricht zu konzentrieren und schweifte immer ab. Bis in die Oberstufe hatte ich deswegen auch nie wirklich gute mündliche Noten. Als es dann aber mit großen Schritten auf das Abitur zuging hatte ich angefangen mich zusammen zu reißen und auf den mehr oder weniger spannenden Unterricht zu konzentrieren.

Ich hatte immer mein Ziel vor Augen, dass ich mir schon als kleiner Junge gesetzt hatte. Ich wollte Arzt werden und den Menschen helfen. Durch meinen Ehrgeiz und die Disziplin, die ich zu dieser Zeit an den Tag gelegt hatte, schaffte ich es auch einen passenden Abischnitt zu erreichen und wurde an der Uni angenommen. Und hier stand ich nun. Total übermüdet und kaum mehr zurechnungsfähig. Das Paradeexemplar eines Medizinstudenten. Aber warum sollte ich mich beschweren? Ich hatte die Möglichkeit das zu studieren, dass ich wirklich wollte. Andere hatten das nicht und ich sollte echt etwas daraus machen. Mit neuem Mut stieg ich aus der Bahn und ging schnellen Schrittes in Richtung Uni.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 11, 2017 ⏰

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