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Andrea POV

Es fiel mir nicht leicht, die Tür hinter mir zu schließen und Grace alleine mit ihm zurückzulassen. Ich sollte für sie dasein und doch hatte ich sie von mir gestoßen und war gegangen. Gestern noch hatte ich gesagt, ich würde so etwas nicht tun und heute tat ich genau das. Der verletzte Ausdruck, den ich in ihren Augen aufflackern sah, brannte sich tief in mein Innerstes. Ich wusste, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Mir erging es nicht anders. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und tippte schnell eine Nachricht an sie. Bevor ich das Gespräch mit meiner Tochter suchte, musste ich mich vergewissern, dass mit Grace alles in Ordnung war. Die Rückmeldung folgte, noch bevor ich mein Handy wieder einsteckte. 'Geht schon. Mach dir nicht zu viele Sorgen. Mama ist gerade rein.' Ich seufzte und ließ das Handy in meine Tasche gleiten. Ihre Antwort verhieß eindeutig nichts gutes. Natürlich machte ich mir Sorgen um sie. Irgendwas musste vorgefallen sein. Wie konnte er nur so etwas tun?  Ich verstand es einfach nicht.

Ich schloss mit dem Gedanken an Grace die Haustür auf und machte sie hinter mir wieder zu. Gerade als ich meine Schuhe im Flur auszog, schlurfte Marie aus dem Wohnzimmer. Ihre Augen vom vielen weinen gerötet, starrte sie mich an. Wie gerne würde ich meine Kleine in den Arm nehmen und trösten, aber das würde sie nicht zulassen. Schließlich ware ich der Grund, wieso sie sich so fühlte. „Stimmt es? Du und Grace?“ - „Ja, es stimmt. Wollen wir uns setzen und darüber reden?“ Statt einer Antwort ging sie zurück ins Wohnzimmer. Ihre Reaktion konnte ich nicht einschätzen. Sie war schon immer gut darin, ihre Gefühle zu verbergen. Eine Eigenschaft, die sie von mir haben musste. Ich betrat das Zimmer und ließ mich direkt neben Marie auf die Couch nieder. Vorsichtig griff ich nach ihrer Hand und hob überrascht eine Augenbraue, als sie den Druck erwiderte. „Warum ausgerechnet sie?“ Ich strich mit meinem Daumen über ihren Handrücken und musterte sie besorgt. Erneut flossen Tränen über ihre Wangen. Sie wandte den Blick ab und sah starr geradeaus. „Grace ist ein toller Mensch. Ich liebe sie wirklich sehr. Schon lange. Kannst... du damit umgehen? Irgendwann?“ Ich hatte furchtbare Angst vor ihrer Antwort. Sie wusste, dass ich mich von Grace trennen würde, wenn sie mit der Beziehung nicht einverstanden war. Lange Zeit herrschte Stille zwischen uns. Keiner sagte ein Wort. Mit jeder Sekunde die verstrich, schlug mein Herz lauter. Es fühlte sich an, als ob es jeden Moment aus meiner Brust springen würde. Marie seufzte und richtete ihren Blick wieder auf mich. „Ich bin mir nicht sicher, Mama. Wie würdest du denn reagieren, wenn ich mit deiner besten Freundin etwas anfangen würde?“ Sie lachte verzweifelt auf und biss sich auf die Lippe. „Nicht, dass ich mich jemals für Claire interessieren würde... Ich möchte es nur gerne wissen.“ - „Das wäre kein Problem für mich. Claire ist eine tolle Frau... Es ist mir egal, mit wem du zusammen bist. Die Hauptsache ist, dass der oder diejenige es ernst mit dir meint. Ich wünsche mir einfach nur, dass du glücklich bist, Marie.“

Wieder diese Stille. Marie schien über meine Worte nachzudenken. Auch in meinem Kopf arbeitete es. War da vielleicht noch etwas anderes, weshalb sie sich so dagegen sträubte? Hier und da gab es mal einen Jungen für den sie schwärmte, aber vorgestellt hatte sie mir nie jemanden. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass sie einfach nicht mit mir darüber reden wollte. Aber nun war ich mir nicht mehr so sicher. „Marie?“ - „Hm?“ Sie senkte schnell den Kopf und ignorierte meinen Blick. Ich legte meinen Zeigefinger unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf in meine Richtung. „Empfindest du mehr für Grace? Ich meine, du hast mir nie jemanden vorgestellt.“ Ich zog meine Hand zurück und faltete beide in meinem Schoß. Abwartend sah ich sie an, gab ihr die Zeit, die sie brauchte. Es war nicht meine Art, jemanden zu drängen, auch wenn diese Stille mich verrückt machte. Nach einer gefühlten Ewigkeit, so kam es mir zumindest vor, schüttelte sie den Kopf. „Nein. Wir sind nur Freunde. Mehr ist da nicht. Ich habe jemanden kennengelernt. Es ist noch sehr frisch. Bei Gelegenheit werde ich dir mehr über sie erzählen, okay? Und wegen euch... also..., ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, aber ich werde versuchen, damit umzugehen...“ Erleichtert seufzte ich auf. Ich zog sie in eine Umarmung und lockerte den Griff etwas, als sie protestierte. „Danke, meine Süße. Das bedeutet mir wirklich sehr viel.“ - „Ich weiß, Mama. Entschuldige, dass ich mich so blöd benommen habe. Ich sollte mich mal bei Grace melden.“ Sie löste sich von mir, nahm das Handy vom Tisch und erhob sich von der Couch. „Marie?“ An der Tür hielt sie inne und sah mich fragend an. „Ja?“ Ich schenkte ihr ein Lächeln, welches sie sofort erwiderte. „Ich würde mich sehr freuen, deine Freundin kennenzulernen.“

