Schwul.

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Die Straßen waren leer gefegt.
Bei dem Wetter hielt sich niemand draußen auf.
Es war eine trockene Hitze man schwitzte nicht aber die Sonne brannte auf der Haut.

Ian lief wortlos neben mir her.
Ich merkte das er etwas zu sagen hatte. Sein Blick war auf den Boden gebannt.
Hätte er sich entschlossen nichts zu sagen würde er starr gerade aus gehen.
Seine Finger blieben nicht ruhig.

Ich ließ ihm die Stille bis er bereit war zu reden.

"Woher wusstest du es?" Er schaute mich nicht an.
"Du hast es mir gesagt. Zwar nicht mit Worten aber du hast es mir gesagt."

Er sah mich unwissend an.

"Als ich jünger war habe ich unendlich viele Bücher über die Psyche des Menschen gelesen. Über das Unterbewusstsein, die Körpersprache, die Gestik und Mimik. Irgendwann lernt man die Zeichen zu deuten."

"Fuck! Du darfst es niemandem erzählen."
Sein Blick war mit Panik erfüllt.

"Es bleibt unter uns. Weiß es sonst noch jemand?" Ich wollte wissen ob sein Familie Bescheid wusste.

Er schüttelte den Kopf. 

Irgendwie machte es mich glücklich das nur ich es wusste. 

"Es ist irgendwie erleichternd mit jemandem darüber zu reden." Er lächelte schüchtern. "Wann hast du es den Leuten erzählt?"

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. "Gestern. Dir. " ich ließ es unwichtig klingen. Ich wollte nicht so tun als ob ich stärker wäre als er und mich schon geoutet hätte. Außerdem wollte ich ihm das Gefühl geben das wir etwas hätten das nur wir beide teilten. Um eine Verbindung zu erstellen.

Er schaute mich an und fing laut an zu lachen.
Er lachte genau wie mein kleiner Bruder seine Augen fingen an zu leuchten. Mein Herz glühte wenn ich ihm dabei zu sah.

"Das ist echt der Wahnsinn. Ich kenne dich seit gestern und du kennst mein größtes Geheimnis. Hattest du schonmal eine Freundin ? " er sah mich entspannt lächelnd an. 

"Nein. Und du ?" Eine Freundin hatte ich sowieso nicht gehabt. Aber auch einen Freund hatte ich noch nie.

"Es gibt da Jemanden. Wir vögeln miteinander. Aber er gibt nicht zu das er mich mag. Er steht auch nicht dazu das er schwul ist. Aber ich mag ihn." Seine Wangen färbten sich rot.

"Lass ihm Zeit. Es hat nichts mit ihm zu tun. Er akzeptiert sich selbst noch nicht."

"Ich weiß. Und du? Magst du jemanden? Oder mochtest du jemanden da wo du herkommst?" es schien ihn ehrlich zu interessieren.

Ich schüttelte den Kopf. „Niemand den ich wirklich besonders fand."

"Aber du hattest schonmal was mit einer oder?" 

"Klar." ich lachte während ich log. 

In der Bahn unterhielten wir uns über alle möglichen Dinge.
Er erzählte mir über seine Geschwister.
Wie chaotisch sie waren und trotzdem voll von Liebe füreinander.

Seine Mutter war drogenabhängig und hat sie verlassen als sie noch klein waren.
Sein Vater war ein Säufer und ließ sich immer mal wieder blicken wenn er einen Platz zum schlafen suchte oder etwas brauchte.

Fiona war die älteste und brach mit 14 die Schule ab um sich um alle zu kümmerte.
Sie war hart und streng. Aber tat alles für ihre Geschwister.

Lip war der zweitälteste. Laut Ian war er ziemlich clever lernte kaum und war trotzdem Klassenbester schrieb seit der 9ten die Collegtest für die 11 Klässler.
Er war eine männliche Schlampe trieb sich rum und hatte immer wieder irgendwelche Geschäfte am laufen.

Ian war der dritte. Ein mittelmäßiger Schüler. Sein Traum war es zur Bundeswehr zu gehen und seinem Land zu dienen. Wieso wusste er selbst nicht.
Es war nicht zu übersehen das er sich nach Strukturen, Ordnung und Beständigkeit sehnte und unterbewusst hoffte sie bei der Armee zu finden.

Debbie war das zweite Mädchen.
Sehr diszipliniert. Passte auf Kinder auf und unterstützte Fiona wo es nur ging.

Carl war ein Raudi.
Ständig tötete er Tiere, zündete irgendwas an und machte Unsinn. Es war vorher zu sehen das er im Knast landete.

Und Liam war der jüngste.
Er war wohl nicht Franks (der Vater) Sohn was unschwer an seiner Hautfarbe zu erkennen war.

Zusammen schlugen sie sich durch.
Legten monatlich das Geld zusammen um Strom, Miete und Rechnungen zu bezahlen.

Er erzählte es mit einer vollkommenen Normalität.
Ohne Mitleid zu erwarten. Es war Alltag für ihn. Nichts besonderes.

Er erzählte ein paar coole Geschichten die seine Familie zusammen erlebt hatten.
Wie sein Bruder und er schon das ein oder andere nicht ganz legale Ding durch gezogen hatten.
Und nicht zu vergessen die legendären Partys der Gallaghers.

Ich hingegen hielt mich zurück und wich jeder Frage über mich unauffällig aus.

Erst als wir schon fast am Schrottplatz waren fragte er wo wir eigentlich überhaupt hingingen.

"Abschlepphof"

Er stellte keine Fragen wartete vor dem Eingang und rauchte sich eine.

Ich bezahlte die 100$ die mir im Herzen weh taten. Nahm meinen Helm mit und kaufte für 10$ noch einen zweiten gebrauchten von denen die dort lagen.

Als ich mein Bike raus schob machte er ganz schön Augen.

"Scheiße das ist deine Maschine?" Er strich mit der Hand über den Sitz.

Das er seine Bewunderung für diese Schönheit mit mir teilte gefiel mir.

Ohne Zögern oder Angst setzte er sich hinten aufs Bike. Kein Wunder Er hatte sicher schon angsteinflößendere  Sachen erlebt.
Er lehnte sich nach hinten und hielt sich am Heck fest.
Der Motor heulte auf und das alt bekannte Knurren erfüllte mich wie ein Rausch. Gott hatte ich es vermisst. Im Rückspiegel sah ich Ian grinsen.

Der Weg bis zum Bahnhof dauerte nicht mehr lange.
Auch hier wartete Ian wieder am Bike und zündete sich eine Zigarette an.
mit einer vollen Reisetaschetasche kam ich wieder.
Er reichte mir seine Zigarette und ich zog ein paar Mal.

"Du weißt das du ganz schön heiß aussiehst und dich alle Typen anstarren?" Er grinste mich an.

"Ich weiß." Ich schaute mich nicht um und grinste zurück.

Sein Lachen erfüllte mich so von Freude das ich in sein Lachen mit einstimmte.

ShamelessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt