Prolog

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 Hey, Leute! :)

Hier kommt mal wieder eine neue Story von mir, diesmal aber keine Fanfiction oder so. Bitte sagt mir, ob ihr Bock auf die Story habt und wie immer freue ich mich über konstruktive Kritik und Bewertung! :)

Eure Apple^^

Wir sitzen auf dem roten, samtenen Sofa in unserem Haus („Palast“ würde es eher treffen) und sehen uns die alljährlichen Jahreszusammenfassungen im Fernsehen an. Annabella Fenni, die Moderatorin der „Krönung zum erfolgreichsten Teil des Ganzen“, kurz KeTeGa, hüpfte in einem Traum aus rosa Seide auf der Bühne auf und ab und begrüßte die Zuschauer. Mit der KeTeGa ist das so eine Sache: es ist keine wirkliche Krönung, eher ein Auszeichnung, aber dazu kommen wir später.

Unter „Teil des Ganzen“ darf man Folgendes verstehen: das Ganze ist unsere Stadt, „Least“ heißt sie. Sie heißt so, weil wir die letzten Überlebenden dieses Planeten sind. Jedenfalls wenn man der Regierung Glauben schenkt. Und Least ist in drei Bezirke eingeteilt: den Außenbezirk, kurz „A“ genannt, den Mittelbezirk, „M“ genannt, und das Zentrum, das man hierzulande mit – oh, Wunder! – „Z“ abkürzt.  

Diese drei Bezirke sind in Weitere vier Abschnitte unterteilt: Norden, Osten, Süden und Westen. Das heißt im Klartext: es gibt insgesamt 12 Abschnitte in Least. So gibt es zum Beispiel den nördlichen Außenbezirk, den nördlichen Mittelbezirk, das nördliche Zentrum, den östlichen Außenbezirk und so weiter und so fort.

Es gibt drei Kategorien, nach denen drei der Abschnitte gekürt werden: Ertrag, Bildung und Fruchtbarkeit. Ertrag meint, wie viel in dem jeweiligen Abschnitt dieses Jahr produziert wurde. Jeder Abschnitt ist für etwas anderes verantwortlich: Landwirtschaft, Fischerei, Textilproduktion und so weiter. Annabella verkündet gerade freudestrahlend, dass dieses Jahr der südliche Mittelbezirk (Luxusgüterproduktion) am ertragreichsten gewesen sei. Niemand in der Menge, die sich vor der Bühne versammelt hat, jubelt. Was nicht weiter verwunderlich ist, bedeutet es doch nur, dass das Zentrum den Verbrauch an Luxusgütern verstärkt hat.

In der Kategorie Bildung bekommt dieses Jahr das westliche Zentrum die Auszeichnung. Es ist jedes Jahr dasselbe mit der Bildung: immer bekommt es ein Abschnitt des Zentrums. Nicht weil wir besonders klug oder erfinderisch wären, sondern schlichtweg, weil es in A keine Schulen gibt und in M die Zeit für so etwas fehlt. Das Publikum vor der Bühne, das fast nur aus Zentrumsbürgern besteht, fällt sich hysterisch kreischend und klatschend in die Arme. Es ist so albern.

Die letzte Kategorie; „Fruchtbarkeit“, ist die schlimmste von allen, auch wenn sie am höchsten belohnt wird. Die beiden anderen Siegerabschnitte in Bildung und Ertrag bekommen bloß eine Auszeichnung, wohingegen der Siegerabschnitt in „Fruchtbarkeit“ die feinsten Lebensmittel für ein ganzes Jahr zugesichert bekommt. Ebenso wie die Aufmerksamkeit der Medien, was noch einmal zusätzliches Geld einbringt.

Aber dennoch hat die ganze Sache einen Haken: „Fruchtbarkeit“ heißt im Grunde nur, wie viele Babys die Abschnitte dieses Jahr vorgebracht haben. Die Babys werden in sogenannten „Mutterhäusern“ gezeugt: die Samenzellen des Mannes werden künstlich in die Frau eingepflanzt, da das natürliche Zeugen von Kindern verboten ist. Zu große Gefahr auf Geschlechtskrankheiten, heißt es. Die Mutterhäuser sind im Grunde nichts anderes als Babyfabriken, zu denen die Mütter sooft kommen können, wie sie wollen. Als Ansporn dafür, sooft zu kommen wie irgend möglich, gibt es eben die Auszeichnung und die viel bedeutendere Lebensmitteljahresration. Wie man vielleicht ahnen kann, hat Least mit Kinderknappheit und Unfruchtbarkeit zu kämpfen.

