Die junge Frau schaute sich ein letztes mal um. Ihre Hände strichen noch ein letztes mal über die alte Fensterbank. Ein letztes mal schaute sie durch das alte verstaubte Fenster genau in das Schlafzimmer ihrer Nachbarn. So viel hatte sie dadurch schon gesehen, was sie nie hätte sehen wollen. Nur bei dem Gedanken bekam sie eine unangenehme Gänsehaut und ihr wurde leicht schlecht.
Schnell drehte sie sich um und ging in die Küche. Sie erinnerte sich an die Mehlschlachten, die hoffnungslosen Backversuchen, den gescheiterten Kochversuchen...bei dem Gedanken schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie war noch nie besonders gut im Kochen gewesen und so wie es aussieht würde sie es auch nicht werden. Sie hatte die unterschiedlichsten Kochkurse besucht, sie hat versucht es bei Freunden und Verwandten zu lernen, sie hat sich Kochshows angesehen, Rezepte aus dem Internet gesucht....einfach alles, doch alles hatte das gleiche Ergebnis. Menschen die fluchten, sich die Hände über dem Kopf zusammenschlugen und einfach aufgaben. "Hoffnungsloser Fall", nannten sie, sie dann immer.
Sie ging in das alte Büro, wo sie sooft solange an dem Schreibtisch gesessen hat und gearbeitet hat. Manchmal bis in die Morgenstunden oder manchmal auch einfach nur bis spät in die Nacht.
Ihre High Heels machten die gewohnten Geräusche auf dem kalten Holzboden, doch diesmal hallte es mehr. Morgen würden die restlichen Möbel geholt werden, die dann entweder einen neuen Platz finden werden oder auf dem Sperrmüll ihr neues zu Hause haben werden. Vielleicht könnte sie auch ein paar Sachen spenden. Vielleicht an das Waisenhaus oder an das neueröffnete Gemeinschaftshaus für die Obdachlosen, die sie mit ihrer Firma gegründet und aufgebaut hat. Es würde einen guten Eindruck machen und vielleicht kämen noch ein paar neue Aufträge dazu, außerdem mochte sie das herzliche und echte Lächeln der Leute, wenn sie ihnen half.
Das Lächeln und die Dankbarkeit dieser Leute, natürlich auch der Drang zu helfen und etwas zu verändern, haben sie und ihre besten Freundinnen dazu überredet die Firma zu gründen. Eigentlich war sie sich nicht sicher ob man es Firma nennen konnte. Vielleicht wäre Organisation oder so etwas, ein treffenderer Name, doch Firma machte einen besseren Eindruck. Daher dass sie sich Firma nannten, bekamen sie einen bessere Ruf, ein besseres Ansehen. Das brauchte man einfach in der heutigen Welt, ohne das wären sie gar nicht soweit gekommen. Ohne das wären sie nicht die, die sie heute sind.
Sie würde lügen, wenn sie behauptet das Ansehen und dieses "Im Mittelpunk zu stehen" nicht zu mögen und nicht auszunutzen . Am Anfang war es ihr unangenehm, sie war nie wirklich der Mensch, der im Mittelpunkt stand, doch jetzt war sie anders. Sie ist älter und reifer geworden. Sie weiß sich zu präsentieren und sich zu zeigen. Die Blicke der anderen, die jeden ihrer Schritte verfolgten, machten sie mutig und selbstbewusst. Die junge Frau wusste ja, dass sie noch nichts falsch gemacht hat. Bis jetzt waren es Blicke der Anerkennung und der Dankbarkeit, manchmal auch Bewunderung. Sie fürchtete sich aber vor dem Tag, wo sie eine falsche Entscheidung traf, wo die Menge sie abwertend ansah und viele sie hassten ohne sie zu kennen. Schon bei dem Gedanken wurde sie traurig....
Die Nachbarn im Stock obendrüber schrien sich wieder ein. Sie hörte ein Poltern und ein Klirren, dann wieder Brüllen und das Stampfen, der Füße. Am Anfang hat sie davor immer Angst bekommen, ist nach oben gerannt, um der armen Frau zu helfen. Mit der Zeit verstand sie aber, dass es in jeder Beziehung einen Streit gibt und das man sich meistens wieder verträgt, denn wenn ihr dann die Tür geöffnet worden ist , brannte in den Augen des Paares Leidenschaft, trotz des verwirrten Blickes, den sie bekam, da es für die beiden normal war. Am Ende wusste die junge Frau immer, dass das Paar sich vertragen hat, da das Bett nicht grade leise quietschte und die Nachbarn, wie gesagt, nicht grade leise sind.
Sie ging nochmal in ihr altes Schlafzimmer, wo sie schon so viele Sachen erlebt hatte. Bei dem Gedanken musste sie schon kichern.
"Woran denkst du grade", fragte plötzlich eine raue Stimme an ihrem Ohr. Zwei starke Arme schlingen sich von hinten um sie. Ein wohliger Schauer breitete sich von ihrem Nacken angefangen, über ihren ganzen Körper aus. "An die ganzen Dinge, die in diesem Raum schon passiert sind", flüsterte sie heiser und drehte sich in seinen beschützenden Armen, in denen sie sich so sicher und geborgen fühlte, um. Ihre Hände fanden sich in seinem Nacken wieder.
Sein Blick, der voller Verlangen und Leidenschaft war, fand ihren und wie immer verlor sie sich in dem wunderschönen Blau seiner Augen. Seine dunkel blonden oder hell braunen Haare, darüber hatten sie schon viel zu oft diskutiert, waren hochgestylt. Seine weichen Lippen, die nach Minze schmeckten, fanden ihre. Sein Duft, nach dem altbekannten Männerdeo, umhüllte sie, wie eine Wolke.
Am liebsten würde sie für immer in diesem Moment bleiben. Unter dem alten Holzbogen, der vom Büro ins Schlafzimmer führte. In ihrer alten, nun leergeräumten Wohnung. In diesem Frühlingstag, der den Anfang des Sommers verkündet. Gegenüber von dem große Fenster, von dem man auf einen wunderschönen Park sehen kann, wo die Kinder spielten, die Vögel zwitscherten und die Bäume sich mit dem Wind einen Tanz lieferten, der ewig so weiter gehen könnte.
Atemlos lösten die beiden sich von einander.
"Lass uns nach Hause gehen", meinte er und legte seinen Arm, um ihre Hüfte.
"Schönes Wort", meinte sie lächelnd. "Welches? Zu Hause?", fragte er und kratzte sich am Kinn. "Unser zu Hause", sagte sie und schaute ihn voller Liebe an.
Sie gingen gemeinsam durch die Türe, wo die junge Frau noch vor zwei Jahren ziellos und ahnungslos hinein gestolpert ist. Doch sie hatte sich verändert. Sie wusste jetzt genau was sie wollte und was sie machte.
Sie fühlte sich einfach glücklich.
DU LIEST GERADE
All
Roman pour AdolescentsAlle sagen, dass alles im Leben einen Sinn hat. Alle sagen man würde den Sinn erst im Nachhinein verstehen. Doch was ist, wenn es nur einen Sinn in unserem Leben gibt? Den Sinn warum wir leben und am Leben bleiben? Ohne diesen Sinn macht gar nic...