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Luna

Als ich aufwache, faucht Skye gerade meinen Schreibtisch an.

Verwirrt blinzle ich, reibe mir den Schlaf aus den Augen und setze mich auf.

»Wieder ein Kyriaki?«, kommt mir eine mögliche Erklärung in den Sinn.

Sofort hört Skye auf, zu fauchen, springt auf mein Bett und setzt sich unbekümmert, beinahe ertappt, hin.

Du bist endlich wach? Du schläfst seit einer halben Ewigkeit!, sagt sie und ignoriert demonstrativ den Schreibtisch in ihrem Rücken.

»Komm schon, jetzt sag: Was hat dir mein Schreibtisch getan?«, bohre ich nach.

Sie lässt den Kopf hängen wie ein begossener Pudel und streicht unruhig mit dem Schweif hin und her.

Ich bin über ihn gestolpert, gibt sie kleinlaut zu und kann mich gar nicht ansehen.

Bei der Vorstellung, Skye über meinen Schreibtisch stolpern zu sehen, kichere ich. Empört springt sie vom Bett und platziert sich hochmütig auf meinem Bürostuhl wie auf einem imaginären Thron.

Schnippisch meint sie: Schließlich hast du lange genug geschlafen. Wie auch immer, gedenkst du etwa, gar nichts im Hinblick auf deine Tanten zu unternehmen?

Ich zucke zusammen. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht.

Hilfesuchend sehe ich sie an. Sie seufzt.

Einen Moment lang finde ich es ziemlich lustig, eine Katze seufzen zu sehen, dieser klare, wehmütige Laut, den ich bisher nur aus Menschenmündern gehört hatte. Meine Katze seufzt – kann sie eigentlich noch menschlicher wirken?

Skye blickt mich streng an, widerwillig höre ich auf zu grinsen.

»Das ist eine ernste Sache, ich weiß«, stimme ich ihrem unausgesprochenen Vorwurf zu.

Endlich konzentriere ich mich wieder auf das Gesehene: den blutigen Körper im Mysterienkeller, von dem ich nicht weiß, ob das Blut einfach nur die Vorbereitung für die bevorstehende Bindung des Kyriaki oder tatsächlich vorsätzliche Tötung zur Begründung hat. Aber würden meine Tanten das jemals tun? Jemanden umbringen, nur, um einen von diesen grässlichen, ohnehin total unnötigen Kyriaki zu erschaffen? Diese Wesen scheinen ihnen zwar sehr wichtig zu sein und sie lassen immer weitere entstehen, aber meine Tanten habe ich nie für grausam gehalten. Es mag vielleicht so ausgesehen haben, aber es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass Sphinx und Andromeda tatsächlich über Leichen gehen würden, um ihr Ziel zu erreichen.

Glaube ich zumindest.

Aber reicht der Glaube aus?

Immerhin geht es hier nicht um einen Gott oder so etwas, eine magische Kraft, die mir sowieso nie begegnen oder Auswirkungen auf mein Leben haben wird, sondern um meine beiden Tanten. Die beiden Wesen, die mir nach Skye am nächsten stehen. Wenn ich ihnen nicht mehr vorbehaltlos vertrauen kann, wer bleibt mir noch?

Ich schätze, wir müssen herausfinden, was es damit auf sich hat, bestätigt Skye, was ich gerade denke.

Da fällt mir etwas ein und ich sehe sie überrascht an.

»Woher weißt du eigentlich, was ich im Mysterienkeller gesehen habe?«, will ich wissen, »Ich kann mich nicht daran erinnern, dir etwas erzählt zu haben!«

Sie seufzt erneut, diesmal entnervt.

Glaubst du wirklich, dass ich dich da allein hinunter lasse?, fragt sie, ziemlich angepisst für meinen Geschmack.

»Okay, okay, du musst ja nicht gleich sauer werden.«

Sie sieht mich aus hochgezogenen Augenbrauen an – hey, ich wusste gar nicht, dass Katzen so etwas wie Augenbrauen haben – und kommandiert dann:

Konzentrier dich gefälligst auf das Thema, Luna.

Die ganzen Gerüchte über Katzen stimmen: Sie sind herrisch – und wie sie das sind, lassen sich verwöhnen wie Könige – oooooh ja, und sie werden ziemlich sauer, wenn ihre Macht angezweifelt wird und ihre Befehle nicht ausgeführt werden.

Das perfekte Haustier, richtig?    

SnowFyre. Elfe aus EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt