Kapitel II

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Ich MUSS verrückt gewesen sein. Mein Gehirn ist zermartert von den jüngsten Geschehnissen. Eine Sitzbank! Da ist, was ich jetzt brauche. Ich eilte zu der ersten Bank die ich sah und setzte mich. Mein Atem verlangsamte sich und ich fing an mich zu beruhigen. Ich hätte den Bahnhof einfach verlassen sollen, doch die Wahrheit ist. Ich konnte es nicht. Etwas hinderte mich daran, diesen verfluchten Bahnhof zu verlassen, eine unsichtbare Kraft die mich wie angekettet dort festhielt. Dann schallte etwas durch den Bahnhof. Ein grauenhaftes Gelächter, das direkt aus der Hölle selbst zu kommen schien. Es wurde immer lauter und ohrenbetäubender, so dass ich mir die Ohren zuhielt in der Hoffnung, daß es hilft. Mir reichte es! Ich sprang auf und sprintete wie ein Besessener zu der Stelle an der ich das schwarzäugige Tier gesehen hatte. Ich wusste nicht wieso, aber mir war klar dass das alles kein Zufall konnte. Diesmal wollte ich es aber genauer wissen, ich machte einen Satz auf die Gleise und lief in den finsteren Tunnel hinein. Es dauert einige Sekunden bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Beinahe schleichend tastete ich mich an den Wänden entlang. Nichts ungewöhnliches. Meine Finger waren schwarz vom Dreck der Wände, also wischte ich sie an meiner Jeans ab, doch der schwarze Schmutz blieb an ihnen haften. Dann nahm ich es wahr. Ein Rascheln nicht weit hinter mir. Doch als ich mich wendete war da nichts, nur die Dunkelheit, die mich wie eine liebende Mutter umarmte. Ein lautes Kratzen ließ mich hochfahren. Warmes Blut Floß mein Bein entlang. Zwei kleine Arme mit langen,spitzen Krallen griffen und kratzten nach meinen Füßen. Nachdem ich versuchte den Feind aus dem Loch die Arme zu zerstampfen zog er sich einen Moment zurück. Für einen Augenblick erfüllte mich Mut, da ich den Angreifer verjagt hatte. Ich lag selten so falsch. Sie formierten sich nur. Welcher Irrglaube leitete mich dazu zu glauben, dass gerade ICH sie verjagt hätte? Die Anzahl der Arme verfünffachte sich, so daß nun zehn gierige, mit scharfen Krallen bestückte Arme nach mir hackten. Bevor diese Mistbiester auf die Idee kamen aus ihren Verstecken herauszukriechen schoß ich los, denn ich fing an um mein Leben zu bangen. In meinen 26 Jahren auf dieser Erde, hatte ich noch nie eine solch große Angst verspürt. Ich rannte oder wohl eher humpelte zurück zum Bahnsteig, denn dort erhoffte ich mir Schutz von den gedämpften Lichtern an der Decke. Nichts hielt mich dort als ich den Bahnsteig erreichte, also rannte ich nach oben. Diesmal klappte es. Die Sonne stand hoch am Himmel und läutete den Nachmittag ein. Ich mag vielleicht eine Stunde dort unten gewesen sein, aber es fühlte sich an wie Tage. Die wärmenden Sonnenstrahlen ließen Glückshormone durch meinen Körper fließen. Die Euphorie verging schnell, als mir bewusst wurde, was zum Teufel ich da gerade erlebt hatte. Ich rief auf der Arbeit an und meldete mich krank. Offensichtlich war ich das auch, wenn nicht körperlich, dann musste es geistig sein. Man hörte meinen Chef noch brüllen, als ich das Handy von meinem Ohr weg nahm um aufzulegen. Da ich mich nicht nochmal in das stählerne Ungeheuer setzen wollte, lief ich den ganzen Weg zurück nach Hause. Ich knallte die Wohnungstür in meine vier Wände, schmiss sie zu und klappte hastig mein Laptop auf. Wenn man etwas wissen will, googelt man es. Ich tippte die unmöglichsten Dinge in die Suchmaschine ohne irgendeinen Erfolg. Stundenlang versuchte ich Bilder, Erfahrungen oder Berichte über die scheußlichen Höllenbiester zufinden. Nichts. Das machte mir weit mehr Angst, denn das bedeutete, dass ich auf mich allein gestellt war. Trotz der Tatsache, dass ich schon immer mehr ein Einzelgänger war, bereitete es mir Unbehagen. Die Müdigkeit überfiel mich und ich beschloss es für heute dabei zu belassen. Obwohl es erst 16 Uhr war legte ich mich und keine halbe Stunde später schlief ich ein. Als am nächsten morgen erwachte fühlte ich mich großartig. Ausgeschlafen und frisch angezogen, stellte ich mich vor dem Spiegel um meine tägliche motivierende Rede zu halten, doch etwas stimmte nicht. Ich war immer noch ich, zumindest glaubte ich das. Ich sah jedoch nicht wie ich selbst aus. Meine Gesicht war verzerrt und meine Mundwinkel verliefen buchstäblich von einem Ohr zum anderen. Meine normalen Zähne waren nicht mehr vorhanden, stattdessen waren es nun lange, spitze, stachelartige und leicht gebogene Knochen. Ich grinste, denn ich glaubte meinen Augen nicht, die nun von einem leeren schwarz gefüllt waren, auch meine Hände die das Gesicht abtasten, bestätigten das Spiegelbild nicht. Mit aller Kraft zerschlug ich den Spiegel mit meiner Faust. Das Grauen was der Spiegel mir weißmachen wollte, war ich nicht, nein. Ich machte mich auf dem Weg zur U-Bahn. Keine hasserfüllten Blicke der Leute mehr. Den der Hass ist gewichen. Etwas anderes erfüllte ihre Augen. Es war Angst. Das Grinsen in meinem verdrehtem und entstelltem  Gesicht war wie eingemeiselt. Ich stieg in meine Bahn und stieg nach der 4. Station aus. Ich war am Oranienburger Tor. Nicht, weil ich aussteigen musste, sondern weil ich es WOLLTE. Der andere wusste nichts von mir, weiß nicht warum es ihn hierhin zieht. Ich steuerte erhobenen Hauptes auf den Tunnel zu, wo meine Lakaien leben. In der Mitte des düsteren Tunnels blieb ich stehen und rief sie zu mir. Wie ein Schwarm Motten die das Licht umgarnen strömten aus allen Löchern in den Wänden und im Boden meine Vasallen heraus. Ich verzieh ihnen ihren Angriff auf mich, denn sie sind verwirrt von meiner neuen Gestalt. Doch jetzt kauern und knien sie vor mir. Bereit meine Befehle auszuführen, selbst wenn es ihren tot bedeutet. Ich bin nicht das Grauen, als das der Spiegel mich darstellte. Nein, ich war ein GOTT!

Schatten aus dem UntergrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt