2 Wochen später.
Till bestand darauf ihn zu der Beerdigung seines Dad's zu begleiten. Auf vielen war ich glücklicherweise noch nicht gewesen, aber was ich einschätzen konnte war das diese "Beerdigung" wirklich verkorkst war.
Seine Mum fuhr kurz vor 10 vor mein Haus. Auf dem Weg zur Kirche hatte niemand ein Wort gesagt, weswegen ich es für richtig hielt den Mund eine weile lang auch zu halten. Till wirkte klein und dürr in seinem Anzug, der wie mir auffiel zu lang an den Beinen und zu breit an den Schultern war. Er stand ihm nicht. Als er mich fragte ob ich ihn an dem heutigen Tag begleiten konnte, hatte ich direkt zu gestimmt und jetzt war es mir unangenehm hier zu sein. Als ich mich umsah bemerkte ich das die Kirchenbänke nur halb besetzt waren. Hinter mir saß eine wirklich alte Frau. Sie hatte einen schwarzen Schleier über ihren Kopf gelegt und schaute unachtsam auf ihre Füße. Neben ihr starrte ein Mann ausdruckslos auf den Sarg der ein paar Meter von uns entfernt in der Kapelle stand. Seine Haare hatte er glatt nach hinten gegelt und er trug einen Anzug der ihm passte.
"Das sind seine Mutter und sein älterer Bruder Jeremy Forbs." Flüsterte mir Tills Mum, Mrs Anderson ins Ohr. Ihre Stimme klang fest und kein bisschen klein. Sie trug ihre braunen dichten Haare offen und sah wunderschön aus. "Oh und das da vorne ist seine Frau Meredith und sein zweiter Sohn Jackson. Bezaubernd nicht?" Knurrte sie ironisch und ließ mich ein schmunzeln nicht verkneifen. Ein paar mal hatte ich die stechenden Blicke zwischen den beiden Frauen gesehen. Sie mussten wohl ganz genau wissen wer sie beide waren. Trauer konnte ich in keiner ihrer Augen erkennen, in keinerlei Augen die diese Kirche an jenem Tag beäugten. Außer in Tills. Dauernd schaute er den Sarg an und das daneben stehende Foto von seinem Dad. Dann schaute er schnell wieder weg und kniff die Augen zusammen. Er weinte nicht, er war einfach nur ruhig. Wie als hätte ihn die Stille überkommen. Ich schwieg mit ihm, so hatten wir es die letzten Wochen auch getan. Ich fühlte mich damit besser. Wie als würde ich ihm damit helfen.
Sein Halbbruder Jackson hatte ebenfalls mehrere male versucht während der Zeremonie Tills Blick abzufangen, doch Till starrte die ganze lange Zeit auf seinen Dad. Auf den Sarg mit seinem Dad darin. Er durchlöcherte förmlich das Porträt von seinem Vater und dessen Sarg. Irgendwas suchte er, aber ich konnte nicht zu ordnen was er zu finden versuchte. Kurz erhaschte ich den undeutlichen Blick von Jackson. Von meinem Platz aus konnte ich erkennen wie dunkel seine Augen waren. Hingegen waren seine Haare hellblond. Mrs Anderson bemerkte wie Jackson Till anstarrte und warf ihm einen warnenden Blick zu. Sie ließ die Zeremonie über sich ergehen, das spürte ich. Sie war nicht wegen Mr Forbs, ihrem Ex Mann hier, sondern wegen Till. Er brauchte uns beide, seine Mum und mich.
Als der Pfarrer den Gang entlang ging, erhoben sich alle und gingen. Till und ich blieben still sitzen und ließen den Blick auf dem Sarg ruhen. Till atmete ruhig und bewegte sich kaum, ich hingegen rutschte hin und her hielt mich zurück nichts zu sagen. Ich wollte ihm sagen wie leid es mir tat und wie er sich auf mich verlassen konnte, das ich für ihn da sein würde, aber ich schwieg. Plötzlich stand der auf und lief wackelig auf den Sarg zu. Panisch schaute ich mich um. Was hatte er vor? War das denn erlaubt so nah heran zu gehen?
"Till...?" Fragte ich vorsichtig, doch wie als hätte er sein Gehör verloren blieb er kurz vor dem Sarg stehen. Er sah so einsam aus und kurz huschte das Bild des kleinen Männchens was auf die leuchtende Stadt herunter sah in meine Gedanken. Till sah aus wie das kleine Männchen, doch er sah nicht in die lebendige Stadt, sondern in das dunkle Hinterland. Langsam zog er seine weiße Hand aus seiner Anzugshose und griff verkrampft an die Kante des Sarges. Ich wagte nicht zu glauben oder daran zu denken, was er da tun wollte, doch trotzdem kniff ich die Augen zusammen.
