Hätte ich ihm einfach wie einem ganz normalen Menschen in die Augen blicken sollen? Hätte das dann irgendetwas an meinem Schicksal verändert?
Wie auch immer. Man kann die Vergangenheit schließlich nicht umkehren. Ich konnte nie verhindern, das ich mal mehr als nur Freundschaft für ihn empfinden würde.
Und das alles zeigt, wie viel ein Blick. Nur ein einziger Blick, wert sein kann.
Ich lag noch auf dem Boden, hielt seine Hand aber noch immer fest in meiner. Ich dachte nicht einmal daran, mich von ihm hochziehen zu lassen. Alles woran ich denken konnte war sein Gesicht. Ich schaute ihm nicht nur in die Augen, ich starrte regelrecht. Doch dieses Starren war keinesfalls peinlich. Denn er tat es genauso. Wir schauten uns also eine gefühlte Ewigkeit einfach nur an. Ich weiß bis heute nicht, was er gedacht hatte. Aber ich fühlte damals, während ich ihm so tief und hypnotisiert in die Augen blickte, das von diesem Moment an irgendwie alles gut werden würde.
In diesem Moment, wo wir uns so vertieft beobachtet hatten, schien nicht nur die Zeit, sondern auch alles böse, alles verängstigende und all die Negativen Gedanken, die meinen Kopf tagtäglich heimsuchten, wie eingefroren. Ich weiß. Das mag verrückt klingen, aber in diesem und nur diesem Moment, war ich der glücklichste Mensch auf Erden. Weil ich das Gefühl hatte, endlich jemanden gefunden zu haben, der die selben Gedanken wie ich denkt. Jedenfalls dachte ich so, als ich sein Gesicht, seine dunklen Geheimnisvollen Augen betrachtete. Ich dachte, ihm in die Seele schauen zu können. Komisch, nicht wahr?
Doch leider hielt dieser Moment nicht für immer an und mit einem leicht gerötetem Gesicht, zog er mich letzten endlich hoch. Ich räusperte mich leicht und entschuldigte mich noch einmal bei ihm. Es war so seltsam. Ich wollte mich ihm unbedingt vorstellen. Ich wollte mich mit ihm verabreden, um mehr über ihn und seine Denkweise herauszufinden. Doch irgendetwas hinderte mich daran. War es noch der Schock wegen meiner Mutter, das ich kein Wort herausbrachte, oder war es nur weil ich viel zu schüchtern und nervös war?
Ich hatte damals meine Chance verpasst. Denn alles was er tat war, sich erneut zu entschuldigen, seine schwarze Tasche, die ihm bei dem Zusammenprall aus der Hand gefallen war, aufzuheben um schließlich zu gehen. Ja, er ging und ließ mich hier allein. Na klar, warum hätte ich es ihm damals übel nehmen sollen? Er war ja nur ein Fremder.
Ich schaute ihm zu, wie er langsam ohne noch einmal zurückzuschauen um die Ecke ging. Traurig und enttäuscht von mir selbst blickte ich auf den Boden und versuchte, die aufkommenden Tränen zu verdrängen. In diesem Moment war mir nämlich aufgefallen, wie sehr mein Leben gerade den Bach runter ging. Zuerst die Sache mit meiner Mutter und jetzt hatte ich auch noch meine einzige Chance, einen Seelenverwandten kennen zu lernen, verschwendet.
Gerade als ich meinen Weg zur Bar fortsetzten wollte, sah ich wie etwas glänzendes auf dem Boden lag. Beim ersten Blick dachte ich, es wäre eine Glasscherbe, an der das Licht wiedergespiegelt wurde. Doch bei genauerem hinsehen, erkannte ich, was da lag. Es war ein kleiner Anhänger, den man bei einer besonderen Buch Vorlesung in der Bibliothek, die sich in der Innenstadt befand, bekommen hatte. Woher ich das wusste? Ich hatte den selben.
Die Eintrittskarte für die Vorlesung hatte ich von meiner Mutter zum 16. Geburtstag geschenkt bekommen. Also damals war es ungefähr 1 Jahr lang her gewesen.
Mein Erster Gedanke, als ich den Anhänger gesehen hatte, war das ich meinen hier vielleicht mal verloren hatte. Doch da ich meinen erst vorhin in meinem Zimmer gesehen hatte, konnte das nicht der Wahrheit entsprechen. Also beschloss ich, ihn aufzuheben und zu behalten. Der Gedanke, das der Besitzer ihn vielleicht hätte suchen wollen kam mir dabei nicht in den Sinn.
Nachdem ich ihn noch kurz betrachtet hatte, lief ich weiter in Richtung Bar, die anscheinend voll war, was man schon von meinem Standpunkt aus sehen konnte.
Als ich mich dann an den Türstehern vorbei geschlichen hatte, lief ich direkt zum Tresen und bestellte mir einen Cocktail. Zum Glück fragte die Barkeeperin nicht nach meinem Ausweis. Damals war ich schließlich 17 und somit rechtlich gesehen noch nicht in der Bar zugelassen.
An das, was danach passiert war, kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich hatte wohl ein oder zwei drinks zu viel getrunken, denn ich wachte in einem mir unbekannten Raum auf.
Sonnenlicht schien mir ins Gesicht und angestrengt rieb ich mir die Augen. Na toll. Ich hatte einen Kater. Als ich etwas zu Sinnen gekommen war, sah ich mich in dem Zimmer, in dem ich aufgewacht war, um. Ich lag auf einer großen Ledercouch, die vor einem Kamin stand. Die wände des Raums waren in einem kalten grau gestrichen und generell sah das Zimmer nicht wirklich gemütlich aus.
"Oh, Sie sind aufgewacht." Eine Stimme erschreckte mich und schnell drehte mich in die Richtung, aus der die Person kam.
Selbstverständlich könnte man diese Geschichte auch leicht als Lüge abstempeln, doch vor mir stand niemand anderes als der Junge von vorhin. Oder war es gestern? Das wusste ich in diesem Moment nicht ganz. Ich hatte eindeutig zu viel Alkohol getrunken.
Dort stand er also. Und verpasste mir wieder so ein undefinierbares Gefühl. Er blickte mich an und verzog diesmal allerdings keine Miene. "Wieso machen Sie sowas?" fragte er und er schien schon fast zu schreien. Stotternd antwortete ich: "I- Ich weiß nicht genau was Sie meinen. Was habe ich getan?"
Er lachte kurz abwertend auf, was mir einen kleinen Schlag ins Herz verpasste. "Was Sie getan haben? Sie haben sich vollkommen betrunken, meinen Anhänger geklaut und wären fast erfroren. DAS haben Sie gemacht." Wieder blickte er mir in die Augen, jedoch war es ein anderes Gefühl. Sein Blick war kalt und schien emotionslos.
"E-es t..tut mir leid, aber ich kann mich an nichts anderes als an den Anhänger erinnern." Antwortete ich, während ich meine Augen auf den Boden gerichtet hatte.
"Natürlich können Sie das nicht. Sie waren ja voll betrunken." Seine Stimme wurde wieder angenehmer und auf seinen Lippen konnte man ein kleines lächeln erkennen. Er machte ein paar Schritte auf mich zu und setzte sich vor mich auf einen Ledersessel. "Mein Name ist Min yoongi." sagte er nun und streckte mir erneut seine Hand hin. Wie schon einmal. Schnell, damit ich es mir nicht zweimal überlegen konnte, ergriff ich seine raue Hand. "Ich bin Jeon Jungkook. Schön Sie kennen zu lernen." Lächelnd ließ er meine Hand los und gab mir ein Glas Wasser, das er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. Dankend nickte ich ihm zu und nahm einen großen Schluck.
"Warum haben Sie-" fing ich an, wurde jedoch von ihm unterbrochen. "Wir können uns ruhig duzen. Wir müssten eigentlich gleich alt sein." Nickend und mit einem lächeln fuhr ich meinen Satz fort: "Warum hast du mir geholfen? Oder wieso bist du überhaupt zurückgekommen?" Als ich das gesagt hatte, hatte ich tatsächlich etwas Hoffnung, das er zurückgekommen war, um sich doch noch mit mir zu unterhalten, was allerdings nicht der Wahrheit entsprach. "Wegen meinem Anhänger." Sagte er und hielt ihn hoch. "Ich hab gemerkt, das er nicht mehr an meiner Tasche hängt. Also bin ich umgekehrt um ihn zu suchen. Dort hab ich dich dann liegen sehen."
Ich nickte und bedankte mich bei ihm, das er mich mit zu ihm genommen hatte und mir geholfen hatte.
Dann unterhielten wir uns noch eine Weile und ich fand heraus, das er wie ich damals, 17 Jahre alt war und mit seinen Eltern nur wenige Meter von meinem Haus wegwohnte, den Anhänger hatte er genau bei der selben Vorlesung bekommen und er wurde wie ich zuhause unterrichtet.
Als ich an diesem Tag nach Hause ging, fühlte ich mich einfach gut. Was nicht wirklich häufig in meinem Leben vorkam. Wir hatten Handynummern ausgetauscht und uns eine Weile unterhalten. Genau das, was ich wollte. Denn von nun an, so dachte ich, können wir Freunde werden. Und somit wäre er mein erster Kumpel-Freund.
Ich hätte ja nie ahnen können, das ich mich bei der Sache mit dem befreundet sein komplett geirrt hatte.
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4 o'clock [Yoonkook/Jikook]
Fanfic"Es war immer genau 4 Uhr wenn er, komplett schwarz gekleidet auf den Bus wartete. Er aß immer ein Brötchen belegt mit Salami, etwas Salat und Tomaten. Jeden Tag trug er die selbe Tasche, mit dem exakt gleichen Anhänger den ich auch besaß, mit s...