Kurz verweilte ich in der sitzenden Position, ehe sich mein Magen mit einem lauten knurren zu Wort meldete. Ich war heute morgen so in Sorge, dass ich absolut nichts essen konnte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits nach 12 Uhr mittags war. Ich erhob mich von der Couch, steuerte die Küche an und blickte in den Vorratsschrank. Eine angebrochene Packung Nudeln sowie ein Glas Bolognaisesoße standen verlassen in dem Schrank herum. Diese Woche war anstrengend gewesen. Ich musste für eine Kollegin einspringen und hatte keine Zeit zum Einkaufen. Dies sollte ich morgen schnellstens nachholen. Seufzend nahm ich die Sachen heraus und bereitete das Essen vor. Marie war zum Glück nicht sehr wählerisch und verdrückte alles, was ich ihr vorsetzte. Als alles soweit fertig und der Tisch gedeckt war, rief ich im Flur nach Marie. Es dauerte keine Minute, da polterte sie bereits die Treppe hinunter und setzte sich zu mir an den Tisch. „Ich habe gerade mit Grace telefoniert. Sie hat sich gefreut, klang aber ziemlich abwesend. Ich denke, Stefan hat wieder seine Finger im Spiel. Ich hasse den Kerl so.“ Auf halbem Wege hielt ich mit der Gabel inne und blickte sie überrascht an. „Hat sie dir davon erzählt?“ Ihr verärgerter Blick wich einem nachdenklichen, als sie mit dem Kopf schüttelte. „Nicht direkt. Du weißt doch, wie verschlossen sie ist. Es war vor knapp zwei Wochen, als ich durch Zufall die blauen Flecken an ihren Handgelenken gesehen habe. Ich musste sie quasi dazu zwingen, ihr aber versprechen, mit keinem darüber zu reden.“ Ja, dass wusste ich nur zu gut. Sie sprach nicht gerne über ihre Probleme. Ich hoffte sehr, dass es jetzt anders werden würde. Den ersten Schritt hatte sie bereits getan, indem sie sich dazu bereit erklärt hatte, mit ihrer Mutter darüber zu sprechen. „Grace wird es ihrer Mutter erzählen. Ich werde Frau Schmidt später anrufen und die beiden für morgen zu uns einladen.“ Marie nickte und aß ein paar der mittlerweile lauwarmen Nudeln. „Ich freue mich, dass du für sie da bist. Bisher hat sie vehement dagegen protestiert, wenn ich Doro auch nur erwähnt habe. Ich hoffe nur, sie glaubt euch. Sie ist wirklich blind, was Stefan angeht.“ - „Das hoffte ich auch.“ Ich seufzte und widmete mich meinem Teller zu. Den Rest der Zeit schwiegen wir.

Nach dem Essen verzog sich Marie auf ihr Zimmer. Ich wusch das Geschirr, räumte die Küche etwas auf und ging wieder ins Wohnzimmer. Dort angekommen, setzte ich mich auf die Couch und nahm mein Handy zur Hand. Eine Nachricht von Grace blinkte auf dem Bildschirm. Eingegangen vor einer knappen viertel Stunde. Ich öffnete sie und starrte perplex auf den kleinen Bildschirm.

'Hallo Andrea, ich habe gerade einen Anruf von Marie bekommen. Wir haben uns wieder versöhnt. :-) Danke, dass du mit ihr geredet hast. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne dich machen würde. Wegen morgen, also... Ruf meine Ma bitte nicht an. Ich habe es mir anders überlegt. Ich hoffe, du bist mir nicht böse, aber es geht einfach nicht...'

Ohne zu zögern wählte ich ihre Nummer und ließ frustriert das Handy sinken, als sich die Mailbox einschaltete. Warum hatte sie sich plötzlich gegen ein Gespräch entschieden? Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr kam mir der Verdacht, dass Stefan etwas damit zu tun haben musste. Ich wählte noch einmal ihre Nummer. Wieder sprang sofort die Mailbox an. Ich öffnete erneut die Nachricht und tippte eine Antwort ein...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 01, 2017 ⏰

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Die Mutter meiner besten Freundin (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt