Prolog

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»Empty spaces, what are we living for?
Abandoned places, I guess we know the score
On and on
Does anybody know what we are looking for?«

Queen- The Show Must Go On

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Nichts war mehr übrig außer grauer Leere. Sie lag auf seiner Zunge wie der bittere Geschmack von Blut, summte in seinen Ohren wie die Funkstörung eines alten Radios, ruhte eiskalt auf seinen Händen wie tote Haut. Die Leere hatte schon vor langer Zeit damit begonnen sich in ihm einzunisten, hatte damit begonnen ihn zu kontrollieren und ihn Dinge tun lassen, die kein gesunder Verstand jemals zugelassen hätte. Es war so gewesen, als würde nicht er selbst seine Hände mehr kontrollieren, sondern dieses unsichtbare Drängen in seinem Inneren das wie ein Parasit von ihm Besitz ergriff.

Zu Beginn hatte er noch gewusst woher dieses Drängen gekommen war, hatte Verlangen, Sehnsucht und Gier in sich gespürt. Seine Emotionen hatten jedoch mehr und mehr nachgelassen, nur diese nicht auszuhaltende Leere in ihm war nun noch da. Doch er tat weiter was er auch zuvor getan hatte, ritt sich selber tiefer hinein in die alles vernichtende Dunkelheit, fiel tiefer und tiefer in das Loch das er sich mit seinen Taten selber grub. Nur selten schaute er noch nach oben, nie jedoch mit der Intention sich selber vor der vollkommenen Zerstörung zu retten.

Vor sehr langer Zeit hatte es einmal Farbe in der Seele des jungen Mannes gegeben, doch es war zu lange her, als dass er sich erinnern könnte. Schon zu lange war er so weit unter alle Menschenwürde geraten, er konnte sich nicht einmal daran erinnern wie es sich anfühlte überhaupt etwas zu fühlen. Seine Finger waren taub von dem kalten Blut das an ihnen klebte, seine Augen waren verbunden mit dem Schleier des Wahnsinns und sein Herz nur noch ein Organ, das seinen einzigen Wunsch erfüllte.

Leben. Er wollte leben. Es war nicht möglich zu sagen ob er entweder kein menschliches Verhalten mehr besaß, oder ob er die Menschlichkeit selbst in ihrer nacktesten Form war. Alles woran er noch denken konnte war, dass er nicht sterben wollte. Er konnte nicht sterben. Der Tod war sein größter und einziger Feind, denn er war es gewesen, der den jungen Mann in sein Unheil getrieben hatte. Unsterblichkeit. Er hatte sein Ziel erlangt, doch das war ihm nicht genug gewesen- er wollte mehr. Wieder und wieder spalt er seine Seele, riss sich förmlich seinen Geist aus seinem Körper heraus, so lange bis er keinen Schmerz mehr verspürte. Doch mit dem Schmerz verschwand auch alles Andere.

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22. Oktober 1947

Tom Marvolo Riddle hatte es satt sich weiter dem Lauf des Schicksals zu fügen, er hatte es satt sich kaum von den Leuten um sich herum zu unterscheiden. Er wusste, er war anders. Es war der Mittwochnachmittag eines kühlen Oktobertages an dem er fand, wonach seine zerbrochene Seele so lange gesucht hatte. Vor einem halben Jahr hatte er seinen vierten Horkrux geschaffen indem er Hepzibah Smith zuerst ihres wertvollen Sammelstücks und dann ihres Lebens beraubt hatte.

Seitdem hatte er sich wieder einmal von der Bildfläche zurück gezogen und versucht sich von den Schmerzen seines zersplitternden Seins zu erholen. Er hatte Nachforschungen betrieben, hatte gegrübelt und war tiefer denn je in seinem Wahnsinn versunken. In einer Bibliothek des Zauberministeriums hatte er unbemerkt viele Stunden verbracht und schließlich ein altes Buch gefunden, das in einer Sprache geschrieben war, die er nicht verstand. Es hatte ihn einen Monat gekostet einen Zauber zu finden der ihm die Geheimnisse jenes Buches entschlüsselte und zwei weitere Monate um vollkommen zu verstehen, was ihm dieses Buch schenken würde.

Confusione Temporis - die Verirrung der Zeit, offenbarte ihm Möglichkeiten, von denen selbst er noch nie zu träumen gewagt hatte. Er fand heraus, dass sich bisher noch kein Zauberer vor ihm an dieser Kunst gewagt hatte und das reizte ihn unheimlich. Seine Horkruxe gaben ihm die Sicherheit und Überzeugung, dass ihm bei diesem Wagnis nichts geschehen würde, selbst wenn das Experiment schief gehen würde. Im Prinzip war das Ritual simpel; Tom würde einzig und allein einen Zeitumdreher und einen starken Willen benötigen um die Zeit auszutricksen. Zauberer reisten andauernd in die Vergangenheit ohne zu Schaden zu kommen, manche nutzten die Macht der Zeitumdreher sogar täglich in ihrem Beruf.

Confusione Temporis unterschied sich nur soweit von den üblichen Zeitreisen, dass der Reisende nicht in die Vergangenheit sondern in die Zukunft aufbrach. Natürlich war sich der junge Mann sicher, dass er in der Lage war dies zu schaffen, denn falls es gelingen sollte, wartete Großes auf ihn. Zeitsprünge in die Zukunft hielten das Altern des Reisenden für eine beachtliche Zeitspanne an, würden es ihm also ermöglichen für immer nicht nur unsterblich sondern auch bei physischen Kräften zu bleiben.

Der regnerische Herbsttag neigte sich schon dem Ende zu, als Tom alle Vorbereitungen getroffen hatte und bereit war, zum ersten Mal in der Geschichte der Zauberei einen Zeitsprung in die Zukunft zu machen. Er hatte geplant, sich nur für kurze Zeit dort aufzuhalten und dann wieder zurück in die Gegenwart zu kehren und sich dort mit seiner neu errungenen Macht das Zauberreich unterzuordnen. Danach würde es weitere Zeitsprünge geben, immer nur so viele, dass er seine ursprüngliche Kraft zurückerlangen und seine Gegner bezwingen konnte.

Sein Plan war der wohl Genialste, den die Welt jemals gesehen hatte. Eingekleidet in einen schlichten schwarzen Anzug den er als zeitlos eingeschätzt hatte, begab er sich in den Keller seines kleinen Hauses. In seiner rechten Hand befand sich ein vornehmer Gehstock in dem er seinen Zauberstab versteckt hielt- er wusste schließlich nicht, wo genau er in der Zukunft landen würde.

»Nuncadiste. Hester. Crassin.«

Die Worte kamen ohne Fehler über seinen Mund, als er begann den Zeitumdreher zu drehen. Die Luft um ihn herum knisterte mit einem Mal elektrisiert und ein warmer Luftzug strich sein Gesicht, sodass er unwillkürlich zusammen zuckte.

»Tempus e auditilus termina interessim serveus.«

Unter seiner Haut begann etwas wie wild zu jucken, so sehr, dass es ihm schwer fiel sich weiterhin zu konzentrieren. Die Energie die der Zauber aus seinem Zauberstab heraus zog war so enorm, dass Tom nicht mehr dazu in der Lage war zu atmen. Mit zitternden Beinen stand er im Dunkeln, während die Worte weiterhin ohne jegliche Fehler über seine Lippen flossen.

»Futuris venrunt admis. Anima e quod.«

Er sank zu Boden, als sämtliche Lebenskraft aus seinen Gliedmaßen hinaus in den Zauber hinein floss. Für einen winzigen Moment zweifelte er daran, es schaffen zu können.

»Glisseo mi.«

Als die letzten Worte seine Lippen verließen, tat sich unter seinen Füßen ein Abgrund auf und er begann zu fallen. Das Letzte was er war nahm war das quietschende Drehgeräusch des Zeitumdrehers. Dann verlor er das Bewusstsein.

In Deinen Augen// Tom RiddleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt