Fortsetzung von Kapitel Drei
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Ein lautes Kichern ließ ihn erschrocken innehalten und für einen Moment vergaß er zu strampeln, worauf sein Kopf in das eisige Wasser tauchte.
»Ahh, genießt du dein Bad? Auch gut, auch gut. Wir haben ja Zeit, nicht?«, kam es von hinter ihm, als er den Kopf nach Atem ringend wieder aus dem Wasser streckte.
Zähneklappernd drehte sich Arlien zu der Stimme um. Ein Mann, mit grauweißen, struppigen Haaren, die ihm in alle Richtungen abstanden saß mit verschränkten Beinen auf dem Baumstamm und beobachtete ihn. Er war nur mit einem Schurz um die Lenden bekleidet - Arlien hatte zuerst geglaubt, dass er ein braunes Hemd trug, doch auf den zweiten Blick erkannte er, dass es sich dabei um Schmutz handelte. Er hatte ihn noch nie zuvor gesehen.
»Nun, ich hätte nicht erwartet, dass du dich gleich vor mir ausziehst. Findest du das nicht etwas übereilt?«
Arlien spürte wie ihm trotz der Kälte die Röte ins Gesicht stieg. »Ich wu wu wusste nicht ... ich habe dich nicht be bemerkt«, stotterte er mit klappernden Zähnen. »Kannst du dich umdrehen?«
»Jeder kann das«, sagte der Grauhaarige, »zumindest habe ich noch nie jemanden getroffen, der das nicht konnte. Du stellst komische Fragen, Junge.«
Arlien beobachtete ihn skeptisch und wartete bis er sich umdrehen würde, doch er sah ihm weiterhin interessiert zu.
»Mir ist kalt«, wisperte er mit zittriger Stimme, »kannst du wenigstens die Augen zu machen?«
»Ich habe noch nie jemanden getroff...« setzte der Mann an, hielt jedoch mit grübelndem Gesicht inne. »Aah, ich verstehe!«, rief er erfreut aus, »das war eine rein theoretische Frage die eigentlich eine Bitte beinhaltet.«
»Ja?«, antwortete Arlien, jetzt selbst schon unsicher darüber, ob das gerade eben eine Feststellung oder aber eine ernst gemeinte Frage gewesen war.
»Herrlich!«, rief der Mann und sprang auf, »Eine Antwort in Form einer Frage. Wahrlich eine Kunst! Ich habe ganz vergessen wie viel Spaß Unterhaltungen machen können.«
Als der Mann sich endlich doch umdrehte nutzte Arlien die Gelegenheit, und schwamm zum anderen Ufer, wo er durchgefroren und zitternd an Land kletterte. Schnell rieb er sich mit seinem Mantel ab und schlüpfte in seine Kleider, bevor sich der andere wieder ihm zuwandte.
Doch der Mann saß weiter auf dem Baumstamm und wippte stumm vor sich hin. In der Hand hielt er einen Stock, den er in schwungvollen Gesten hin und her schwang. Arlien beobachtete ihn einen Moment, dann wandte er sich um. Er hatte besseres zu tun als sich mit diesem Verrückten zu beschäftigen.
Aus der Nähe sah die Tür noch viel geheimnisvoller aus, als sie vom Ufer aus wirkte. Vorsichtig, als nähere er sich einem wilden Tier, trat er näher an den Torbogen heran. Filigrane Muster waren in den Stein geritzt und im Holz glaubte er silberne Fäden zu sehen, die sanft im Sonnenlicht glitzerten.
Das dunkle Holz schien rau, vom Zahn der Zeit geprägt, doch als er mit seinen Fingern darüber fuhr, spürte er nicht die geringste Unebenheit.
»Sie ist ganz wunderbar, nicht wahr?«
Arlien riss erschrocken seine Hand von der Tür zurück. Er war so konzentriert gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie der Mann näher gekommen war und jetzt am Ufer des Teichs stand. Den Stecken hatte er in seine Haare gesteckt.
Arlien nickte zustimmend und betrachtete noch einmal das dunkle Holz, ließ den Fremden jedoch nicht aus den Augen.
»Was wohl dahinter ist«, sagte er und ging um das Gebilde herum, um sich auch die andere Seite genauer anzusehen.
»Entscheidungen«, sagte der Verrückte, »Und Katzen. Jede Menge Katzen.«
»Katzen?« Arlien blickte ihn ungläubig an. »Hinter dieser Tür, die seit Jahrhunderten hier im Wald steht, sind Katzen?«
»Gescheckte, getigerte, dreifarbige... Ich glaube ich habe sogar eine ganz weiße gesehen.« Der Mann verstummte einen Augenblick als versuche er sich daran erinnern.
»Ja, es war definitiv eine weiße dabei. Sie faluenzten in dem Raum, und als ich hereinkam sahen sie mich alle gleichzeitig an, mit ihren hellen, silbernen Augen. Mir blieb nichts anderes übrig, als wieder umzukehren und die Tür hinter mir zu schließen, als sie miauend auf mich zu rannten. Ich kann die Tierchen nicht ausstehen musst du wissen, auch wenn sie noch so harmlos aussehen.«
»Du bist durch diese Tür gegangen«, Arlien deutete auf den Torbogen, »und hast Katzen gesehen.«
»Das sagte ich doch bereits. Gescheckte, getigerte und ...«
»Ja, weiß«, unterbrach ihn Arlien, »dreifarbige.«
»Hmm«, machte der Mann und sah Arlien verwundert an, »Woher wusstest du, dass dreifarbige dabei waren?«
Arlien sah ihn stumm an, unschlüssig was er sagen sollte. Am liebsten hätte er die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wie es die alten Weiber im Dorf taten, wenn irgendwelche Jungen Beeren in ihre Putzbürsten gesteckt hatten und die gewaschenen Kleider voller Flecken waren.
Der Verrückte sah ihn mit seinen großen, hellgrünen Augen an die freudig glitzerten, als warte er auf eine Reaktion.
»Du lügst doch«, sagte Arlien dann, »als ob hinter solch einer Tür einfach nur ein Raum mit Katzen wäre.«
Das Glitzern in den Augen des Fremden verschwand und er wirkte plötzlich seltsam niedergeschlagen. Dann setzte er sich an den Rand des Teichs und ließ die Beine ins Wasser baumeln.
»Schade. Ich dachte, ich hätte es nicht verlernt. Woran hast du es gemerkt?«
Arlien starrte ihn einen Augenblick verdutzt an, bevor er bemerkte, dass er etwas gefragt worden war.
»Ganz einfach daran, dass noch nie jemand diese Tür geöffnet hat«, sagte Arlien, »aber das konntest du ja nicht wissen. Und Grin sagt immer, lügen zu können ist keine Tugend, ist also halb so schlimm.«
Das Strahlen kehrte in das schmutzverkrustete Gesicht zurück.
»Aah, die schöne Grin! Wie weise sie immer ist und so ansehnlich mit ihren ...«, er hielt kurz inne und zwinkerte Arlien verschwörerisch zu, »blonden Haaren und den grünen Augen. Sie hat das gelbe Kleid doch noch, oder? Aber sicher, es ist ihr Lieblingskleid, natürlich hat sie es noch, sie würde es nie hergeben.«
Inzwischen war er aufgesprungen und tanzte fröhlich am Ufer entlang. Dann zog er den Stock aus den Haaren und begann zu singen:
Das Mädchen mit den hellen Augen,
die kannte keinen Liebsten nicht.
Tanzend lief sie über Felder,
schwamm in Seen, sprang durch Wälder;
wie der Wind, sich drehend – frei.
Die Zöpfe flogen hinten drein,
ach wie fein, ach wie fein.Grin, oh Grin, wen wirst du frei'n,
vielleicht wirst du ja einmal mein?
Das wär fein, ja das wär fein.Seine Stimme wurde leiser, als er zwischen den Bäumen und schließlich aus Arliens Blick verschwand.
***
Ab Morgen ist NaNoWriMo!
Wer von euch ist dabei?Ich werde *wieder* versuchen regelmäßig zu schreiben,
an diesem Buch und vielleicht auch Kurzgeschichten :)- A
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Spiel der Zeiten
FantasyEs ist eine finstere Nacht Mitten im Winter und in einem kleinen Dorf am Rand der Welt wird ein Kind geboren. Doch die Umstände sind alles andere als normal - und das Kind ebensowenig.