Begegnung
Ein Betreuer schob mich durch die langen, grauen, kahlen Flure. Ich starrte nur ins Leere. Ich sah aus als hätte ich seit Wochen nicht geschlafen, dunkle Augenringe und glasige Augen. Manche aus der Gesprächsrunde nennen mich sogar Leiche, da ich immer stumm und aufrecht auf meinem Platz sitze und nur die anderen anstarre. Wenn ich mal rede, murmle ich nur wirres Zeug. Und die Pfleger? Die denken ich wäre durchgeknallt und wüsste nicht wie man fühlt. Warum, weiß ich auch nicht... Denn ich fühle. Jedoch seit Jahren immer das selbe: Trauer und Sehnsucht.
Sehnsucht nach meinem Ladybug-Dasein, nach Tikki... Nach Freiheit.
Trauer wegen meinem Papa und meiner Mama... Warum wegen meiner Mama? Sie kommt mich nie besuchen, kümmert sich kein bisschen um mich. Der Tod meines Papas hat sie stark getroffen und sie ist zu einem völlig anderen Menschen geworden...
Die Bäckerei die wir besaßen... Hat sie geschlossen. Umgezogen ist sie auch. Ans andere Ende von Frankreich. Ich vermisse sie, auch wenn sie sich wie das letzte benommen hat als ich sie das letzte Mal gesehen hab. Ich wollte sie soo sehr hassen... Doch konnte es nicht. Sie ist immernoch meine Mama und ich kann sie einfach nicht hassen...
"Hallo Miss Dupain-Cheng", sagte der Arzt. Erst jetzt bemerkte ich, dass wir in einem Krankenzimmer sind. Nur, was will er jetzt von mir?
"Wie geht es ihnen?", fragte er ohne auf eine Antwort von mir zu warten. Verständlich, jeder in dieser Klinik weiß, dass ich nicht viel, bis gar nicht rede. "Ich denke wir müssen die Dosis ihrer Medikamente erhöhen", sagte er dann. Meine Augen weiteten sich. Was?! Das darf doch nicht wahr sein...
Die Ärzte geben mir jeden zweiten Abend Tabletten, die mich ruhig stellen sollen. Nur ich schlucke sie nicht immer. Manchmal verstecke ich sie unter meiner Zunge und spuck sie dann wieder aus wenn die Pfleger weg sind.
Was jetzt soo schlimm an der Dosis-Erhöhung ist? Bei einem Mädchen aus der Gesprächsgruppe wurde auch die Dosis erhöht... Sie bekam Morgens, Mittags und Abends immer eine Spritze mit solcher Medizin. Seit dem ist nicht mehr ansprechbar. Sie brabbelt immer zu Blödsinn und schläft fast nur.
"Wieso?", fragte ich und er und der Pfleger gafften mich blöd an. Sie haben mich noch nie sprechen gehört. "Wir haben dies in ihrem Zimmer gefunden", sagte er und holte ein Stück Glas heraus. "Wie es aussieht haben sie wieder Selbstmordgedanken, richtig?", sagte er und schaute mich ernst an. Ich hab seit ich in der Klinik bin Selbstmordgedanken. Deshalb bin ich doch hier! Und ich hab das Stück Glas noch nie zuvor entdeckt. Sonst wäre ich vielleicht nicht mehr hier...
Wer hat das in meinem Zimmer versteckt? "Na und?",murmelte ich nur. "Na und?! Wir sind verpflichtet ihnen bei ihrer Genesung zu helfen. Und das hier ist ein starker Rückstoß... Die beste Lösung ist eine Erhöhung der Medikamente", sagte er und seufzte. Er meint wohl seine spontane Entscheidung. Es ist nicht mein Problem dass sie zu unfähig sind auf ihre Patienten aufzupassen! Ich will nicht verrückt werden nur weil er Langeweile hat!! Warum immer ich... "Bitte nicht... ", flehte ich leise. Er schüttelte den Kopf. "Sie werden ab sofort jeden Morgen und Abend eine Medikamentenspritze bekommen", sagte er und schrieb irgendwas auf. Immerhin nur zweimal am Tag... Trotzdem ist es schrecklich! Aber ich kann sowieso nichts ändern...
