Viel Zeit, um über meine Entscheidung nachzudenken bleibt mir nicht, denn nur wenige Minuten, nachdem ich allein in diesem Raum zurückgelassen wurde, öffnet sich die Tür bereits wieder und ein Friedenswächter betritt den Raum. Er scheint ungefähr vierzig Jahre alt zu sein, genau einschätzen kann ich es allerdings nicht, da man unter dem dicken, weißen Anzug nicht viel erkennt. "Hier entlang.", sagt er und macht eine einladende Handbewegung in Richtung Raum, die offenbar jemandem auf dem Flur gelten soll. Wenige Augenblicke später stehen auch schon meine Eltern vor mir, beide haben ein fröhliches Lächeln auf den Lippen. Sie wissen nichts von meiner Liebe zu Cato, woher sollten sie auch, ich habe nie etwas davon erzählt. Zu Hause gab es ganz andere Themen, die eindeutig wichtiger zu sein schienen. Jetzt bereue ich es, lasse mir allerdings trotzdem nichts anmerken. "Sie haben drei Minuten.", mit diesen Worten verlässt der Friedenswächter den Raum und schließt die Tür.
Mein Vater kommt lächelnd auf mich zu, greift meine Hände und drückt sie leicht. "Du kannst das Clove. Die Spiele sind wie für dich gemacht, du bist vorbereitet." Klar kann ich es, das braucht er mir nicht extra zu sagen. Messer werfen, giftige Pflanzen von ungiftigen unterscheiden. Aber in der Arena ist es etwas ganz anderes. Dort bestimmen die Spielemacher, was wie abläuft und das hat bereits so manche Tribute das Leben gekostet.
Einige Jahre zuvor ließen sie die Arena von einer riesigen Welle überfluten, viele Tribute ertranken, da sie nie gelernt hatten zu schwimmen. Siegerin in diesem Jahr wurde Annie Cresta aus Distrikt 4. Das überraschte mich nicht sonderlich, da Distrikt 4 der Fischer Distrikt ist, was Annie zur besten Schwimmerin der damaligen Spiele machte. Was heute aus ihr geworden ist, weiß ich nicht wirklich, ab und zu unterhalten sich Leute aus meiner Schule über sie. Angeblich soll sie verrückt geworden sein, aber was von diesen Gerüchten stimmt weiß ich nicht. Außerdem interessiert es mich nicht wirklich.
Mein Vater sieht mich erwartungsvoll an. "Klar Vater, du weißt doch, was Messer betrifft, bin ich unschlagbar.", sage ich siegessicher und setze ein selbstbewusstes Grinsen auf. "Gut so Clove", lobt mich meine Mutter und fängt an mir irgendwelche Ratschläge zu geben, denen ich nichts abgewinnen kann. Nach ungefähr drei Minuten betritt der Friedenswächter wieder den Raum und bittet meine Eltern nach draußen.
Außer ihnen kommt niemand mehr, das wundert mich jedoch nicht, da Freunde finden nie eine besonders große Stärke von mir war. Durch das ganze Training blieb sowieso kaum Zeit für solche unwichtigen Sachen. Jetzt sitze ich hier, im Gerichtsgebäude, in irgendeinem der unzähligen Räume auf einem schwarzen Ledersofa und langweile mich schrecklich. Ich frage mich, von wem Cato wohl alles besucht wird. Viele Mädchen sind in ihn verliebt, vermutlich werden einige von ihnen bei ihm erscheinen und ihn mit Blumen und Geschenken überhäufen. Eifersucht breitet sich rasend schnell in mir aus und ich habe das Bedürfnis, alles was nicht niet und nagelfest ist zu zerstören. Ruhig bleiben Clove, schießt es mir durch den Kopf.
Da mir keine sinnvollere Beschäftigung einfällt, stelle ich mir die anderen Tribute bildlich vor, auch wenn sie mir im Grunde egal sind. Das Mädchen aus eins wird höchstwahrscheinlich blonde Haare haben, fast wie jedes Jahr. Alle Leute aus Distrikt eins sehen wie folgt aus. Frauen haben blonde, meist lange Haare, einen hellen Teint und grüne oder blaue Augen. Distrikt eins, zuständig für Luxusgüter. Die meisten Tribute aus Distrikt drei kennen sich ziemlich gut mit Technologie aus. Distrikt vier gehört ebenso wie eins und zwei zu den Karriere Distrikten, Distrikt fünf kümmert sich um die Energieversorgung Panems. Gerade als ich dabei bin, mir die weibliche Tributin aus Distrikt fünf vorzustellen, öffnet sich die Tür erneut und ich werde von der Betreuerin nach draußen gebeten. Neben ihr steht Cato, der bereits ungeduldig darauf wartet, dass wir endlich zum Bahnhof gehen können.
Das ist immer so. Die Tribute werden morgens ausgewählt, bis zum Abend am gleichen Tag ins Gerichtsgebäude gebracht, damit Familie und Freunde sich verabschieden können und anschließen von ihren Betreuern zum Bahnhof begleitet. Dort wartet einer der vielen Schnellzüge, die direkt ins Kapitol fahren und dabei alle Distrikte Panems durchqueren. Ich war noch nie an einem Bahnhof. Cato offenbar auch nicht, denn sein Blick wandert ehrfürchtig von links nach rechts. "Einsteigen bitte", lächelt die Betreuerin, deren Namen ich immer noch nicht kenne. Cato lässt mir den Vortritt, somit betrete ich das Zugabteil als erste und schaue mich, überrascht von all den neuen Eindrücken, um.
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Cato und Clove - Tödliche Liebe
FanfictionClove Kentwell ist fünfzehn, als sie sich dazu entscheidet, sich für die 74. alljährlichen Hunger Spiele zu melden. Anfangs freut sie sich auf die Spiele und vorallem darauf, endlich allen zu zeigen, wer sie ist und was sie kann. Das alles ändert si...