Eins

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»We used to look up at the sky and wonder at our place in the stars, now we just look down and worry about our place in the dirt.«

Cooper- Interstellar

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Nova hatte nie die Intention gehabt, den alten Mann mit dem komischen Schnurrbart in irgendeiner Art und Weise zu verärgern. Auch hatte sie ihren quietschgelben Motorroller nicht absichtlich in der kaum sichtbaren Auffahrt zu seinem Grundstück abgestellt; viel mehr war sie dazu gezwungen worden dies zu tun. Anscheinend hatte das regnerische Herbstwetter die Dorfbewohner dazu veranlasst heute anstatt ihrer Fahrräder doch ihre Autos für den Weg zur Kirche zu benutzen, denn der normalerweise fast vollkommen leere Parkplatz hinter dem Backsteingebäude war nun bis auf die letzte Lücke gefüllt. Nova war es gewohnt, direkt vor dem Eingang der Kirche einen Parkplatz für ihren alten Motorroller zu bekommen, doch heute hatte sie improvisieren und fünfzig Meter von der Kirche entfernt neben einem kleinen Wäldchen parken müssen. Für den Moment hatte ihr das nicht sonderlich viel ausgemacht, schließlich hatte sie schon vorsorglich ihre Gummistiefel angezogen gehabt und wurde so auf dem Weg von dem Waldstück zur Kirche hin nicht allzu nass. Mit von Schlamm überzogenen Stiefeln und einem Lächeln auf den Lippen hatte sie die Kirche betreten und sich auf einem Platz in der letzten Reihe nieder gelassen, nicht weiter über den ungewohnten Parkplatz nachdenkend. Der Gottesdienst war ganz normal abgelaufen, bis zu dem Moment hin, in dem sich das Wäldchen vor dem sie geparkt hatte plötzlich in die Auffahrt eines vor Wut strotzenden Mannes verwandelt hatte.

Die Gemeinde hatte grade zur zweiten Strophe von Taste and See angesetzt, als die Tür zur Kirche aufgestoßen wurde und eine Ladung an unangemessenen Worten hinein geflogen kam- Im Nachhinein konnte Nova sich nur noch daran erinnern, einige bloodys, dickheads und bastards aus dem Schwall an Schimpfwörtern herausgefiltert zu haben. Als der Mann endlich seine Sprache wieder gefunden hatte, wurde Nova bewusst, dass keiner anderen Person als ihr selbst diese ganzen Beleidigungen zugeschrieben waren.

»Wer zur Hölle hat seinen hässlichen Drahtesel vor meiner Tür stehen lassen?«

Ohne groß darüber nachzudenken war das zierliche Mädchen aufgesprungen, hatte sich zu dem Typen umgedreht und gerufen: »Das ist ein Bianchi Orsetto von 1960, sie haben doch keine Ahnung von Stil, sie Fratzengulasch!«

Nach einigen Sekunden der Stille, in denen die Kinnlade des Störenfriedes zuerst nach unten gefallen, sich wieder geschlossen und dann wieder nach unten gefallen war, war Nova bewusst geworden, was sie soeben von sich gegeben hatte. Zutiefst peinlich berührt war sie aus der Sitzreihe heraus getreten, auf den Mann im Kircheneingang zugelaufen und hatte schon auf halbem Wege damit begonnen sich bei ihm in den schönsten Tönen zu entschuldigen.

Mittlerweile saß sie auf einer Holzbank des kleinen Polizeireviers ihres Dorfs, war in eine kratzige Wolldecke eingehüllt und schlürfte behutsam den heißen Kaffee, den ihr Bruder ihr kavaliersmäßig in einer Thermoskanne mitgebracht hatte. Sie war vom Regen bis auf die Knochen durchnässt worden und zitterte nun am ganzen Leibe.

»So etwas können Sie einer Neunzehnjährigen doch nicht abverlangen.« Lukas' Haare lagen ihm pitschnass auf der Stirn, seine Wangen waren gerötet und seine Stimme hatte einen solch aggressiven Ton, dass Nova froh war ihn nicht als Feind zu haben. »Stellen sie sich vor, ihre Tochter müsste so viel Geld bezahlen, das sie nicht einmal besitzt!«

»Meine Tochter würde niemals auf die Idee kommen ihr illegales Vehikel auf einer Auffahrt zu parken.« Der Officer, der den Geschwistern gegenüber saß, sah Lukas aus unbeeindruckten, grauen Augen an, während er mit einem Bleistift Kringel auf ein gelbliches Blatt Papier zeichnete. »Zudem ist es Ihrer Schwester auch gestattet, die Strafe bezüglich der illegalen Benutzung ihres Vehikels in Haft zu verbüßen, dann muss ihr Erspartes nicht allzu sehr unter ihren Taten leiden.«

In Deinen Augen// Tom RiddleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt