KAPITEL ZWEI

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Ein jeder von ihnen regierte über einen Teil der Erde – Frieden und Harmonie herrschten in jenen Tagen des Anbeginns. Die Menschen priesen sie als Allmächtige und bauten ihnen Häuser und Paläste, so prachtvoll und gewaltig, das nie jemand etwas vollbrachte, das ihre Baukunst übertraf. 
– Das erste Buch der Chronik, Vers 2

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Klock

Klock

Die Axt flog dahin, traf auf den Holzscheit und spaltete ihn in zwei Teile, die auf den Haufen zu den anderen fielen.

Klock

Diesmal traf die Klinge auf einen Ast und verkeilte sich. Arlien machte sich daran, die Klinge wieder zu befreien und betrachtete müde den Haufen, den er noch zu spalten hatte und der scheinbar nicht schrumpfte wollte. Für seine fast elf Jahre war er recht kräftig - glaubte er zumindest – doch das Holz für den Winter zu hacken schaffte ihn trotzdem jedes Mal und langsam hatte er keine Lust mehr.

Viel lieber würde er die Tage damit verbringen, im Wald herumzustreunen. Sein Blick schweifte hinüber zu den nahegelegenen Bäumen und für einen Moment glaubte er, dort eine Bewegung zu sehen, doch in eben diesem Moment öffnete Grin das Küchenfenster.

»Arlien sei so gut und zünd mir ein Feuer im Herd an. Bertah hat wieder einmal einen schlimmen Husten, und mit dem Alter wird es nicht besser.« Leise grummelte sie vor sich hin. »Was für einen Tee würdest du ihr empfehlen?«

Er sah noch einmal hinüber zum Waldrand, doch dort regte sich nichts mehr.

»Schlüsselblumen«, antwortete er abwesend. »Und wenn der Husten schlimm ist einen Wickel aus Thymian und Zwiebeln dazu.«

Grin nickte zufrieden.

»Gut gut. Wenn nur Felin ebenso fleißig wäre wie du. Wo ist sie überhaupt? Ich dachte sie wollte dir mit dem Holz helfen.«

»Sie sagte sie gehe Kräuter sammeln«, log er schnell.

In Wahrheit war sie zu ihm gekommen und hatte ihm erklärt, dass sie als Mädchen viel zu schwach war, um ihm zu helfen und er ihre Hilfe ja ohnehin nicht brauchen würde. Dann hatte sie ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt und war tanzend in Richtung Dorf davongelaufen. Einen Kuss, dachte er stolz und bei dem Gedanken daran wurden seine Wangen schon wieder warm und ein fröhliches Lächeln zog sich hinauf bis zu seinen dunkelgrauen Augen.

Gedankenversunken lief er um die Hausecke und blieb mit den Haaren an einer hervorstehenden Brombeerranke hängen. Während er sich mühsam von dem Strauch befreite und nebenbei die Brombeeren aß, die dunkelrot und reif von der Ranke baumelten, dachte er weiter an Felin.

Sie war schon fünfzehn und hübsch. Schön, berichtigte er sich in Gedanken. Die Burschen des Dorfes gafften ihr immer ungeniert hinterher wenn sie vorbeiging. Aber reden tat sie fast nie mit ihnen. Mit ihm hingegen sprach sie jeden Tag und manchmal zerzauste sie ihm seine hellen Haare.

Letzten Sommer hatten die Bewohner die junge Müllerstochter bei Grin in die Lehre geschickt. Sie sollte von Grin lernen, wie man Krankheiten behandelte und Kinder zur Welt brachte, damit sie eines Tages ihr Handwerk übernehmen konnte.

Stattdessen zeichnete sie jedoch viel lieber mit roten Kieseln auf die Steine am Fluss oder trieb sich sonst irgendwo herum.

Auf die Steine am Fluss zeichnen, dachte er verträumt. Er war sich sicher das er der Einzige war der wusste, dass sie das tat.

Schnell fachte er ein Feuer im Herd an und holte aus der kleinen Kammer, in der sie die Kräuter lagerten, ein Bündel getrocknete Schlüsselblumen die er auf den Tisch legte. Bevor ihn Grin zu einer anderen Hausarbeit einteilen konnte, verschwand er eilig wieder in den Garten um weiter Holz zu hacken.

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