 Dieses Jahr ist der Siegerabschnitt der westliche Mittelbezirk, was ungewöhnlich ist, da normalerweise nur die Zentrumsbürger genug Geld haben, um zehn Kinder Minimum durchzufüttern. Aber dieses Mal muss sich M besonders angestrengt haben; der Hunger dort muss größer sein, als ich angenommen hatte. Wahrscheinlich werden die meisten Kinder jetzt, nach dem Sieg, sterben oder womöglich auch umgebracht. Das alles ist barbarisch.

Ein Abschnitt aus dem Außenbezirk hat noch nie in dieser Kategorie gewonnen; die Menschen dort können es sich nicht leisten, ein weiteres Maul stopfen zu müssen oder für längere Zeit in der Schwangerschaft auszufallen. Sie arbeiten Tag und Nacht.  

Plötzlich ertönt ein Ruf aus der Menge: „Na, läuft ja großartig mit euren Babyfabriken! Ich hab gehört, die Babys werden trotzdem immer weniger?“ Ich kann nicht sehen, wer gerufen hat, aber ich weiß dennoch, wer er ist: er ist ein Rebell. Und ich habe großen Respekt vor ihm. Das Militär, das bei solchen öffentlichen Veranstaltungen zwischen den Grenzen immer anwesend ist, stürmt in die Menge, auf der Suche nach dem Rebell. Ich hoffe, dass sie ihn nicht finden. Ich fühle, wie der Mann neben mir seine Muskeln anspannt und weiß, dass er auf das genaue Gegenteil hofft.

Der Rebell hat es nicht rechtzeitig geschafft, in der Menge unterzutauchen. Ich versuche, mir meine Enttäuschung und meine abgrundtiefe Verachtung für das, was nun folgen wird, nicht anmerken zu lassen. Die Soldaten schleifen den sich windenden Mann auf die Bühne und werfen ihn dort zu Boden. „Irgendwelche letzten Worte?!“, bellt einer von ihnen und hält dem Rebellen das Gewehr an den Kopf. Der Rebell hebt den Blick jetzt genau in die Kamera, die das Geschehen in ganz Least übertragen. Er ist jetzt überall in den Abschnitten zu sehen; die KeTeGa sind Pflichtfernsehen. Er erhebt die Stimme, aus der nicht das leiseste Zittern herauszuhören ist: „Du weiß doch hoffentlich, dass du uns nicht alle abknallen kannst, Shell?“ Shell ist der Präsident von Least; dieser Satz war direkt an ihn gerichtet. Dann ertönt der Schuss, Blut spritzt und der Körper des Mannes erschlafft. Ich habe mehr als Respekt vor ihm.

„Sie dir das an“, macht der Mann neben mir seiner Abscheu laut, „diese ekelerregenden Tätowierungen überall! Als ob sie Landkarten wären!“ Ich atme tief aus und ein. Alle Rebellen tragen Tattoos und sie sind das schönste, was ich je gesehen habe. Alles andere als Landkarten. So ruhig wie möglich sage ich: „Ich habe nichts gegen Tattoos.“, während ich mir ausmahle, wie ich dem Mann neben mir den Hals umdrehe. Kein schöner Tagtraum für ein Mädchen meines Alters, aber es ist befriedigend.  

Plötzlich springt der Mann neben mir auf und schlägt mir mit der flachen Hand ins Gesicht, dass ich Sterne sehe. „Wage es nicht, so etwas noch einmal zu sagen, geschweige denn zu denken!“, schreit er mich an. Ich kann mich kaum halten; ich möchte den Mann schlagen, quälen, umbringen. Aber ich halte mich zurück; meine Zeit ist noch nicht gekommen. „Hast du mich verstanden?!“, brüllt mich der Mann an. Ich sage nichts und kämpfe immer noch gegen den Impuls, ihm gehörig den Allerwertesten zu versohlen. Erneut schlägt er mich. „Ob du mich verstanden hast?!“ Die Diener, die für unser Wohl zu sorgen haben, schauen teilnahmslos zu. Von ihnen ist keine Hilfe zu erwarten. Aber ich brauche auch keine Hilfe, von niemandem. Ich muss nur noch ein wenig durchhalten.

Beschämt schlage ich die Augen nieder und stammle: „Ja, habe ich. Es tut mir leid.“ Unauffällig kneife ich mir ins Bein, so fest, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Was extrem hilfreich ist. Der Mann findet seine Beherrschung wieder und sagt ruhig: „Wir essen um halb acht zu Abend. Sei pünktlich, Patricia.“ Patricia. Wie sehr ich diesen Namen hasse. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem Hass, den ich auf den Mann verspüre, dessen harte Hand ich immer noch auf meiner Wange spüre. Der Mann, der den Titel Präsident trägt.

Aber der Mann ist nicht nur Präsident Shell. Er ist auch mein Vater.  

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