8. Kapitel

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Der folgende Morgen entwickelt sich zur reinsten Qual.
Vor einem Jahr hatte ich damit begonnen mir einen gleichmäßigen Schlafrhythmus anzugewöhnen und die letzte lange Nacht hatte diesen ordentlich durcheinander gebracht.
Noch ziemlich verschlafen, aber immerhin vom Äußerlichen startklar für den Tag, schlurfe ich in die Küche.
An dem kleinen Holztisch an der Wand sitzt Pippa, beide Hände um eine dampfende Tasse Tee gelegt und sieht mich aus durchdringenden Augen an.
Sofort überkommt mich ein mieses Gefühl und ich weiche ihrem Blick aus.
"Guten Morgen", sage ich möglichst unschuldig, aber Pippa antwortet nicht.
Ich gehe an ihr vorbei zur Kaffeemaschine, stelle einen sauberen Becher darunter und drücke auf Start.
Summend und dampfend speit das Gerät die braune Flüssigkeit aus.
Während die Maschine läuft greife ich in die Obstschüssel nach einer Banane und schneide sie mit auf einem Brett in Scheiben, bevor ich mir aus dem Kühlschrank einen Yoghurt nehme und anschließend beides in einer Schüssel mische.
Jetzt noch ein Löffel und den fertigen Kaffee und ich bin bereit für mein Frühstück.
Beides balanciere ich zum Tisch und setze mich der noch immer schweigsamen Pippa gegenüber.
Sie nimmt einen Schluck von ihrem Tee und stellt diesen anschließend vor sich wieder ab. Ihr Blick bleibt dabei unverwandt auf einen Punkt auf der Tischplatte gerichtet. Ein bisschen gruselig ist das jetzt schon.
Von Minute zu Minute wird das Schweigen unangenehmer. Stumm löffle ich meinen Yoghurt.
Schließlich hebt Pippa den Blick und sieht mich wieder so durchdringend an.
"Spuck es aus!", bitte ich sie, als sie immer noch nichts sagt.
Sie holt tief Luft und dann legt sie los: "Was denkst du dir eigentlich dabei, mitten in der Nacht mein Auto zu klauen, ohne mir auch nur die geringste Nachricht zu hinterlassen? Woher sollte ich den wissen, dass du nicht vorhast dich umzubringen?", sie holt tief Luft und zetert dann weiter: "Stunden habe ich gewartet. Dann schleichst du dich wieder rein und tust jetzt auch noch so als wäre alles wie immer."
Ein bitteres Gefühl breitet sich in meiner Magengrube aus. Hallo, schlechtes Gewissen.

"Es tut mir leid", versuche ich es bedächtig.
"Deine Entschuldigung interessiert mich nicht. Ich möchte wissen, wo du gewesen bist!", unterbricht sie mich.
"Ich musste dringend etwas klären", weiche ich ihr aus.
"Geht es vielleicht noch ein bisschen genauer. Mensch Anna, jetzt lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Ich bin deine beste Freundin. Du wirst mir doch wohl erzählen können, was passiert ist."
An dem leicht schrillen Tonfall ihrer Stimme, erkenne ich wie aufgebracht und auch verletzt sie ist, obwohl sie versucht äußerlich cool zu bleiben. Aber sie hat Recht, ich bin ihre beste Freundin und deshalb kenne ich sie auch gut genug, um den versteckten Ärger zu erkennen.
Resigniert hole ich tief Luft und schildere ihr dann knapp die Geschenisse der letzten Nacht.
Von Minute zu Minute sieht sie mich ungläubiger an, bis sie mir schließlich mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen gegenüber sitzt.
"Das...", beginnt sie, "das glaube ich dir nicht! Du bist total verrückt. Das wird so etwas von in die Hose gehen!"
"Nein, danach kann ich ihn wirklich los lassen!" Meine Stimme klingt überzeugt, aber wirklich bin ich selber nicht.
Vielleicht hat Pippa Recht und das Ganze war eine ganz üble Idee.
Nein, ich werde das durchziehen!
Ich straffe die Schultern.
„Du wirst schon sehen! Das ist die Möglichkeit, die mir gefehlt hat!"
Pippa schüttelt noch immer fassungslos den Kopf.
„Tut mir leid, Anna, aber dabei werde ich dich nicht unterstützen. Pass einfach auf, dass er dein Herz nicht noch mehr verletzt."
„Jetzt werd nicht theatralisch", weise ich sie an.
Sie schweigt, aber ihr Blick ist ausdrucksstark genug.

Ihre Worte lassen mich den Rest des Tages nicht los, aber jetzt einknicken geht auch nicht mehr. Jetzt muss ich es bis zum Ende durchziehen und mein Herz muss ich nur gut schützen.

AnnabelleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt