Ich rannte. Ich wusste nicht wohin oder warum. Nur dieser eine Gedanke schwirrte in meinem Kopf: „Lauf, lauf soweit du kannst." Es hatte zwar keinen Sinn, doch konnte ich nicht aufhören zu rennen. Es war, als hätte sich dieser Gedanke in mir festgesetzt. So rannte ich ohne Ziel und ohne Grund immer weiter und immer schneller durch die Straßen und engen Gassen Londons. Ihre hohen Mauern wirkten auf mich vollkommen undurchlässig und schienen sich bedrohlich über mir aufzubäumen und kein Sternenlicht oder das des Mondes hindurch zu lassen. So lief ich weiter, nur angetrieben von diesem einen Gedanken und doch nicht fähig aufzuhören. Die Luft war stickig. Ich fühlte mich in den Mauern gefangen wie in einem riesigen Käfig. Ich konnte nicht mehr, aber der Gedanke war erbarmungslos, er ließ mich nicht anhalten und zwang mich unter qualvollen Schmerzen weiter zu laufen. Als würde mich ein Teil dazu zwingen und mich befehligen. Dabei wusste ich nicht einmal, ob er überhaupt ein Teil von mir war. Ich konnte meinen Körper nicht spüren, als hätte sich eine zweite Seele in mich hineingedrängt und wollte mich beherrschen und nie mehr loslassen. Sie spornte mich immer weiter an. Dieser eine Gedanke von dem ich so abhängig war, wie ein Wanderer, der tagelang durch die Wüste geirrt war, von einem kleinen Schluck Wasser. Es war grauenvoll. Als mir immer mehr bewusst wurde, dass ich kein Ziel hatte, versuchte ich dagegen anzukämpfen. Verzweifelt hielt ich mir den dröhnenden Kopf und versuchte diesen einen Satz, diesen Ansporn, aus mir heraus zu quetschen. Das Ankämpfen schien nichts zu bringen, jedoch gab ich nicht auf. Ich ließ mich nicht unterkriegen. Und so spürte ich langsam wie der Gedanke schwächer wurde, wie ein Gegner im Kampf, der sich ergab. Ich war so gewöhnt daran, dass meine Beine sich von alleine bewegten und mich trugen, dass ich mit voller Wucht auf den Boden prallte, als ich sie wieder spürte. Ich war am Ende der Gasse und ihren großen, dunklen Mauern fast entkommen. Mühsam schob ich mich die letzten Meter nach vorne. Kaum war ich am Ende der Gasse angekommen spürte ich, wie die kalte Nachtluft mir ins Gesicht peitschte. Endlich konnte ich die Sterne sehen und Mondlicht schien mir ins Gesicht. Ich fühlte mich wie erlöst, jedoch kam mit dem Gefühl in meinen Beinen auch ein unerträglicher Schmerz. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich an meiner Hüfte eine tiefe Wunde befand. Plötzlich nahm ich ein sonderbares Geräusch war. Es hörte sich an wie zwitschernde Vögel, im Hintergrund das Rauschen des Regenwaldes und das Plätschern eines Wasserfalls. Voll Verwirrung stellte ich fest, dass dieses Geräusch aus meinem Handy kam. Die Nummer: ‚unbekannt'. Mit zitternden Fingern nahm ich ab. „Hallo?", wisperte ich ins Telefon. „Wo bleibst du?", fragte eine Stimme, die mir aus irgendeinem Grund bekannt vorkam, jedoch in der Art in der sie mit mir sprach fremd war. Als ich nichts erwiderte hörte ich die Stimme sagen: „Beeil dich!" Daraufhin das Tuten eines aufgelegten Hörers. Es drang in meinen Kopf wie ein scharfer Dolch, den eine Hand hemmungslos und kalt in ihn hinein gestochen hatte. Das unerträgliche Tuten hallte noch weiter in meinem Kopf, als ich mich mühsam an einem hell erleuchteten Laternenpfahl hochzog, der am Ende der Gasse in den schwarzen Himmel ragte. Als ich endlich stand ging ich automatisch nach rechts, als hätte ich ein Ziel, das ich nicht kannte. Es schien als wüsste ein Teil von mir genau wohin ich gehen sollte. So setzte ich meinen Weg fort. Schon nach den ersten Metern wurde mir wieder schwindelig. Da nahm ich ein gedämpftes Licht war. Es kam aus der Richtung meiner Handgelenke, welche, wie ich nun bemerkte, hell glühten. Bevor ich herausfinden konnte wieso, wurde alles um mich herum schwarz. Ich sah nur noch das weiße Licht und spürte wie mein Kopf hart auf dem Boden aufschlug.
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Seelenwandler
FantezieDie 16-jährige Cyra Brown lebt zusammen mit ihrem Vater, der als Polizist tätig ist, in einem gewöhnlichen Apartment in London. Sie fällt in der Schule nicht besonders auf und auch sonst ist ihr Leben relativ normal, abgesehen davon, dass sie ihren...