Zu schön

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"Glaub mir, Ralph fährt total auf dich ab, Chancho."

Dinah und Camila liefen zu den Spinden der fünf Freunde. Sie hatten das Glück, dass sie alle nah beianeinder waren, sodass sie sich dort vor der Schule trafen. Die beiden waren wie immer die letzten.

"Das hat man am Freitag voll gemerkt."

Camila verdrehte ihre Augen. Es war nach jedem Fehlschlag das gleiche.

"Ach ja? Hast du es daran gemerkt, dass sie ihr Gesicht weggedreht hat oder wie angespannt sie in meinen Armen war?", erwiderte Camila, die Stimme triefend mit Sarkasmus.

Das Duo drehte an der letzten Windung zu ihren Spinden ab und Camilas Gesicht fiel wie die Berliner Mauer.

"Oder daran, dass sie mit Brad flirtet."

Ihre Stimme hatte jeglichen Funken an Sarkasmus verloren, leidlich Schmerz und Verrat war in ihr erkennbar. Es war der Ton mit dem man über den Betrug des Ehepartners sprach.

Camila fühlte sich lächerlich, als sie sich ihres Tons bewusst wurde. Sie hatte nicht das Recht, so über Lauren zu sprechen. Sie konnte mit jedem flirten, der ihr gefiel - offenbar war das ein blasser, lippenloser Junge.

"Chancho,", versuchte Dinah. "Sie flirtet doch gar nicht mit ihm."

Camilas Augenbrauen schossen in die Höhe. Sie verdrehte weder ihre Augen noch gab sie eine sarkastische Antwort. Sie schaute nach vorne und bestrafte sich mit dem Anblick. Lauren, die an ihrem Spind gelehnt war, Brad mit der Schulter lehnend neben ihr und seinem Arm auf ihrem. Camila sah nur Laurens Rücken, aber Brads Gesicht war mehe als genug. Er hatte ein gewinnendes Lächeln auf den Lippen und seine Augen huschten von Zeit zu Zeit zu Laurens Lippen.

Es war ein süßer Anblick, einen, den man aus all den kitschigen Filmen kannte.

Camila hatte sich selten so schlecht gefühlt. Sie spürte das bekannte Ziehen an der Brust, viel stärker als jemals zuvor. Es fühlte sich so an, als würde ihr Herz aus ihrer Brust gerissen werden und Camila dachte, dass genau das gerade geschah.

Das werde ich nie mit ihr haben.

Sie vergaß Dinah und alles um sie herum, ihre Gedanken waren erfüllt mit Brad und Lauren. Wie sie Eis aßen, wie sie tanzten, wie sie sich küssten...

Sie wären süß zusammen.

Ihre eigenen Gedanken verletzten sie mehr als alles andere. Camila wusste nicht genau, warum sie sich dies antat.

Weil es die Wahrheit ist.

Die Latina schüttelte ihren Kopf, als wolle sie von einem Albtraum loskommen. Sie musste aufhören daran zu denken. Es tat viel zu sehr weh. Camila drehte sich um und lief weg, sie hörte weder Dinahs Rufen nach ihr noch sah sie Laurens darauffolgenden besorgten Blick.

"Tut mir leid, Brad,", sagte Lauren ohne ihn anzuschauen, ihre Augen auf Camilas immer kleinerwerdenden Körper fokussiert. "Ich muss los."

Brad nickte, wie man es tat, wenn der Lehrer einen fragte, ob man alles verstanden habe.

"Ist okay, aber du überlegst es dir nochmal, oder?"

Lauren nickte abwesend und sauste dann ab. Sie ging in die Richtung, in der Camila verschwunden war, aber von der Brünetten war keine Spur mehr da. Sie war im Schülermeer untergegangen.

"Scheiße."

Lauren wusste nicht genau, warum Camila weggelaufen war, aber sie hatte Dinahs Versuche gehört. Ihre Stimme hatte bittend und verzweifelt geklungen.

"Ralph!" Dinah legte von hinten eine warme Hand auf Laurens Schulter. "Suchst du Chancho? Ich hab's schon versucht, ich glaube, sie wird kommen, wenn sie sich besser fühlt."

Dinah hatte gehofft, dass sie Lauren damit beschwichtigen konnte, aber die Ältere sah nur noch besorgter aus.

"Besser fühlen? Wieso geht's ihr schlecht?"

"Eh," Dinahs Augen suchten die Umgebung ab, als wäre in ihr die perfekte Lüge versteckt. "Warum fragst du sie das nicht selbst!"

Gerade als Dinah mit einer lahmen Lüge antanzen wollte, sah sie Camila. Die Latina stand an ihrem Spind und packte ihre Bücher ein.

Eigentlich hätten Dinah und Lauren wissen müssen, dass Camila wegen ihrem Spind wieder kehr machen würde; das Mädchen würde für nichts auf der Welt ihre schulischen Leistungen gefährden.

Lauren hob ihre Augenbrauen bei Dinahs komischem Verhalten, doch hakte nicht weiter nach. Sie drehte sich um und die Skepsis verschwand aus ihren Augen, machte Platz für die Wärme, mit dem man nur einen geliebten Menschen ansah.

"Camz!"

Der Flur war erfüllt mit dem Geschnatter der Schüler, lärmend und sinnfrei. Camila hörte die vertraute raue Stimme als wäre sie der leiseste, doch lauteste Klang im ganzen Universum. Je leise sie ihr Ohr betreten möge, sie hallte lärmend in ihrem Herzen. 

Vielleicht war dies der Grund für die pure Panik in Camilas Gesicht. Die Tatsache, dass die leiseste Aktion eine lärmende Unruhe in ihr verursachte. Es war erschreckend, wie sehr Camila Lauren liebte und in diesem Augenblick - umgeben von dem lauten, sinnfreien Geschnatter von sogar noch irrelevanteren Menschen, ein seit es eingetreten war nicht verschwundenes Zerreißen ihrer Brust, ihr Herz trotzdessen so stark schlagend, dass Camila dachte, es würde gleich vor Laurens Füßen liegen, damit sie es zertreten konnte -, in diesem Moment wurde Camila Cabello sich bewusst, welch eine Macht Lauren Jauregui über sie hatte.

Camila war sich ihrer Liebe noch nie so sehr bewusst. 

Es flößte ihr Schrecken ein. 

Camila floh. Sie rannte mit einem Gesichtsausdruck weg, dass man ihre Aktion nur als Flucht bezeichnen konnte. Sie flüchtete mit der Hoffnung, dass sie mit jedem Schritt, den sie sich von Lauren entfernte, sie auch ihre Gefühle zurückließ.

Doch mit jedem Schritt, den sie nahm, wurde das Reißen an ihrem Herzen brutaler und ihr brechendes Herz schlug härter für Lauren. Es tat so unfassbar weh. Jemanden zu lieben, den man nie haben konnte. Es war keine Metapher, Camila spürte wortwörtlich wie eine unsichtbare Macht an ihrem Herzen zog und es zeriss, während die Geräuschkulisse von ihrem Pochen übertönt wurde.

Sie erlitt Qualen, die man nur verstand, wenn man jemanden so innig liebte, dass es weh tat, und die Person nichts für einen empfand. Es war ein Schmerz unvorstellbar und so konstant, weil es keinerlei Hoffnung gab.

SIe weinte nicht.

Camila war nicht traurig. Sie leidete wegen Liebe. Es war nichts, worüber man trauern sollte. Sie liebte jemanden. Es tat weh, dass Lauren ihre Gefühle nicht erwiderte, aber Camila weigerte sich wegen Liebe zu weinen.

Dafür war Liebe zu schön.

Meine Queen (Mini-Series)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt