What if we...

Die Pizzabestechung

Während ich immer mal, natürlich ganz unauffällig, versuchte, eine Nase voll seines Duftes zu atmen, liefen wir zurück zu den anderen, die schon wieder mit lauten Stimmen Flaschendrehen spielten.

,,Lust, eine Runde Flaschendrehen zu spielen?", fragte die Stimme neben mir und ich rollte mit den Augen.
,,Ernsthaft? Flaschendrehen ist wohl eines der schlimmsten Spiele der Weltgeschichte. Küssen und hoffen und dann wirst du nicht mal wirklich belohnt." Ich hatte amüsiert einen Mundwinkel hochgezogen und fuhr mir durch die Haare.
,,Klingt ja schrecklich, aber wir spielen es ein bisschen anders. Eine Person entscheidet, was die beiden dann machen müssen.", erklärte er schelmisch.
,,Reizend, aber nein.", sagte ich und blinzelte zwei Mal.

Ich bemerkte, wie ich  während des Telefonats immer weiter weg gegangen war und auch, dass wir noch ein wenig laufen mussten.

,,Und was musstest du schon machen?", fragte ich und der Fremde steckte seine Hände in die Hosentaschen, was ziemlich süß ausgesehen hätte, hätte ich ihn nicht beobachtet. Ich fühlte mich peinlich berührt, weil eine attraktive Person neben mir stand und aussah wie ein verdammter Hollywoodstar.
,,Noch nichts, außer für fünf Minuten mit einem der Mädchen kurz hinter den Busch zu gehen.", sagte er.
,,Du sagst es, als wäre nichts dabei.", empörte ich mich.
,,Ist es ja auch nicht, ich hab ja nichts gemacht. Aber bei dir...", Seine Augen funkelten.

,,Komm schon, bei mir wäre es das gleiche. Du machst Menschen Hoffnung und dann zerstörst du sie, das ist es, was Jungs wie dich ausmacht.", sagte ich, hatte aber dennoch einen Kloß im Hals.

Darauf erwiderte er nichts und das gab mir Recht.

,,Das ist Spaß.", machte er und ich sah rot.
Ich blieb stehen und er drehte sich zu mir um. Mit fragendem Blick, Händen in den Hosentaschen und wirrem Haar stand er in voller Größe da. Mein Nacken tat weh, so enorm groß war er und ich machte einen Schritt zurück.

,,Für sie nicht! Die Mädchen haben Herzen, wie du auch eins hast! Wie kannst du so über Personen reden, die Gefühle haben? Du hast vielleicht einige von ihnen gebrochen und dich kümmert es nicht einen Dreck? Ich kann nicht verstehen, wie dich Mädchen noch gut finden können.", warf ich ihm vor, schmiss ihm seine Jacke vor die Brust und stampfte an ihm vorbei.

So ein selbstgefälliges Arschloch, dachte ich und ging weiter auf die anderen zu, als ich erneut die Jacke an meinem Rücken fühlte.
Ich merkte, wie ich fröstelte, weshalb ich ausnahmsweise hinein schlüpfte und erleichtert seufzte, als die Wärme mich umhüllte.

,,Hör zu, es tut mir leid, aber so bin ich nun mal. Ich hatte eben noch kein Mädchen, das mich begeistert hat. Alle Einmachgläser, wie Monica.", sagte er und lächelte schief. Monica war also Taylers Freundin.

Ich sagte nichts und ging weiter Richtung Lagerfeuer. Ich hatte keine Ahnung, ob das Feuer angemessen angezündet war, aber das interessierte mich nicht. Ich wollte schon wieder zum Anwesen gehen, da rannte mir Josi entgegen. Kurz vor mir blieb sie stehen und rutschte fast aus, aber ich fing sie noch auf.

,,Run, Forest, run!", sagte ich leise und Josi lachte keuchend.
,,Du solltest dich lieber in Acht nehmen, ich kann in High Heels rennen, das ist äußerst gefährlich.", bemerkte sie noch schnaufend und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.

,,Ich fürchte deine Killerfüße jetzt schon, aber hätte ich dich nicht aufgefangen, sähe es ein bisschen unglamoröser aus.", grinste ich und Josi knuffte mich leicht in die Seite.

,,An deiner Stelle würde ich nicht die große Klappe haben! Du knickst barfuß im Stehen um!", rief sie und wir kicherten beide los.

,,Aber jetzt zeig mir schon den Hünen mit der Jacke!", forderte sie mich auf, als sie wieder zu Atem gekommen war.
,,Tadaa! La Jacke!", spottete ich und lief einen imaginären Katwalk entlang, poste kurz vor ihr, drehte noch einmal um und fiel fast hin, hätte mich niemand aufgefangen.

Er stellte mich wieder auf meine Füße und Josi kam sofort angedackelt.
,,Danke!", flüsterte ich schnell, bevor sie uns erreicht hatte und der selbe Fremde, der mir die Jacke gegeben hatte, stand vor mir.
Er schmunzelte nur und nickte.

,,Na du hast es ja heute mit den Kerlen, Schwesterherz! Liegt alles an meinen Make-up Künsten!", behauptete sie und stemmte ihre Hände in die dünne Hüfte.
,,Nur schade, dass nicht Ryan Gossling an mir Interesse zeigt.", witzelte ich und streckte ihr die Zunge raus.
,,Mit ein bisschen Vorstellungskraft kannst du ihn dir in den heißen Feger vor mir rein interpretieren." Sie streckte mir ebenfalls die Zunge raus.
,,Und wie heißt der Kerl?", fragte sie und grinste mich schelmisch an. Ich zuckte mit den Schultern.
,,Noah.", sagte er knapp und Josis Augen funkelten. Ein neues Opfer?
,,Du wusstest es nicht? War wohl keine Zeit, hmm?", wendete sie sich an mich und zwinkerte. Ich wurde rot.

,,Und du? Keinen Gefallen an der reichen Gesellschaft gefunden?", fragte ich und grinste sie mit blitzenden Zähnen an.
,,Na ja, nicht wirklich. Aber ich denke, deren Büchersammlung hätte dich angeturnt.", gab sie zurück und ich wurde ein bisschen verlegen, weil Noah hinter mir stand und alles hörte, was wir sagten.
,,Ich lese ja nicht nur...", sagte ich und Josi wieherte los, wie ein Pferd.
,,Du liest während allem, was du tust, aber du hast Recht. Pizza essen kannst du mindestens genauso gut." Ich versuchte ihr deutlich zu machen, dass es mir peinlich war, vor Noah darüber zu reden, aber sie wedelte es nur mit ihrer Hand weg.
,,Tu nicht so bescheiden, du liest gerade mindestens fünf Bücher gleichzeitig.", machte sie und ich zog meine Nase kraus.
,,Was liest du denn?", fragte Noah mich und ich drehte mich zu ihm um.
Das hatte mich noch nie jemand gefragt und mit Freuden legte ich los.
,,Das englische Buch meines liebsten Romanes Das Schicksal ist ein mieser Verräter, einen Stadtführer von New York, die Biographie von Morgan Freeman, ein Buch mit dem Namen: Flugschiffe von A bis Z und ein Buch über den Mauerfall in Deutschland.", gab ich bekannt und Noah nickte nur. Was sollte das bedeuten? War es nicht genug?
,,Wie findest du das Ende bei Das Schicksal ist ein mieser Verräter?"
,,Ich fand es schade, dass Gus gestorben ist, gerade weil er eine unglaublich sympathische und attraktive Persönlichkeit hatte, und bei ihr erfährt man es im Buch ja nicht wirklich, aber es war logisch, dass sie die nächste ist, denn die Liebe ist mit ihnen gestorben, aber ich bin ebenfalls ein Verfechter des Happy Ends, weshalb ich ein bisschen zwiegespalten bin. Und deshalb liebe ich das Buch, weil es mich neu denken lässt und alles verändert." Ich lächelte kurz, als ich fertig war und er grinste schief.
,,Ich mochte das Buch auch. Sie erinnert mich ein bisschen an dich."
,,Du hast es gelesen?", entzückte ich mich und dachte erst jetzt über das Kompliment nach. Er nickte.
Während ich im Stillen darüber nachdachte, wie ich es finden sollte, dass er das Buch gelesen hatte, rief ein Junge der Gruppe zu uns herüber: ,,Wir spielen noch eine Runde Flaschendrehen, noch jemand Lust, mitzuspielen?"

Josi, die das ganze mit angehört hatte, wurde wieder wach.
,,Auf jeden Fall, aber nur, wenn noch Punsch da ist."
Ich wusste, sie meinte das mit dem Punsch nicht wirklich, aber man konnte ein paar Leute lachen hören und Josi strich sich zufrieden über ihr Kleid.

Ich hingegen arbeitete daran, mich leise und unauffällig zu entfernen, hätte Josi nicht nach meiner Hand gegriffen.
,,Oh nein, junge Dame! Du brauchst ein bisschen Spaß im Leben, du kommst jetzt mit!", bestimmte sie und zog mich mit. Aber ich wehrte mich.
,,Ich will aber nicht!", maulte ich und stemmte meine Haken in den Boden.
,,Du wirst aber! Du brauchst das! Du kannst nicht einfach dein Leben verlesen!"
,,Nenne mir einen guten Grund, mit dir mitzukommen, der mich überzeugt!", verlangte ich patzig und reckte mein Kinn in die Höhe.
,,Du darfst vielleicht mit mir hinter den Busch.", bot Noah mir an und ich lächelte zuckersüß.
,,Eher würde ich mit Monica allein in einen dunklen Raum."
,,Ich bestell dir gleich ne Pizza, wenn du mitspielst." Jetzt sprachen sie meine Sprache.
,,Aber ich wollte mir die Bücher ansehen...", startete ich einen letzten Protestversuch.
,,Saftige, Käsepizza mir dickem Rand.", fing Josi an und das Wasser im Mund lief mir zusammen.
,,Komm schon, ich geh mit dir noch mal nachher."
,,Versprochen?", fragte ich vorsichtig und sah Noah schmunzeln, während das Licht des Feuers auf sein Gesicht schien.
,,Versprochen!", sagte sie bestimmt und ich ging freiwillig mit ihr mit.