Louis' POV:
Als ich vor gut einem Jahr Ella kennen lernte und mich innerhalb kürzerster Zeit so gut verstand, dass es außer Frage stand, dass wir definitiv Freunde werden würden, hängten uns viele sogar eine Beziehung an.
Wann immer sie einen Arm um mich gelegt hatte oder ich sie auf die Stirn küsste, brodelte die Gerüchteküche erneut und Leute zerrissen sich die Mäuler darüber, ob wir nicht doch irgendwann zugaben, ein Paar zu sein - dabei stand dieses Thema nie zur Debatte, zumindest für mich.
Irgendwann allerdings begann ich selbst, zu zweifeln, da es durchaus ungewöhnlich war, dass wir Händchen hielten und sie meine Pullis trug, obwohl sie ihr viel zu groß waren. Also hatte ich sie beiseite genommen und sie tatsächlich gefragt, wie viel an den Theorien, sie sei in mich verliebt, wahr waren.
Daraufhin war ihr erst einmal die Kinnlade hinuntergeklappt, bevor sie zu lachen angefangen hatte. "Bist du denn in mich verliebt?", entgegnete sie, was ich mit einem energischen Kopfschütteln beantwortete. Danach hatte sie gelächelt und gesagt, dass sie mich zwar furchtbar liebte, aber in keinste Weise verliebt in mich war.
Somit war es besiegelt: Wir waren beste Freunde und gaben einen Scheiß auf diejenigen, die uns unbedingt als Paar haben wollten, während wir Händchen hielten. Jedoch verfestigte sich unsere Bindung noch mehr, sobald sie mir von ihrem Bruder erzählte.
Da Ella vier Jahre jünger als ich war, sah ich durchaus in ihr die kleine Schwester, die ich nie gehabt hatte und hätte alles für sie getan, damit ihr nichts zustieß. Dann berichtete sie mir von Harry, erwähnte, wie sie einander in den schwersten Phasen ihrer bisherigen Leben gehalten hatten und dass er für sie der wohl wichtigste Mensch überhaupt war.
Jeder andere wäre an dieser Stelle vielleicht eifersüchtig geworden, aber ich hingegen spürte direkt eine tiefe Zuneigung zu diesem Unbekannten, der meiner besten Freundin so viel Kraft spendete und ihr Anker war - so wie sie sein persönlicher Schutzengel war (diese Worte hatte er wohl selbst einmal gewählt, nachdem er operiert worden war.)
Ich war ihm dankbar und wäre nie auf die Idee gekommen, Konkurrenzdenken zu entwickeln, zumal Ella einem nun wirklich nicht das Gefühl gab, in Wettkampf treten zu müssen. Harry war ihr Bruder und ich war ihr bester Freund und ich wusste, dass sie uns beide aufrichtig liebte, ohne den anderen zu vernachlässigen.
Jetzt neben ebendiesem Bruder zu sitzen, der ein Teil von Ella war, bedeutete mir auf unerklärliche Weise unglaublich viel.
Anfangs etwas skeptisch scannte ich jede einzelne Beweging seinerseits, wie er die richtigen Bleistifte erfühlte und sich anschließend mir gegenüber setzte, wodurch ich eine perfekte Perspektive auf ihn hatte.
Die Tattoos auf seinen Armen schienen Geschichten zu erzählen, die er selbst nicht mehr mit seinen Augen erleben konnte, aber wahrscheinlich tief in seinem Herzen verankert hatte. Seine Haare, die er, wie Ella es meistens genauso tat, in einem Dutt hochgesteckt hatte, fielen ihm strähnenweises ins Gesicht, sodass sie seine markanten Wangen anmutig einrahmten.
Generell sah er exakt so aus wie Ella, nur eben in männlich, und es war, als strahlte sein Lachen genau die gleiche Lebensfreude aus, wie ihres - obwohl trotzdem eine Tiefe und Ernsthaftigkeit in seinem Ausdruck lag.
Die Augenbrauen zusammen gezogen legte er sich alles so zurecht, dass er mit einem schnellen Handgriff das erreichte, was auch immer er brauchte, und während er sich meinem Gesicht schließlich näherte, um es zu ertasten, presste er seine vollen Lippen konzentriert aufeinander.
"Sorry, ich hab bestimmt ziemlich kalte Finger", entschuldigte er sich, sobald sein Zeigefinger das erste Mal meine Haut berührte. "Macht nichts", beruhigte ich ihn, woraufhin er mir ein schiefes Lächeln zuwarf, das zugegebenermaßen mein Herz einen Aussetzer machen und mich erneut fragen ließ, wie man so wunderschön sein konnte.
Durch unsere Nähe konnte ich kleine Sommersprossen und Rötungen oberhalb seiner Nasenflügel erkennen, die die erste Erscheinung eines scheinbar makellosen, ebenmäßigen Gesichts zwar kurz unterbrachen, es aber dennoch in seiner Unvollkommenheit perfekt wirken ließen.
"Du lächelst", bemerkte er, als er mit seinem Daumen über meine Wangen fuhr. "Woher weißt du das?", fragte ich verdutzt, weil ich nun wirklich eigentlich nur meine Mundwinkel höchstens einen Millimeter in die Höhe bewegt hatte.
"Ich spüre, wie sich deine Muskeln anspannen", erklärte er, seine Hand weiterhin über meine Wangen streichend. "Du hast sehr spitze Wangenknochen", bemerkte, ehe er sich dem Blatt zuwandte, um den ersten Strich zu ziehen.
"Ich weiß", murmelte ich, da ich noch nie ein sonderlich großer Fan von ihnen gewesen war, immerhin ließen sie mich viel jünger wirken, als ich eigentlich war.
"Ich mag so etwas", erwiderte er. "Es gibt den Leuten einen jugendlichen, fast femininen Touch."
"Wie kannst du dir das nur so gut vorstellen?", wollte ich neugierig und vollkommen perplex wissen. Erneut lächelte er, sodass Grübchen sich in seine Wangen gruben, in die ich gerne gepiekst hätte.
"Wenn man seit fünf Jahten blind ist, entwickelt man einen ziemlich guten Tastsinn und kann sich so erschließen, wie sein Gegenüber aussieht", erläuterte er, wieder weiter mein Gesicht ertastend.
Mittlerweile streichten seine Fingerkuppen über meinen Mund und er kicherte. "Wo ist dein Dreitagebart, vor dem Ella mich gewarnt hat?"
Ich wurde rot. "Manchmal komme ich tatsächlich dazu, mich zu rasieren", meinte ich. "So dreimal im Jahr und an Weihnachten."
Er lachte. "Und an deinem Geburtstag?"
"Ich hab an Weihnachten Geburtstag."
Er runzelte erstaunt die Stirn. "Cool. Ich hab im Februar Geburtstag, da ist meistens schlechtes Wetter."
Ich schnaubte. "Du weißt gar nicht, wie oft ich mir als Kind gewünscht habe, meinen Geburtstag im Schnee feiern zu können und dieser Wunsch letztendlich wortwörtlich ins Wasser gefallen ist."
"Ich liebe Regen, der fühlt sich wundervoll an auf der nackten Haut."
Gerade wollte ich etwas erwidern, als er plötzlich in seiner Bewegung innehielt. "Deine Lippen sind schön. Ich mag ihre schmale Form. Und weich sind sie auch noch", sagte er, während die Wärme seiner Finger an meinen Lippen ein Kribbeln durch meinen Körper schickte. Die Art, wie er einen berührte, bedacht darauf, jedes einzelne Detail meiner Miene zu registrieren, hatte etwas so ruhiges an sich, dass sich jegliche Nervosität zwischen uns auflöste.
Zwei Stunden später hatten wir beide unsere Portraits fertig, wobei seines komplett anders aussah, als jedes andere. Er hatte kein exaktes Abbild von mir gefertigt, sondern eine Art Schattenbild, auf dem jeder einzelne Strich in einer unterschiedlichen Stärke gezogen war und in schemenhafter Anlehnung an mein Gesicht gezogen worden war.
"So nehme ich dich wahr. Mit Unebenheiten und Konturen, anstatt mit Farben und richtigen Formen ", erklärte er etwas schüchtern, weil ich ziemlich sprachlos war. Ella hatte Recht gehabt: Harry hatte nach wie vor Talent und hatte das gezeichnet, was er sah - nur eben auf eine komplett andere Weise.
meinungen? ich liebe euch. xxx
DU LIEST GERADE
draw what you see - larry ✔
Fanfiction*aus der sicht eines mädchens geschrieben* harry hält es erst für einen blöden scherz, als seine schwester sich und ihn bei einem malkurs anmeldet - schließlich ist er mit sechszehn jahren erblindet und kann seitdem beim besten willen keine kunstwe...