FREAKS

10| Zombie auf Umwegen

Drei Tage lang passiert nichts. Rein gar nichts. Jeder ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass niemandem auffällt, dass ich noch immer in Jones' WG rumlungere. Vielleicht ist es den Freaks auch egal, mir jedenfalls ist es das.

Ich fühle mich wie ein Zombie und sehe wahrscheinlich auch so aus. Meine Haare sind verfilzt und seit drei Tagen zu einem Dutt zusammengebunden. Ich wette, ich werde das Haargummi aufschneiden müssen, sobald ich mich dazu entschließen werde, wieder wie ein Mensch aussehen zu wollen.

Das College spannt die Menschen hier ziemlich ein. Liz und Brooke sehe ich selten und Max habe ich seit drei Tagen nicht mehr gesehen. Anderson geht mir auf dir Eierstöcke, indem er sich wie ein Geist benimmt und abends in seinem Bett die Sau rauslässt. Es würde mich nicht stören, dass er ein ausgefülltes Sexleben hat, wenn ich nicht im Zimmer genau neben ihm schlafen würde.

Jones ist einfach Jones. Er will, dass es mir gut geht und macht einen auf den Vater, den ich nie hatte. Ich habe ihn lieb, wirklich, aber es nervt. Das habe ich ihm auch gesagt, aber dann hat er mir unter die Nase gerieben, dass ich immerhin bei ihm wohne.

Und ich schätze, das hat mir irgendwie die Augen geöffnet, weil ich mich ziemlich schrecklich benehme. Nicht nur ihm gegenüber. Ich esse, nein, ich fresse den Freaks hier das Essen weg und verkrümle mich dann wieder in mein Zimmer. So läuft das schließlich schon seit drei Tagen. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, weil ich mich vollkommen isoliert habe.

Ben versucht ständig, mich mit seinen hervorragenden Kochkünsten aus meinem Loch zu locken, aber es will nicht so ganz funktionieren. Ich habe sämtliche Vorlesungen sausen lassen, was mich nicht sonderlich interessiert und habe mich die letzten vierundzwanzig Stunden nur auf Leonardo DiCaprio konzentriert.

Ich ertrinke in Selbstmitleid, mein Cousin hat recht. Das Zimmer, in dem ich schlafe, sieht aus wie ein Mülleimer und wahrscheinlich riecht es auch so.

Ich stehe in dem großen und einzigen Bad dieser Wohnung und betrachte mich im Spiegel. Meine Augen sind rot, wahrscheinlich von zu viel Netflix. Ich habe Ränder unter den Augen, die fast schwarz sind und eher an Höhlen erinnern. Mein Haaransatz ist fettig wie sonst was und meine Lippen sind aufgerissen.

Ich seufze und wende den Blick ab, damit ich mich nicht mehr ansehen muss. Ich bin verletzt, zutiefst und bin zu stolz um das zuzugeben und daran zu arbeiten.

Das ist erbärmlich, das weiß ich. Aber ich besitze meinen Stolz und fresse es lieber in mich hinein, als andere Leute, die ich einen Scheiß interessiere, damit zu nerven.

Mein Blick fällt auf ein paar Einwegrasierer, die in einem Becher stecken und ich beschließe kurzerhand, mich wieder in einen Menschen zu verwandeln.

*

Der Tag ist fast vorbei, als ich frischgeduscht aus dem Badezimmer komme. Jones hat einmal geklopft und konnte nicht glauben, dass ich tatsächlich duschen bin. Während ich sein dumpfes Lachen durch die Tür gehört habe, musste ich immer wieder die Augen verdrehen. Und habe letzten Endes, einfach nur aus Rache, seine Zahnbürste in die Toilette getunkt.

"Es ist Freitag, kommst du mit Feiern?", will er dann wissen. Freitag, also. Ich habe eine Woche überlebt und würde mir jetzt am liebsten auf die Schulter klopfen, wenn das nicht erbärmlich wäre. Er sitzt auf der Couch, neben ihm Ben und Jake, welcher den Blick starr auf sein Handy gerichtet hat.

Ich überlege nicht lange, nicke schnell und tapse dann in mein Zimmer. Der Alkohol, den ich konsumiere, hat sich in letzter Zeit vermehrt. Aber das ist kein Grund für mich, gleich an meine Vergangenheit zu denken. Ich will Spaß haben und dieses dreckige Gefühl endlich loswerden.