Ein leises schallendes Knarren erfüllte die große Kirche. Mein Mund stand offen, doch meine Augen waren geschlossen und ich hätte am liebsten auch meine Ohren versiegelt, als jemand das Kirchentor aufschob. Schnell knallte Till den Sarg zu, bevor ich irgendetwas zu Gesicht bekam. Herein schaute Jackson: "Kommt ihr zum Grab? Der Sarg wird gleich herunter getragen." Er versuchte höflich und sachlich zu klingen, doch Till gab nur harsch zurück das wir jetzt gehen wollen würden. Erschrocken drehte ich mich wieder zu Till und wollte protestieren was das sollte, als er mich warnend anstarrte. Meine nicht gesagten Worte verstummten und ich nickte gehörig. Jackson nickte verstehend und ließ uns wieder allein.
Till marschierte starr aus der Kirche hinaus und ohne ein Wort folgte ich ihm. Draußen stand wartend die Trauer Gemeinschaft. Mrs Forbs tippte gelangweilt auf ihrem Handy herum und mich hätte es nicht gewundert, hätte sie darauf Candy Crush gespielt. Diese Beerdigung sauste an ihr Vorbei wie als wäre es ihr Alltag. Tills Onkel schaute streng in meine Richtung. Er wusste das ich nicht zur Familie gehörte, was es mir nur unangenehmer machte. Ein kleiner Teil in mir rief mir zu das ich froh sein konnte nicht so eine verkorkste Familie bei zugehören. Wahrscheinlich ließ mich das entspannter werden, ich wusste es nicht. Ich sah Tills Mum bereits zum Auto laufen, doch Till selbst war nicht hier. Ich schaute mich stirnrunzelnd um und drehte mich einmal um die eigene Achse. Mein Blick blieb kleben. Nicht weil ich Till entdeckte, sondern wegen Jacksons Augen. Er stand neben seiner Mum und schaute sichtlich beschämt auf den Boden. Seine Mutter rückte ihn in kein gutes Licht und das wusste er.
Ich befand mich gerade auf dem Weg zum Auto als mich jemand am Arm packte: "Hey, ähm sorry." Er ließ von mir ab als ich ungläubig mein Handgelenk anstarrte. Sein Griff war zu fest. Abwartend musterte ich ihn. Jackson hatte sein Jackett geöffnet und vergrub jetzt seine Hände in seinen Hosentaschen: "Kannst du Till das von mir geben?" Fordernd hielt er mir einen Umschlag entgegen. Ich nickte nur. Seine dunklen Augen brachten mich aus dem Konzept und die Wörter in meinem Kopf wollten nicht gesagt werden. Ich konnte nicht. Dankend nickte er mir zu. Ich stellte schmunzelnd fest was das für eine nickende Konversation war, doch als er anfing mich zu mustern machte ich kehrt und ließ ihn stehen. "Warte mal." Augenverdrehend drehte ich mich um: "Ja?". Er kam näher und hielt mir die Hand hin: "Ich bin Jackson." Ich ergriff seine Hand höflich und nickte anerkennend. Ich dachte, ich kenne dich bereits Jackson Forbs. "Ella." Sagte ich knapp. Wieso wollte der Typ Bekanntschaft mit mir machen und das auch noch auf der Beerdigung seines Vaters? Ich war eindeutig überfordert und wollte schleunigst zum Auto. "Ich muss zum Auto." Wenn ich es eilig hatte wurde ich unhöflich, weswegen ich mir auf die Zunge biss. Wie gewohnt nickte er verstehend und hob kurz die Hand.
Am Abend ließ ich mich erschöpft auf mein Bett fallen. Die Heimfahrt war genauso still verlaufen wie die Hinfahrt, weswegen ich jetzt immer noch schwieg. Ich schloss die Augen und dachte an Till. Was er jetzt wohl machte? Er hatte mir nichts mehr gesagt, als ich gegangen war. Ich hatte mich nochmal umgedreht und gehofft das er mir zuwinkte, doch das tat nur seine Mum. Plötzlich kam ich mir naiv vor. Er hatte seinen dad verloren und ich hoffte auf plauschende Gespräche?
Till hatte irgendetwas gesehen als er den Sarg öffnete. Zu meinem Pech hatte ich zu spät hin geschaut. Er musste geahnt haben das etwas nicht stimmte, denn er hätte ihn nie freiwillig geöffnet. Er wäre zu stur sich seinen Vater nochmal an zu schauen, aber er hatte es getan und das ließ mich unglaublich stutzig werden.
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Unsere kleine große Stadt
Teen Fiction~Ausschnitt~ Unsere Stadt war sichtlich klein. Sie umgab kleine Wälder und kurze Feldwege. Die Häuser in denen wir wohnten waren schmal und der einzige Supermarkt der Stadt hatte die meiste Zeit geschlossen. Der Marktplatz war das Zentrum der Stad...