K A P I T E L I

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PoV: Skylar

„Bist du endlich fertig mit packen?", ruft meine Mutter von unten. Ich rolle nur mit den Augen und werfe mir meine vollbepackte Reisetasche um die Schulter, nehme meinen Koffer und schaue mich noch einmal in meinem Zimmer um. Das letzte mal als es so leer war, war bei unserem Einzug in dieses Haus vor 10 Jahren. Jetzt bin ich 17. Jeder normale 17-jährige Teenager würde sich, wenn er in Amerika lebt total freuen. Tja, ich nicht.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als ich meine Mutter schon wieder von unten meinen Namen rufen höre. „Skylar!"
Oh man, wie oft habe ich ihr schon gesagt, sie soll mich bitte Sky nennen. Ich hasse meinen ganzen Namen. Er ist vielleicht einmalig aber das ist es, was ich so schlimm daran finde.

Nicht gerade freiwillig, schließe ich nun meine "alte" Zimmertür und begebe mich nach unten. Auf dem Weg zu meiner Mutter, komme ich an all den schönen Bildern und Erinnerungen vorbei. Es versetzt mir einen Stich ins Herz aber laut meiner Mom "geht es mir bald wieder besser". Laut ihr ist es sowieso alles meine eigene Schuld.
„Skylar, wo bleibst du denn?! Wir haben nicht ewig Zei- ah, da bist du ja endlich. Jetzt komm ich helfe dir." Doch bevor sie mir den Koffer entreißen kann, drängle ich mich an ihr vorbei. „Ich mach das, ich schaff das alleine." Meinen Koffer verfrachte ich im Kofferraum während ich meine Tasche auf die Rückbank schmeiße. Aber eins kann ich mir nicht verkneifen: „MOM?! Kommst du endlich?" Mit einem schelmischen Grinsen setze ich mich auf den Beifahrersitz unseres kleinen aber feinen Opel Corsa.

Stunden vergehen und ich habe das Gefühl das Auto würde sich nicht fortbewegen. Müde schaue ich aus dem Fenster und sehe, welch Wunder, nichts außer Wald. Vor mir, hinter mir, links und rechts, nichts außer Wald. Ich hasse allgemein schon Nachtfahrten mit dem Auto aber mussten wir unbedingt die Route durch den Wald nehmen? „Mom? Wie lange brauchen wir noch?" Ihre Antwort klingt erschöpft, kein Wunder, sie fährt ja auch schon 6 Stunden mit dem Auto. „Ich weiß es nicht Skylar, laut unserem Navi wären wir in einer halben Stunde da." Gut eine halbe Stunde, das werde ich schon noch aushalten.

Mein Handy leuchtet auf und es hört irgendwie auch nicht mehr auf zu blinken und zu leuchten. 31 Nachrichten, 16 Anrufe und 5 Hinterlassenschaften auf der Mailbox. Ich gehe die Nachrichten durch aber sie sind alle von einer Person. Oh verdammt, Jasper! Man wie konnte ich das nur vergessen. Er wollte sich unbedingt und unter allen Umständen von mir verabschieden. „Verdammt..." „Hast du was gesagt Skylar?" Ich hatte wohl wieder laut gedacht, super. „Äh..Ehm es ist nichts. Alles super." „Na dann. Ah sieh nur, wir sind da."

Mom hatte einige Male erwähnt, dass das Gebäude groß sein würde. Aber für meine Verhältnisse ist es etwas sehr groß. Und als hätte es nicht schlimmer kommen können, fängt es auch noch an zu regnen. Wir fahren durch das riesige Gittertor direkt auf den Haupteingang zu. Das Gebäude ähnelt eher einer Elite-Schule aus Japan, als einer Anstalt. Mom parkt etwas ungeschickt und ich steige so schnell ich kann aus dem Wagen aus, um mir meine Sachen zu schnappen. Zu meinem Glück klemmt natürlich auch wieder der Kofferraum. „Man, so ne Scheiße!", rief ich ohne nachzudenken. Mom steigt nun endlich auch aus dem Wagen und hilft mir bei meinem "Kofferraum-Problem". „Skylar, such du jemanden der uns helfen kann." Der Regen prasselt nur so auf mich hinab und ich sehe so gut wie nichts durch meine Brille. Aus der Ferne höre ich das erste Donnergrollen. Perfekt. Schlimmer geht es wirklich nicht mehr. Während Mom also versucht den Kofferraum zu öffnen, mache ich mich auf die suche nach Hilfe. Schnurstracks gehe ich schnelle Schritte auf den Haupteingang zu. Ich öffne die riesigen Türen und für Außenstehende muss es so aussehen, als wäre ich irgendeine verrückte Frau die keine Ahnung...wahnsinnig oder so ist. Meine Erwartung stellt sich richtig, als mich alle Patienten anstarren. „Hallo?.. Kann uns jemand helfen? Unser Kofferraum er-"
Plötzlich schnürt es mir die Kehle zu und Panik steigt in mir auf. Das Einatmen fällt mir auf einmal total schwer und das kann nur eines bedeuten. Ein Asthmaanfall. Natürlich bekomme ich ihn jetzt, vor all den Leuten.
„Du siehst nicht gut aus, wie kann man dir denn helfen?" Eine fremde Stimme spricht mich von der Seite an. Ich deute so gut ich kann mit meinen beiden Händen auf meinen Hals und versuche eine "keine-Luft-Geste" nachzuahmen. „Okay, verstanden. Ich bringe dich jetzt erstmal auf die Krankenstation und um deine Sachen können sich andere kümmern."
Mir ist in diesem Moment alles egal, so lange ich keine Luft bekomme, kann ich eh nicht handeln. Diese fremde Stimme stellt sich als eine nette junge Dame heraus. Sie hat blonde, wellige Haare; circa schulterlang. Ihre Augen sind blau, aber kein normales blau, eher ein himmelblau. Sie nimmt mich an der Hand und zieht mich hinter sich den langen Flur entlang, biegt links ab und dann gehen wir in irgendeins von den vielen Krankenzimmern. „Entschuldigung? Dieses junge Mädchen hier braucht dringend Hilfe." Das Krankenzimmer ist in vielen orangetönen gehalten. An den Wänden hängen Bilder von van Gogh und anderen sehr bekannten Künstlern. Es ist unglaublich, dass ich bei solch einer Atemnot mich trotzdem so gut konzentrieren kann.

Ein älterer Herr, ich schätze in seinen 50-ern, kommt auf mich zu. „Okay, also ich bin Dr. Cooper. Ich bin der Arzt für die männlichen Patienten hier, da es sich jetzt gerade aber um einen Notfall handelt, werden wir eine Ausnahme machen." Ich gebe nur ein kurzes Nicken meinerseits als Bestätigung. Doktor Cooper begibt sich an den wohl größten Medikamentenschrank den ich je gesehen habe und sucht nach Medikamenten, die mir helfen würden. Er kommt mit einem Notfallspray, auch bekannt als Salbutamol, zu mir und sagt ich solle zwei Hübe nehmen. Als ich das Spray einatme, spüre wie ich mich beruhige und ich langsam wieder zu Atem kam. „D-danke. Aber ich denke, ich s-sollte wirklich zu meiner Mum."
„Also, wenn das dein einziger Wunsch ist, gerne. Eigentlich finde ich, solltest du noch etwas hier sitzen, aber wenn du der Meinung bist, dass du aufstehen kannst. Die Erlaubnis hast du." Als ob ich eine Erlaubnis brauche zu meiner Mutter zu gehen. Wo bin ich nur gelandet.
„ICH WILL ZU MEINER TOCHTER! WO IST SIE?! GEHT ES IHR GUT?"
Ich denke, ich habe sie gerade gefunden. Aus dem Krankenzimmer einmal um die Ecke gebogen und da steht sie. Meine Mom. Selbst total durchnässt und mit verschmiertem Make-up, merkt man ihr an, dass sie nicht normal lebt. „Mom, bitte hör auf hier rumzuschreien. Siehst du denn nicht, wie alle Leute dich anstarren? Bitte mach keinen Aufstand am ersten Tag." Ich gehe auf meine Mutter zu und sie wirbelt herum. „Skylar! Gott, ich habe mir solche Sorgen gemacht...du solltest doch nur Hilfe holen. Was ist passiert?" Ich seufze und verdrehe die Augen. „Es war nur wieder ein Asthmaanfall. Keine große Sache, du kennst das ja." Erst jetzt fällt mir der Mann auf, der neben meiner Mutter steht. Seine Haare sind braun und seine Augen sind smaragdgrün. Laut seiner Kleidung, dürfte er wohl der Leiter des Ganzen hier sein. „Du bist also Skylar?" „Sky reicht...bitte. Und ja, die bin ich." Er nickt. „Gut, ich bin Herr Garratt. Ich bin der Leiter dieser Klinik und hoffe, dass du dich schnell hier einleben wirst. Ich gebe dir noch etwas Zeit mit deiner Mutter und dann wird dich jemand auf dein Zimmer bringen. Dir wurde doch sicher gesagt, dass es ausschließlich Zweierzimmer sind oder?" Ich schlucke. „Also, ehm, ja natürlich wurde mir das erzählt." Ein Scheiß wurde erzählt. Herr Garratt reicht meine Antwort anscheinend, denn er verabschiedet sich kurz von meiner Mom und begibt sich in sein Büro. „Oh Skylar. Ich werde dich vermissen und-" „Mom, bitte, lass es uns kurz halten. Ich weiß wie sehr du Abschiede hast. Ich werde dich auch vermissen, aber ich denke, ich sollte dringend auf mein Zimmer. Wir hatten eine lange Fahrt und ich bin einfach nur noch müde. Ich hab dich lieb ja? Und melde dich wenn du zu Hause bist." Mit diesen Worten bringe ich sie nach draußen zu unserem Wagen und halte die Verabschiedung somit, so kurz wie möglich. Sie gibt mir trotzdem eine lange Umarmung, bevor sie in ihren Wagen steigt und vom Hof fährt. Ein Donnergrollen verrät mir, dass es an der Zeit ist wieder hinein zu gehen. Ich stehe also nun in dieser riesen Halle und habe absolut keine Ahnung wen ich ansprechen soll. Verloren suche ich den Raum nach Augenpaaren ab, die mich ansehen. Da fallen wir zwei silberne Augenpaare auf. Sie sehen direkt in meine.

Skyana ➳ MailarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt