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Der Erste ist immer der Beste

Flach atmend stellte ich mich auf meine Zehenspitzen, Tamlin beugte sich ein wenig zu mir herab, bis wir auf Augenhöhe miteinander waren. In mir tobte ein Sturm der Gefühle. Erwartung. Angst. Neugier. Sie lagen mir wie ein Stein im Magen und hinderten mich daran, völlig abzuheben. Die Schmetterlinge wollten mit mir fliegen. Flüchten. In die Arme das Jungen vor mir sacken. Ohne das ganze Chaos ordnen zu können wich ich zurück. Aus dem Augenwinkel sah ich Luce gespannt die Pfoten überkreuzen. Diese Katze war viel zu intelligent, als dass sie bei dem Folgenden anwesend sein sollte. Denn man musste nicht blind sein, um hellsehen zu können.

Wie selbstverständlich verfolgte Tamlin mich. Dieses Spiel ging so lange, bis ich nicht mehr zurückweichen konnte, da die Bettkante in meine Kniekehlen drückte. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Dann ließ er urplötzlich von mir ab.

"Macht es dir was aus, wenn ich die drei in einen anderen Raum bringe? Ich fühle mich irgendwie von ihnen beobachtet." Verdutzt registrierte ich, dass er die Dämonen bereits auf dem Arm trug und nun nach einer sich sträubenden Luce griff, welche er sich auf die Schultern setzte. Mein zustimmendes Nicken beachtete er nicht weiter. Das Letzte, das ich von meinen Dreien sah, war der eindringliche Blick der Katze. Dieser regte mich zum Nachdenken an. Vermutlich würde das alles auf einen handfesten Kuss hinauslaufen. Wollte ich das wirklich, obwohl dieses eine Geheimnis noch zwischen uns stand? Unsicher wanderte ich in die Mitte des Raumes. Genau genommen stand mehr als nur ein Geheimnis zwischen uns. Es war alles so verworren!
Entweder ich ließ es darauf ankommen oder ich erstickte das gesamte Unterfangen im Keim. Tamlin gesellte sich wieder zu mir, was meine Überlegungen unterbrach. Dieses Mal hielt er sich nicht lange in gesittetem Abstand vor mir auf, sondern umfasste direkt mit beiden Händen meine Taille. Das bereits bekannte Prickeln breitete sich an diesen Stellen aus.

"Warte", unterbrach ich ihn schnell. Selbst wenn meine Fragerei den Moment zerstören würde, konnte ich das nicht einfach so über mich ergehen lassen. "Sag es mir jetzt und wir machen da weiter, wo wir ständig aufgehört haben. Ansonsten muss ich dich bitten, zu gehen." Sein verletzter Gesichtsausdruck stach mir ins Herz, doch ich sah mich zu diesen harten Worten gezwungen. Dennoch ging er nicht auf Abstand.

"Du kennst meine Antwort", erwiderte er ruhig. "Und ich hoffe immer noch, dass du selbst drauf kommen wirst. Aber ich kann nicht mehr warten, das konnte ich noch nie. Mir ist es egal, wie viel ich mit meinen nächsten Worten zerstöre." Ich hielt den Atem an, um seine Entscheidung ja nicht zu beeinflussen. Würde er tatsächlich so einfach sein Geheimnis lüften?

"Du hast doch viel gelesen, oder?" Ich konnte nur erahnen, woher er das wusste. Um seine plötzliche Redenslust nicht zu unterbrechen, nickte ich knapp. "Also hast du auch schon viel über die wahre Liebe gelesen", stellte er sachlich fest, als würde ihn das nicht betreffen. Wenn er damit andeuten wollte, dass er unsterblich in mich verliebt sei, musste ich ihn enttäuschen. Bei mir waren die Gefühle nicht ganz so stark ausgeprägt, zumal wir uns weiterhin kaum oder noch nicht so lange kannten. Von voreiligen Liebesgeständnissen hatte ich nie viel gehalten. "Stell dir diese auf unsere Situation bezogen vor." Ich verstand nicht, worauf er hinauswollte.

"Von der großen Liebe würde ich jetzt nicht unbedingt bei uns sprechen", merkte ich verhalten an. Aus einem irrsinnigen Drang heraus legte ich meine Hände auf seine Unterarme. Mein Puls beschleunigte gefühlt von Null auf Hundert und mein Körper schien in Flammen zu stehen. Tamlins Haut hingegen kühlte wundervoll, weswegen ich den Körperkontakt am liebsten vergrößert hätte.

"Das meine ich auch noch gar nicht. Denk mal etwas weiter. Wenn man sich zum ersten Mal sieht." Bei seinen Andeutungen kam ich mir unglaublich dämlich vor und fragte mich bereits wieder, warum ich dieses Thema angeschnitten hatte. Konnte ich nicht einfach das nehmen, was ich bekam, ohne meine Klappe aufreißen zu müssen?
Tamlin beugte sich zu mir herab. Er drückte seine Nasenspitze an meine Wange und hauchte die Worte: "Was fühlst du dabei?" Diese gingen fast in meinem Keuchen unter. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen, mein Mund sehnte sich nach einer flüchtigen Berührung.

Book of HellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt