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Gegen 20 Uhr machten wir uns auf den Weg zu Harris. Neben einer Disco war die Kneipe der einzige Ort, zu dem man Abends hingehen konnte. Da ich nicht gerne feierte und eine Discothek noch nie von innen gesehen hatte, blieb uns nur diese eine Möglichkeit. Wir waren fast jedes Wochenende im Harris. Neben dem Billard - und Dartraum gab es hier auch noch zwei Kinosääle. Öfters schauten wir uns hier einen Film an. Je nachdem, welche gerade so im Kino liefen. Andrea begleitete uns meistens. Für einige mag es komisch sein, mit der Mutter loszuziehen, aber nicht für Marie. Mich störte es auch kein bisschen. Anfangs war es ein wenig ungewohnt. Mama würde niemals mit uns in die Kneipe zum Billard spielen gehen, aber das erwarteten wir auch gar nicht. Ohnehin hatte ich nicht so ein gutes Verhältnis zu ihr. Wir stritten bei jeder Gelegenheit und oft kommt es mir so vor, als würde sie Stefan vorziehen. Zudem war sie um einiges älter als Andrea. Marie hatte mir einmal erzählt, dass Ihre Mutter es nie leicht hatte. Mit sechzehn Schwanger, von den Eltern rausgeworfen und obendrein vom Vater des Kindes sitzen gelassen. Ich frage mich oft, wie sie das damals alles geschafft hatte. Sie ist wirklich eine tolle Frau.

Ich seufzte und schielte unauffällig zu Andrea, die neben mir herging. „Grace?“ Marie sah mich ebenso fragend an, wie ich sie. „Was ist? Hab ich was im Gesicht?“ - „Nein, hast du nicht. Es ist nur so... Du bist heute so dermaßen in Gedanken versunken und gar nicht bei der Sache. Ich mache mir Sorgen, Grace.“ Das war leider nicht zu leugnen. Ich benahm mich wirklich seltsamer als sonst. Normalerweise hatte ich meine Gefühle sehr gut im Griff. Heute war es allerdings anders. „Ich weiß. Es tut mir leid. Es ist einfach nicht mein Tag.“ Erneut sah ich zu Andrea. Verständnis spiegelte sich in dem intensiven Grün wieder. „Wir können auch zurückgehen, wenn es dir lieber ist.“ - „Nein, schon gut. Vielleicht lenkt mich der Abend ja etwas ab.“

Wir erreichten die Kneipe und blieben vor der Tür stehen, als wir lautes Gelächter vernahmen. Marie seufzte und drehte sich zu uns um. „Na super, die Dartmannschaft ist wieder da. Hoffentlich überlassen die uns einen Tisch.“ - „Die kommen doch immer Samstags. So langsam solltest du das aber wissen.“ Ich grinste Marie an und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Stimmt. Lasst uns reingehen.“ Nacheinander betraten wir den Raum und steuerten den ersten und einzigen freien Tisch an. Es war ziemlich voll hier. Die Männer der Dartmannschaft saßen in vereinzelten Gruppen an den Tischen jeder ein Bier oder etwas anderes alkoholisches vor sich. Ein paar von ihnen hatten sich vor die Dartscheiben aufgestellt und warfen abwechselnd ihre Pfeile. Marie stellte ihre Tasche auf den Stuhl und ging zum Billardtisch. „Wollen wir zuerst spielen, Grace?“ Ich sah zu Andrea, die im selben Moment nickte. „Fangt ruhig schon mal an. Ich hole uns derweil etwas zu trinken. Wie immer ein Alster?“ Ich lächelte sie an und nickte. „Ja, dass wäre lieb. Danke.“ Sie erwiderte das Lächeln und fuhr sanft über meine Schulter. Sofort breitete sich ein angenehmes Kribbeln in meinem Körper aus. „Gerne doch. Bis gleich.“

Noch immer stand ich wie angewurzelt da, obwohl sie den Raum bereits vor einiger Zeit verlassen hatte. Das Kribbeln war noch immer präsent und brachte mich um den Verstand. Wenn ich jemals mehr als eine kurze Berührung bekommen sollte, würde ich wahrscheinlich in Ohnmacht fallen. „Erde an Grace. Bist du da?“ Ich blinzelte ein paar Mal und sah Marie vor mir, die ungeduldig mit dem Queue vor meiner Nase wedelte. „Äh, ja... Tut mir leid. War gerade woanders.“ - „Wo denn? Bei dem Typen, der dich schon die ganze Zeit anstarrt?“ Ich sah an meiner Freundin vorbei, um mir selbst ein Bild davon zu machen. Tatsächlich, er lächelte mich schüchtern an und hob die Hand zum Gruß. Ich musste zugeben, dass er gar nicht mal so schlecht aussah. Ganz im Gegenteil. Trotzdem wollte ich nur Andrea. Eilig wandte ich den Kopf ab. Die Hitze stieg mir in die Wangen, als ich sie verärgert anstarrte. „Nein. Ganz sicher nicht. Lass uns einfach spielen, okay?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm ich den Queue zur Hand und ging auf den Billardtisch zu. Ich hatte wirklich keine Lust mit dem zu reden.

Die Mutter meiner besten Freundin (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt