Among us.

28. Januar. 2044

Sein Kopf lehnte an der Wand des herauffahrenden Aufzugs. Mit geschlossenen Augen versuchte er innerhalb weniger Sekunden den Schlaf der letzten zwei Nächte nachzuholen.

Oft verbrachte er die von vielen Menschen verachteten dunklen Stunden mit Arbeiten. Wenn der angehende Neurochirurg nicht im Nachtdienst war, beschäftigte er sich in dieser Zeit mit Operationsvideos um später einen möglichst guten Job auszuführen.
Im ersten Ausbildungsjahr war es den Azubis jedoch nicht möglich mit im OPsaal zu assistieren.

Das 'Ding' des Fahrstuhls riss ihm aus seinem Sekundenschlaf. Etage 3.
Wieder voll dabei ging er zielstrebig über den Gang.
"Kangsoo!" rief Taeyong. Dies war sein engster Kumpel.
"TY!" brüllte Dieser mit einem breiten grinsen im Gesicht zurück.

Die beiden lernten sich bereits im Studium kennen. Direkt nach dem ersten Tag haben sie sich super verstanden. Jetzt arbeiteten die Männer sogar zusammen.

"Seid still, ihr belästigt die Patienten." Dr. Smith, ein Arzt in dem in Atlanta Stationierten Krankenhaus gab Kangsoo einen Klaps auf den Hinterkopf.
"Entschuldigung." verneigten die beiden sich zeitgleich.

"Yo T, wir haben einige Ebolapatienten bekommen, da wir denen das Gegenmittel verabreichen sollen." fuhr sein Kumpel fort. "Ich darf heute mit ins Zimmer." Kangsoo hüpfte vor Freude.
"Sind wir nicht auch das Krankenhaus was am weitesten mit den Forschungen für ein Heilmittel ist?" Taeyong hatte sich vor etwa einem Monat weiße Haare gefärbt. Schon längst ist der Ansatz rausgewachsen, leider fehlt ihm aber die Zeit um Nachfärben zu gehen.
"Taeyong Lee, los geht's." es war Dr. Waibel, sein Mentor. Schnell verabschiedete der mit den weißen Haaren sich von seinem Kumpel, griff Zettel und Stift und lief dem Arzt hinterher.

"Wir gehen jetzt zuerst den Zustand von Patient Rick Grimes überprüfen. Seit dem er aus dem Koma erwacht ist, erzählt er ständig von einer Zombie-Apokalypse die er durchlebt hab. Wir werden ihn bald in die Psychiatrie überschreiben, wenn es nicht besser wird." Dann öffnete der Neurochirurg die Tür zum Zimmer.
"Guten Tag Mr. Grimes." begrüßte der Azubi den Patient.
"Ihr werdet schon sehen. Es wird passieren. Ich habe alles verloren. Meidet Städte und vertraut niemandem."

"Mr. Grimes das war ihre Komawelt. Bitte folgen Sie mit Ihren Augen meinem Finger."
Dr. Waibel wusste was er tat. Er hatte viel Erfahrung im Job. Taeyong lernte viel von ihm, auch wenn der Arzt nicht wirklich offen wirkte.

Dann hob der ausgebildete Neurochirurg seine Hand, dies tat er immer um seinem Azubis mitzuteilen, folgendes eventuell aufzuschreiben. "Status des Patienten ist stabil. Keine weiteren Schäden im Hirn festzustellen. CT Trotzdem vorgeschlagen. Patient wird in eine Rehabilitationsklinik übergeschrieben. Falls Erzählungen nicht besser werden, wird Patient in die Psychiatrische-abteilung verlegt."
Versuchend, jedes einzelne Wort seines Mentors aufzuschreiben, stand Taeyong im Raum. Gerade als er den Kuli vom Blatt hob, spürte er den Blick des Arztes auf seinem Papier. Dessen Finger fand sich wenige Sekunden später auf dem Zettel wieder.
"Was steht hier?"
"CT vorgeschlagen."
"Dann sei doch so gut und bereite den CT vor." Manchmal war Dr. Waibel ein richtiges Arschloch.
"Ja sir." Taeyong verabschiedete sich vom Patienten und verließ das Zimmer. Die CT scans befanden sich eine Etage unter ihm. Wieder führte sein Weg an der Rezeption vorbei, wo er vor ein paar Minuten noch mit Kangsoo redete. Dieser war jedoch nicht mehr dort aufzufinden.

CT war der erste Begriff, den er im 'Arzt-latein' lernte.
Computertomographie wird benutzt um in den menschlichen Körper zu schauen im Sinne eines Querschnittes. Der Mensch befindet sich in einer Röntgenröhre, welche eher ringförmig ist, die den Patienten umkreist. Dadurch werden dünneste Röntgenstrahlen ausgesetzt. Jeder Körperabschnitt kann beliebig gescannt werden. Dabei muss der Patient möglichst ruhig und entspannt sein. Manchmal ist es nötig, dem Menschen 50 - 150 ml Kontrastmittel zu spritzen um ein deutliches Blutbild zu haben.
Der Patient wird in die ca. 70 cm Breite Gantry gefahren, meist in Rückenlage...

"Taeyong? Du bist überall aber nicht hier." Auch Dr. Waibel war hier mit dem Patienten angekommen. "Verschwinde nicht in Tagträumen." Meinte der mentor.
"CT starten."

Die Computertomographiebilder wurden im nebenraum zuerst von dem behandelnden Arzt und dessen Azubis ausgewertet.
"Taeyong. Was siehst du?" fragte Waibel.
Der Auszubildende setzte seine Brille auf und betrachtete den Querschnitt des Gehirns. Oft hatte er privat nach CT bildern geschaut um schneller und besser die Symptome zu erkennen. Doch hierfür brauchte er länger.
"Nichts." sagte er entschlossen.
"Genau. Kümmere dich bitte um die Verlegung des Patientens. "

Wieder müsste er zur Stationsrezeption um dort die Papiere für eine Verlegung zu beantragen. Taeyong verließ den CT Raum und zwei Ärzte rannten direkt an ihm vorbei. Kurz schreckte er auf, ließ sich jedoch nicht beirren.
Selbstbewusst und mit einem Lächeln drückte der 27 Jährige auf den Fahrstuhlknopf. Während des Wartens ruhten seine Hände in den Kitteltaschen.
'Wo bleibt der Fahrstuhl?'
Nochmal drückte er den Knopf. Nach kürzerem warten, kam noch immer keine Reaktion. Die Tür für den Treppenaufgang war direkt neben den Fahrstühlen.
Er zog die schwere Tür zu sich und stieg die Stufen bis zur dritten Etage auf.

"Entschuldigen Sie mich bitte." drung Taeyong sich durch die Massen auf dem Gang. Er hatte keine Ahnung was hier los war.
"Oh Gott er isst ihn!"
Was?
Langsam kam er durch den Menschenauflauf. Als er ganz vorne,  an der Rezeption stand, fehlten ihm die Worte.

Ein Mann, mit eindeutig zu hohem Fieber, teilweise wahrscheinlich so hoch, dass ihm einige Hautstellen weggebrüht waren, hockte, dem Anschein nach, auf einem Mitarbeiter im Schutzanzug und zerkratzte dessen Torso. Oder das, was davon noch übrig war. Die Menschen hinter dem angehenden Neurochirurg begannen von dem Vorfall wegzurennen.
Anstatt, dass auch Taeyong rennt, starrte er einfach.

Er brauchte einige Sekunden um aus der schockstarre zu kommen. Dann näherte er sich zwei Schritte. Von hier aus sah Taeyong das Gesicht des Opfers.
Sofort überkam ihn Wut und Trauer zu gleich. Die Welt drehte sich ohne ihn. Er glaubte zu schwanken, jedoch bewegte er sich keinen Centimeter.
Hinter ihm rannten Patienten, Krankenschwestern und wahrscheinlich auch Ärzte. Doch vor ihm wurde ein Mann, ein Freund, gegessen.

Kangsoo

Reflexartig griff Taeyong nach dem Telefon auf dem Rezeptionspult und rammte es dem Mörder seitlich gegen den Kopf. Dieser fiel vom Opfer. Geschockt floss gefühlt sein gesamtes Blut in seine Beine auf denen der koreaner zusammenklappte. Seine Hände fanden Platz auf Kangsoo's Brust. Er begann zu weinen.
"Kangsoo." sagte er leise.
"Kangsoo!" etwas lauter war nun die Verzweiflung in der Stimme zu hören.
"Taeyong!" brüllte eine vertraute Stimme. Zwei männliche Arme umklammerten den 27 jährigen und zogen ihn von der Leiche weg. Waibel war hergekommen. Hinter ihm, drei bewaffnete Polizisten.
"Er hat Kangsoo getötet!" Als Taeyong dies in den Armen des Mentors brüllte, hingen ihm bereits die einzelnen Fäden des Speichels aus dem Mund. Nie war er mehr verloren. Einer der Polizisten schoß dem Mörder mehrmals an.
"Hör mir zu. Hör mir zu ok? Ich erkläre dir alles später. Er konnte nicht denken. Taeyong, es tut mir leid ich wusste nicht, dass es so ausarten würde. Wir müssen aus dem Gebäude."

"Kangsoo!"