Wahre Liebe

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Das erste, was Camila am Morgen sah, war Lauren. Sie sah ihre wilden, dunklen Haare, die immer gutauszusehen schienen. Die langen Wimpern und dicken Augenbrauen. Ihre Augenbrauen waren vom Schlaf ganz verwuschelt - Camila unterdrückte den Impuls sie glattzustreicheln. Ihre Haut schimmerte im Sonnenlicht und Camila wunderte sich, wie nur so zu genüge, wie Pickel an jemanden so perfekt aussehen konnten. Laurens Lippen waren pinker und dicker als normalerweise. Sie waren wie immer leicht aufgerissen und wie immer wünschte Camila, die Risse kämen von ihren Zähnen.

Lauren war die Reinkarnation Aphrodites.

Sie war bildschön. Umso beeindruckender war es, dass Camila ihr Inneres sogar noch schöner fand.

Während Camila das ihr zugewandte Gesicht bewunderte, versuchte sie den Abstand zwischen den beiden zu vergessen. Sie stellte sich vor, jeden Morgen zu diesem Anlitz aufzuwachen, dass sie das Recht besäße, durch ihr Haar zu fahren, ihre Augenbrauen zu richten, in ihr Ohr zu wispern. Camila malte sich aus, dass sie Laurens wäre und Lauren ihres.

Solche Tagträumerein waren normal für Camila; so normal, dass eine Beziehung mit Lauren so verwirklichbar schien, dass es nahezu grausam, ja makaber, war, wie fernab der Realität und schlichtweg unmöglich sie war. Lauren empfand nichts als freundschaftliche Gefühle für sie. Sie waren gemeinsam aufgewachsen, hätte Lauren Gefühle für sie, hätte Camila dies sicherlich bemerkt.

So zumindest dachte sie. Dinah hatte ihr über die Jahre hinweg immer wieder eingeredet, dass Lauren ihre Gefühle erwidere. Dass sie Angst habe, genau wie Camila, dass einer den ersten Schritt machen müsse.

Camila beschloss mit Lauren zu flirten. Leider flirtete Lauren nie wirklich zurück, meistens gab sie nur kurzangebundene Antworten und drehte sogar ihren Kopf weg.

Es verletzte Camila. Aber sie vertraute Dinah und sie wollte um Lauren kämpfen. Nichtsdestotrotz brauchte sie manchmal eine Pause von all ihren Fehlschlägen. Es tat einfach zu sehr weh. Es zeigte ihr nur auf, dass Lauren nicht das gleiche empfand und nie würde. Sie nahm sich einige Tage, in seltenen Fällen sogar eine Woche Zeit, redete mit Dinah, ließ sich von ihr aufbauen und dann war sie wieder die Alte.

Sie erzählte Dinah nicht davon, dass sie nach jedem Fehlschlag aufhören wollte zu kämpfen, dass es erbärmlich war, aber jedes Mal, wenn sie Lauren sah, nicht aufhören konnte. Sie war, seit sie ein kleines Kind war, in sie verliebt gewesen und sie würde nicht zu den Menschen gehören, die sich mit 80 noch 'Was wäre wenn...' fragten.

Solche Momente gaben ihr Kraft. Sie malte sich eine Zukunft mit Lauren aus, dass all die wundersamen Momente, die jetzt so rar waren, wie Lauren beim Schlafen zuzusehen, zu ihrem Alltag gehören. 

"Hey," Allys Kopf erschien an der Tür. Just in diesem Moment fiel Camila auf, dass jeder außer Lauren und ihr bereits auf war. "Wir wollten gerade frühstücken."

Danach verschwand sie wieder. Camila wusste, welche Aufgabe ihr zuteil geworden war, obwohl Ally es nicht laut ausgesprochen hatte. Es schien für jeden der Horror auf Erden zu sein, doch Camila liebte es. Es war Teil des Kunstwerkes das sie sich gedanklich ausmalte: Lauren zu wecken.

Camila setzte sich neben Lauren und ließ ihre Hand auf ihrem Rücken ruhen. Die Jüngere brannte sich das Bild vor ihr ein, Lauren mit solch einem friedlichen Gesicht.

"Lo," Camila fing an sanft über Laurens Rücken zu streicheln. "Du musst aufwachen."

Keine Bewegung. Wie zu erwarten.

Camila seufzte leicht und schob Laurens Haare zu Seite. Gleich wie sehr sie diese Momente liebte, sie taten so sehr weh. Es war nicht real. Camila verspürte das vertraute Ziehen an der Brust, als ihre Lippen Laurens Nacken berührten.

Ihre Lippen kribbelten, ihr Herz blutete.

Lauren begann sich zu winden und gab unverständliche Geräusche von sich. Camilas Hand huschte unter ihr T-Shirt und setzte dort das Streicheln fort.

"Laur, du musst aufstehen." Camila küsste sie noch einmal auf ihren Nacken, minimal länger als zuvor. "Es gibt Essen."

Endlich drehte sich die Schlafqueen von ihrem Bauch auf ihren Rücken. Ihre Augen flatterten und öffneten sich schließlich gänzlich.

Camila war das erste, was Lauren gesehen hatte. Gleich wie sehr es schmerzte, dass es nie das gleiche für Lauren bedeuten würde wie für sie, Camilas ganzer Körper kribbelte. Sie hatten sich gegenseitig als erstes am Morgen gesehen.

"Hey."

Laurens Stimme war noch rau vom Schlafen und Camila könnte schwören, Engelsstimmen klingen schlechter.

"Hey."

Stille trat ein. Braune Augen trafen grüne und beiden trugen so viel Liebe, Hoffnung und Schmerz wegen des anderen in sich. Sie sahen sich in die Augen, mit dem Glauben, der andere sehe sie als Schwester, ohne des Wissens, dass sie eineinander bis zum Seelenschmerz liebten.

Es war wunderschön.

Dieser Momente zeigte die Schönheit und Grausamkeit von Liebe auf. Zwei Menschen, so verletzt wegen des anderen, ohne jegliche Hoffnung auf eine Erwiderung ihrer Gefühle, die den anderen bedingunglos liebten. Sie liebten den anderen mit der einzigen Absicht zu lieben. Sie wollten keine Beziehung vom anderen, wollten ihre Liebe nicht für die ganze Welt zu wissen hinausschreien, sie wollten nicht jeden Morgen sich gegenseitig als erstes sehen. 

Sie wünschten sich all das, wie innig sie es sich wünschten - einfach zu lieben war ihnen genug. 

Es war die selbstloseste und purste Form in der Liebe existieren konnte. Dies war wahre Liebe.

"Camren, beeilt euch!"

Dinahs Stimme durchdrang die Stille wie Feuer durch Holz brannte. Sie lösten ihre Blicke voneinander und versuchten sowohl das Kribbeln als auch den Schmerz zu ignorieren.

Sie huschten durch die Tür.

"Danke, dass du mich immer aufweckst."

Lauren schaute geradeaus nach vorne, weil sie sich immerzu in diesen braunen Augen verlor und es sich jetzt nicht erlauben konnte. Lauren dachte an das wärmliche Glühen Camilas Augen und daran, dass pure Herzesgüte so aussehen müsse.

"Kein Ding."

Sie betraten die Küche und lieferten sich den Blicken ihrer Freunde aus. Normani versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, was kläglich scheiterte. Ally hingegen sah Camila und Lauren warm an, doch ihre Augen glitzerten amüsiert. Dinah versuchte nichts zu unterdrücken und grinste die beiden breit an.

"Na, was hat denn so lange gedauert?"

Normani stieß Dinah mit dem Ellbogen an, doch die Polynesien störte sich daran nicht. Camila wusste, Dinah meinte es nur gut und doch rammten sich ihre Worte in ihr Herz wie Eissplitter. Jedes Wort trug die Möglichkeit für eine Beziehung zwischen ihrer besten Freundin und Camila, sie ließen einen Raum zum Träumen, daher zum Enttäuscht Sein.

"Hattet ihr oben zu tun?", wackelte Dinah ihre Brauen. Camila war dem Erbrechen nahe.

Nein, ich hab mir nur eine scheiß Fantasiewelt ausgedacht, in der Lauren und ich zusammen sind, weil ich so fucking erbärmlich bin.

Camila blendete alles um sie herum aus und stellte auf Durchzug. Sie bekam das Erröten von Laurens Wangen oder ihr zu sich geflüstertes 'Ich wünschte' nicht mit. Stattdessen nahm sie sich zwei der von Ally gemachten Pfannkuchen und eine Banane. Während sie in ihrem Essen stöcherte, ertappte sie sich beim Vorstellen, dass Lauren ihr Pfannkuchen morgens macht, dass sie jeden ihrer Tage mit Lauren starten und enden würde.

Sie schimpfte sich innerlich für ihre dummen Gedanken, das höher Schlagen ihres Herzen konnte sie nicht verhindern.

Meine Queen (Mini-Series)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt