Ihr Plan schien zunächst aufzugehen. Spätestens mit ihrem ersten Job und dem Umzug in die neue Stadt war es ein Leichtes gewesen, bis dahin vorhandene Kontakte auf „natürlichem" Wege abzubrechen. Kontakte verlaufen schließlich oft im Sande, sobald eine räumliche Distanz entsteht. Mit ihren beiden Katern war sie in die Wohnung im vierten Stock, neben der des Ehepaars Bach, eingezogen. Wahre Freundschaften hatte sie nie gesucht, dennoch verbrachte sie durchaus Zeit mit anderen Leuten. Ständig wechselnde Leute. Abends/nachts waren es überwiegend Männer, mit denen sie sich unterhielt, mit denen sie flirtete und mit denen sie sich hin und wieder ein Bett teilte. Tagsüber sprach sie im Park, an der Haltestelle oder an jedem anderen beliebigen Ort relativ wahllos andere Personen an, unterhielt sich mit ihnen, lachte mit ihnen, diskutierte. Aber am Ende ging sie jedes Mal wieder ihres eigenen Weges. Es kam schon vor, dass sie manch einem zufällig weiter Male begegnete, mit manch einem unterhielt sie sich wiederholt, doch sie achtete darauf, dass sie ihre Gesprächspartner nie zu sehr an sich ranließ. Es funktionierte eigentlich immer ganz gut. Seit langem wurde sie von niemandem mehr ernsthaft enttäuscht oder verletzt und auch sie war sich sicher, niemanden enttäuscht oder verletzt zu haben. Aber nun war da also diese Frau Bach, die zu viel Zeit zu haben schien, sich in ihr Leben einzumischen und die für Vivien doch so dringend benötigte Distanz nicht respektierte.
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Wie Vivien
General FictionVivien ist eine Meisterin darin, immer eine gewisse Distanz zu ihren Mitmenschen zu wahren. Sie hat Angst davor, verletzt zu werden und möchte auch selber andere Menschen nicht verletzen. Normalerweise funktioniert das ganz gut. Nur Ida, ihre über...