Waldgeist

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Der Mond zeichnet schemenhaft die Umrisse einiger Bäume in die Nacht. Einzelne Sterne malen die Hoffnung auf einen neuen Tag voll Licht an den Himmel während der Wind mit den Blättern tanzt, auf denen tagsüber die Feen schaukeln. Der Fluss singt sein ewiges Gutenachtlied auch wenn schon fast alle, Tiere, Feen und Menschen friedlich in ihren Betten träumen.

Einzig der Waldgeist, Beschützer der Nacht, ist noch unterwegs um nach dem Rechten zu schauen. Er wirft einen Blick in das kugelige Nest aus Zweigen und Grashalmen welches die besorgten Eltern mit Kaninchenhaaren gepolstert haben und streichelt dem kleinen Küken sanft über die blauen Federn. „Warum schläfst du denn noch nicht? Die Sonne hat schon lange dem Mond am Himmel Platz gemacht." „Ich habe Angst vor dem Fuchs. Mein Bruder hat erzählt, dass er nachts kommt und kleine Vögel frisst. Und dass er für seine Enkel bunte Federn sammelt." „Der Fuchs", raunt der Waldgeist, „hat selber Angst vor der tiefen Nacht. Auch erliegt jetzt in seinem Bau und träumt vom Tag. Du musst dir keine Sorgen machen, die Menschen stellen den Wichteln Grütze vor die Türen und diese teilen das Essen gerne mit dem Fuchs. Danach hat er einen so vollen Bauch, dass er überhaupt nicht mehr daran denkt sich noch zu bewegen." Schläfrig stellt das Küken eine letzte Frage: „Woher weißt du das alles?" „Nun", er schmunzelt, „ich bin der Hüter der Nacht, Bewacher der Träume, Helfer der Tiere, Menschen, Feen und Wichtel."

An der großen Tanne geht er vorbei, unter der der alte Fuchs wohnt und lauscht dem friedlichen Schnarchen. Er legt eine geschwungene, weiße Feder vor den Eingang ,die einer der großen Schwäne sich aus dem Gefieder gezupft hat, als er ihn darum gebeten hatte. So kam der Fuchs nicht so schnell auf den Gedanken jagt auf die Vögel des Waldes zu machen und seine Enkel waren trotzdem glücklich.

„Welcher Löwenzahn schmeckt besser, der auf der Waldlichtung oder der am Feldrand?" fragte der Hase ihn um Rat. „Das ist eine schwierige Frage...", der Waldgeist kratzt sich nachdenklich am Kinn. „Ich glaube unter der Eiche auf der großen Wiese wächst eine besonders schmackhafte Lichterblume. Wie geht es denn deiner Frau?" Das Langohr hüpfte aufgeregt auf der Stelle, „Ihr geht es gut, aber sie beschwert sich, dass die Kleinen schon ganz schön kräftig treten und sagt, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis sie zur Welt kommen." „Das freut mich. Ich komme sicher mal vorbei, wenn sie da sind. Lasst euch den Löwenzahn schmecken und hab schöne Träume", verabschiedete er sich und schaute dem Hasen nach, wie er zu seiner Frau zurück hoppelte.

Nachdem er den zarten, grünen Feen eine Gute Nacht gewünscht und ihren roten Schwestern eine Geschichte von bunten Lichtern, die ganz weit im Norden am Himmel tanzten, erzählt hat besucht er den Bären, der sich bei ihm über die Wichtelkinder beschwert, die sich einen Spaß daraus machten, ihm Kletten ins Fell zu hängen. „Es sind doch Kinder", besänftigt der Hüter der Nacht ihn, „ich erinnre mich noch daran, dass du früher an den Baumstämmen gerüttelt hast, wenn die Feen gerade auf den Blättern schaukelten." „Das ist was anderes", brummt der zottige Riese verlegen. „Es hat die Geflügelten genauso geärgert, wie dich die Kletten", mahnt er. „Na gut, es war nicht richtig, das gebe ich zu, aber deshalb müssen die Wichtelchen mich nicht belästigen." „Kinder müssen das und manche Fehler muss jeder machen, aber wenn es dir hilft rede ich mal mit ihnen." Er grummelte noch vor zu sich hin, als der Waldgeist sich auf den Weg zu den Wichtelhöhlen machte.

Als er die kleinen Gestalten alle schnarchend in ihren Betten vorfand beließ er es dabei, ihnen im Schlaf zuzuraunen, dass der Bär Flöhe in seinem dicken Pelz beherbergt, die auch sehr gerne kleine, freche Wichtel besuchen. Er deckt noch schnell ein Mädchen zu, dass seine winzige Puppe festumklammert hält bevor er seine Runde fortsetzt.

Als es schon wieder heller wird und die Sterne verblassen, hat er sich davon überzeugt, dass es all seinen Schützlingen gut geht und lässt sich im Dunst über dem Fluss treiben. Das Wasser malt Bilder von fernen Orten in das Grau und das Schilf raunte erstaunt wenn es von hohen Bergen und Wasserfällen spricht. Als die ersten Sonnenstrahlen wie Finger über den Wald streichen löst sich der Nebel und mit ihm der Waldgeist, der seine Aufgabe für diese Nacht erfüllt hat, auf. Wenn die Sterne das nächste Mal am Himmel stehen wird auch er wiederkommen, um über das Land und seine Bewohner zu wachen.




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