Von der Suche zur Flucht

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Ich blickte gefühlt jede Sekunde nach hinten, um zu schauen, ob meine Mutter mir hinterher sah. Doch ich konnte sie nicht von weitem aus erkennen.
Die Straßen waren wortwörtlich wie leer gefegt.
Kein Wunder!
Ringsherum befindet sich ein dichter, dunkler Wald und mittendrin liegt das Dorf 'Inanis'. Hier leben nur einige Menschen, aber wirklich sehr wenige! Ich kenne nur wenige von den wenigen hier. Die anderen habe ich noch nicht einmal zu Gesicht bekommen. Nur selten habe ich mal Licht durch die Fenster der Wohnungen scheinen sehen. Das war aber schon etliche Zeit her.
Doch darum kümmerte ich mich nicht mehr. Alle im Dorf behalten ihr Leben, und die damit verbundenen Geheimnisse, lieber für sich und neigen dazu so wenig wie möglich, oder auch gar nicht, mit anderen in Kontakt zu treten. Und so lag der Dorfplatz leer und verlassen dar. Keine Menschenseele weit und breit.

Ich machte Schritte auf den Ort zu, an dem ich die vorherige Nacht das Licht wahrgenommen hatte. Doch ich konnte nicht das Geringste finden. Ich durchsuchte den ganzen Platz danach und versuchte jegliche Anzeichen für das Licht aufzuspüren. Dennoch war nichts zu sichten, als ob das unheimliche Licht wie vom Erdboden verschluckt war.

Ich beschloss im ganzen Dorf zu suchen, da es eh in diesem wirklich kleinen Dorf nicht lange dauern würde, es abzusuchen. Und so setzte ich mich in Bewegung und betrachtete den Platz noch ein letztes mal. Außer den vereinzelt umliegenden Häuser, mit ihren kleinen Beeten wo das Unkraut kreuz und quer sich seinen Weg aus der Erde bahnte, bemerkte ich nichts auffälliges. Weil es einfach nichts gab!

Das ist es!

Hier ist natürlich nichts, aber im Wald bestimmt schon! Ich ging mit großen Schritten zum Dorfrand, bis ich einige Bäume hinter mir hatte.

Wo soll ich anfangen, zu suchen? Und... nach was soll ich suchen? Ich weiß nicht mal, wieso ich diese Nachricht bekommen habe.

Plötzlich knackte etwas auf dem Boden und riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah sofort auf die Stelle. Doch es war nur ein Reh, dass unter seiner Hufe einen Ast gebrochen hatte.
Etwas war aber anders.

Das Reh schien kein bisschen Angst vor mir zu haben. Eher fand ich, dass es mich genauestens beobachtete. Jede einzelne Bewegung von mir.
Wenn ich dem Reh so in seine Augen blickte, hatte ich das Gefühl, als würden mich Augen voller Weisheit ansehen. Augen die schon mehr sahen als jeder andere.

Es nahm mich in seinen Bann und ich schreite zögernd auf ihn zu. Das Reh schien keinen Muskel zu bewegen und starrte immer noch in meine Augen. Ich weiß auch nicht... aber es war irgendwie hypnotisierend. Ich stand jetzt genau vor ihm. Seine schwarzen Augen waren wie eine dunkle Höhle. Tiefschwarz, doch so leer. Meine zitternde Hand hob sich und näherte sich dem Reh.

Kurz bevor ich das Reh berühren konnte, schnellte ein Pfeil genau zwischen mir und dem Reh vorbei und blieb in dem nächstgelegenen Baum stecken. Das Reh schreckte auf, und riss seinen Kopf in die Richtung aus der der Pfeil abgeschossen wurde, und blieb für ein, zwei Sekunden regungslos stehen. Ich blickte erschrocken zum Pfeil und dachte mir noch:
Ein Pfeil... nicht schon wieder!

Dann ertönte ein Knacken, wie ein brechender Ast, und das Reh bäumte sich auf, sah mich noch kurz an, und rannte davon!

,,Warte doch!", rief ich hinterher. Ich nahm eine Gestalt war. Es war weit weg und kam schnell näher.
Kam der Pfeil von der Richtung?
Ich blickte wieder zum Reh, das schon weit gelaufen war.
,,W-warte auf mich!"
Ich folgte dem Reh und rannte, sozusagen um mein Leben! Ich lief so schnell ich konnte. Ich wusste nicht wer oder was mich verfolgte. Doch ich konnte mich nicht umdrehen, sonst würde 'es' mich schnappen.

Das Reh floh auch...
vor mir oder vor der Gestalt?

Meine Gedanken waren in dem Moment nur auf das Reh fixiert und ich rannte immer weiter. Immer weiter, nur weg von hier. Weg von dem Angreifer, der mich verfolgte. Ich wagte es nicht mich um zudrehen, um nach meinem Verfolger zu sehen. Ich konzentrierte mich nur auf den Weg vor mir, auf meine Beine und auf das Reh.

Doch bald wurde meine Neugierde größer als die Furcht. Ich sah für einen Bruchteil einer Sekunde nach hinten und nahm nur verschwommen die Konturen der Gestalt war. Als ich mich wieder umdrehte waren meine Reflexe zu meinem Bedauern langsamer als der Ast vor mir.

Im nächsten Moment stürzte ich ruckartig auf meine Knie und ein stechender Schmerz über kam mich. Meine Stirn brannte höllisch, als würde mein Kopf in Flammen stehen.
Ich fluchte.

Einen Augenblick später fiel mir der Verfolger ein. Mich über kam ein schwindeliges Gefühl, doch ich musste mich zusammenreißen. Ich machte den Reißverschluss des Rucksacks auf und packte das Messer aus, um mich damit zu verteidigen. Obwohl ich ganz genau wusste, dass meine Hände, die den Griff fest umklammerten, niemals jemanden Schmerzen zufügen würden. Meine Ohren lauschten so gut wie es nur ging und ich hörte Schritte, die immer näher kamen.

Keine Panik, Ella! ...
keine Pani-...

Der Mann stand genau zwei Meter vor mir und sah mich an. Mir war noch ein wenig schwummrig, sodass ich etwas verschwommen den Mann nur erkennen konnte. Sachte erhob ich mich, darauf bedacht keine Schwäche nach außen hin vordringen zu lassen, und richtete meinen Blick unverhemt in den seinen.

Er hatte tiefgründige schwarze Augen, die matt und ohne jegliche Regung, oder gar Gefühlen, außer Hass, herablassend auf mir ruhten. Zudem trug er einen langen schwarzen Mantel, der etwas zerissen war, und pechschwarze mit Schlamm beschmierte Stiefel.

Sein Aussehen machte mir aber eher weniger Angst, als die Tatsache, dass er noch keinen Zug gemacht hatte. Denn seine Haltung vermittelte mir eine eindeutige und Angst einflößende Botschaft:

Er ist zu allem bereit!

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