"Dann bis bald", sagte er und fake lächelte.
Ich nickte nur und der Pfleger schob mich wieder aus dem Zimmer.
Wie lange muss ich das nur noch aushalten?! Aber was mich gerade einfach nicht in Ruhe lässt, ist das Stück Glas... Woher kommt es? Wer hat mir das untergeschoben? Und warum? Fragen um Fragen, jedoch nicht eine kann ich beantworten...•••
Ich saß wieder mit der Gesprächsgruppe zusammen. Und es lief wieder so wie immer: die anderen quatschen und ich starre nur die Wand an. Doch dann ging die Tür auf und ein Pfleger kam mit einem Jungen herein. Der Junge hatte golden blonde Haare und grasgrüne Augen. Eigentlich ganz süß...
Die Pfleger redeten leise miteinander während alle Augen auf den Jungen gerichtet waren. Er lächelte leicht, nervös. Er muss neu sein. Wenn er erstmal seine Medikamente bekommt, vergeht ihm schon das süße Lächeln.
"Das ist Adrien, er ist neu in unserer Gruppe", sagte der Pfleger und zeigte auf einen leeren Platz, mir direkt gegenüber, auf den er sich setzen soll. Ich musterte ihn. Attraktiv ist er dass muss man ihm lassen... Und dieses süße Lächeln von vorhin... Was sag ich da? Denk an was anderes Mari...
Eine Zeit lang redeten einige Leute. Dann meldete sich Adrien zu Wort. "Also, ich bin hier weil ich beinahe Selbstmord begangen hätte, denn... Meine Mama ist vor einem halben Jahr gestorben. Das hat mich schwer getroffen... Als ich dann auch noch erfahren habe, dass mein Vater einen Auftragsmörder beauftragt hatte meine Mutter zu töten, war meine ganze Welt zusammengebrochen. Ich wollte nur noch tot sein... ", sagte er und sah auf den Boden.
"Und wieso hat dein Vater das getan?", fragte ich und alle schauten mich erstaunt an. Wie gesagt, ich spreche fast nie. "Ich weiß nicht... Und diese Frage quält mich auch schon seit ich es vor einigen Monaten herausgefunden habe...", sagte er und sah mich an. Ich sah schnell weg. Mehr hab ich ihn nicht gefragt. Nur die anderen haben noch gesprochen. Adriens Stimme kam mir irgendwie bekannt vor... Und auch überhaupt... Sein Aussehen, seine Art, alles an ihm kam mir bekannt vor...•••
Nach der Gesprächsstunde kam einer der Pfleger zu mir und schob mich raus aus dem Raum.
Als ich dann auf meinem Zimmer war, kamen mehrere Pfleger herein und der Arzt. Zwei Pfleger hielten meine Arme fest sodass ich mich nicht bewegen konnte. Ein anderer Pfleger kam mit einer Spritze auf mich zu. Ich versuchte mich zu wehren, zwecklos. Ich schloss die Augen und sah ein dass ich nichts ändern/entscheiden kann.
Als alles vorbei war, sah ich alles nur noch verschwommen. Ich lag in mein Bett, konnte nicht mehr klar denken... Nur an eins konnte ich denken... Woher kenne ich Adrien?
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Verlier nicht die Hoffnung...
Aléatoire>>Klappentext<< "Bitte Mari... Tu das nicht... Ich flehe dich an!", sagte der verzweifelte Teenager. "Dafür ist es zu spät...", schluchzte das weinende Mädchen mit den Himmelblauen Augen. "Mari... Du darfst nicht aufgeben! Ich bin doch für dich da...