Chapter I

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" ... leider erstreckt sich diese schon über weite Teile aller Kontinente; kaum ein Land blieb verschont. Keiner kann sagen, woher diese Krankheit stammt, aber Menschen aller Welt scheinen sie zu ... ", doch da schalte ich den Fernseher ab. Ich brauche mir nicht noch einen Bericht über diesen neuen Virus anhören, denn meine Eltern haben sich damit angesteckt. Seit zwei Tagen sind sie nur noch auf ihrem Zimmer; lassen uns nicht zu ihnen. Nur meine Tante Jenna darf das Zimmer betreten, um ihnen Essen zu bringen. Ihr Zustand verschlechtert sich von Sekunde zu Sekunde immer mehr und das ist kein gutes Zeichen.

Vor einer Stunde wurden die ersten Todesfälle aufgrund dieses Virus' bekannt gegeben und das facht die Sorge um meine Eltern, Soraya und Benjamin Collins, nur noch mehr an und sie droht langsam mich zu übernehmen.
"Nia, komm endlich!", höre ich meine Zwillingsschwester Tamina rufen. Wir haben uns mit unseren Freunden im Park verabredet, um mal auf andere Gedanken zu kommen.
Ob das klappen wird?

Ich schultere meinen grauen Rucksack, stecke mein Handy in meine Hosentasche und trotte die hölzerne Treppe hinunter, die schon ziemlich abgenutzt aussieht. Der blaue Lack splittert immer mehr ab. An der Wand hängen einige Familienbilder. Fünf Stück, um genau zu sein. Eines zeigt Tami und mich, wie wir beide an unserer Einschulung in die Kamera grinsen. Ich, mit meiner Zahnlücke, sehe fast genauso wie meine Schwester aus. Wir sind zwar zweieiige Zwillinge, aber trotzdem sehen wir uns sehr ähnlich. Wir tragen die selben Klamotten. Eine weiße Bluse, einen grauen Rock und schwarze Ballerinas. Sogar den selben Haarreif tragen wir. Man könnte doch meinen wir wären eineiige Zwillinge.

An der letzten Stufe angekommen, empfängt mich Tante Jenna mit einem sanften Lächeln, das mir sowohl mitteilen soll, dass sie meine Sorge mit mir teilt, aber auch, dass ich mir, solange sie da ist, keine Sorgen machen muss.
"Bis später, Nia", sagt sie zu mir und geht dann mit dem Tablett in ihren Händen zu meinen Eltern, auf dem deren Mittagessen steht. Sie bekommen drei Mahlzeiten am Tag, aber ich kann ständig zusehen, wie Jenna die alten Tabletts rausträgt. Das Essen darauf ist kaum bis gar nicht angerührt.

Tami steht in ihrem weißen Shirt und ihrer schwarzen Shorts bereit im Flur. Mit ihrer Handtasche über der Schulter tritt sie aus dem Haus und ich folge ihr dorthin.

Im Park angekommen, sitzen unsere Freunde bereits auf einer Picknick Decke und essen einige Sandwiches. Layla sitzt am Rand und streckt ihr natürlich-braunes Gesicht gen Himmel, um ihre Poren das Vitamin D aufsaugen zu lassen. Toby und Olivia zanken sich gerade freundschaftlich um ein Sandwich, während Jace belustigt zusieht. Evan, in seinem weißen Tanktop, wird auf mich und meine Schwester aufmerksam und lächelt uns zu.
Er steht von der Picknick Decke auf und steuert Tamina an, bevor er die Arme um sie schlingt und sie leidenschaftlich küsst. Er und meine Schwester sind seit einem halben Jahr ein Paar und mich erhascht das Gefühl, dass es sich nicht so schnell ändern wird.
Ich setze mich zu den anderen und wir verbringen einen ausnahmsweise mal sorgenfreien Tag.

Langsam färbt der Abendhimmel sich orange und Sterne machen sich sichtbar. Der Halbmond strahlt in einem schönen weiß, als plötzlich die Silhouette eines Mannes in der Nähe zwischen den Bäumen auftaucht. Nicht nur ich scheine ihn bemerkt zu haben, da alle verstummt sind und in die selbe Richtung starren.
Er gibt merkwürdige Laute von sich und hinkt auf eine ungesunde Weise auf uns zu. Ob er Hilfe braucht, geht es mir durch den Kopf. Da ruft Layla mit ihrer ruhigen und stets gefassten Stimme, "Hallo? Können wir Ihnen helfen?"
Doch darauf reagiert er nicht. Stirnrunzelnd mustere ich ihn, doch egal, was wir auch sagen oder tun, er kommt weiter humpelnd mit seltsamen Geräuschen auf uns zu. Diese Laute jagen mir einen Schauer über den Rücken, der durch meinen gesamten Körper fließt, ehe er verebbt.

Wie von der Tarantel gestochen, springt Jace auf und schmeißt sich seinen Rucksack über Schulter. "Lauft! Lauft zu meinem Wagen!", ruft er uns zu und rennt zum Parkplatz vor. Ohne zu verstehen, was das soll, packen sowohl ich, als auch alle anderen, rasch die Sachen.
Dort angekommen quetschen Tamina, Layla, Toby und ich uns auf die Rückbank. Jace sitzt bereits auf dem Fahrersitz und Evan hat sich neben ihn gesetzt. Für Liv ist so keinen Platz, also nimmt Toby sie auf seinen Schoß, damit wir losfahren können.

"Jace, was ist hier los? Warum sollten wir wegrennen!?", fragt Tami, die direkt hinter ihm sitzt, verlangend. Und genau diese Frage habe ich mir auch gestellt. Ich bemerke, dass nicht nur ich und Tami gespannt warten, sondern auch Liv und die anderen ihn abwartend ansehen. Er atmet tief durch und schaut durch den Rückspiegel einmal jeden von uns an, ehe er wieder zur Straße blickt. Die Sekunden, in denen er schweigt, kommen mir vor wie Jahre, aber der Satz, der aus seinem Munde kommt, lässt mein Herz einmal aussetzen. "Alle, die ihr kennt sind tot, denn die Welt ist nicht mehr das, was sie einmal war."

Dreißig volle Sekunden benötigt es, bis wir alle aus unserer Starre erwachen und fähig sind zu sprechen. "Was soll das heißen?", fragt Toby dann. In seiner Stimme kann man eindeutige Angst hören, die er auch gar nicht zu verstecken versucht. Er ist einer der wenigen Jungs, die seine Gefühle offen zeigen und selbst zu weinen beginnen würden, was ich wirklich an ihm schätze.
"Das soll heißen, dass alle tot sind, die ihr kennt. Sie sind jetzt anders. Ihr habt doch sicherlich von dem neuen Virusinfekt gehört, oder?", fragt Jace, lässt uns aber keine Zeit zum antworten, da er schon weiter spricht, "Das ist kein gewöhnlicher Infekt. Dieses Virus erweckt totes Gewebe wieder zum Leben. Was so viel heißt, wie, dass die Leichen laufen, um uns zu jagen und uns zu fressen, weil sie nach frischem menschlichen Fleisch gieren."

Ich wende meinen Blick ab und richte ihn auf meine Hände. Unbewusst fange ich an auf meiner Unterlippe zu kauen, wie ich es immer mache, wenn ich nervös oder panisch bin.
Wenn das, was Jace gesagt hat, stimmt, dann sind Tami und ich nun Waisen. Unsere Eltern haben diese Krankheit und das heißt-
Die Welt, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr.
Meine Schwester links von mir zittert, weshalb ich mir sicher bin, dass sie die selbe Erkenntnis hat, wie ich.
Toby, der rechts von mir sitzt und Liv immer noch festhält, damit sie nicht wegrutscht, blickt starr auf ihre Haare. Er scheint nicht mehr hier zu sein, sondern in Gedanken weit weg. Layla kann ich von hieraus nicht sehen, aber Evan blickt verzweifelt aus dem Beifahrerfenster und Liv hält, so wie es aussieht, Layla's Hand.
Nur Jace scheint hiermit einigermaßen klar zu kommen, aber vermutlich ist das nur Teil seiner Fassade immer der Starke und Kühle zu sein, der jede Situation gemeistert bekommt. Doch auch er kann hieran nichts ändern und ein schlechtes Gefühl in mir sagt, dass es niemand kann.

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