Spaghetti ohne Soße

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Ein rosa Vögelchen setzt sich auf meine Schulter und ich bewundere die in Einhorn-Farben schimmernden Federn, während genüsslich Vanille-Milkshake geschlürft wird. Herrlich. Das tropische Ding, eine Mischung aus Meise und Kolibri, rückt näher an mein Ohr, der kleine Schnabel reckt sich in die Höhe und „BIEEP BIEEP BIEEP".

So ein Mist. Ich öffne die Augen und versuche gedankenverloren den dummen Spatz von meiner Schulter zu verscheuchen. Mit Schwung haue ich ebenso mechanisch auf meinen Wecker, damit das Teil endlich Ruhe gibt. Viel besser. Ich sammele alle Motivation, die ich vor dem Frühstück in mir trage und hieve mich aus dem Bett.

Hazel ist selbstverständlich nichtmal vom Lärm des Weckers aus ihren Träumen gerissen worden und macht auch jetzt keine Anstalten sich zu bewegen. Ich löse meinen Blick von ihr und lasse ihn rüber zu meinem Schrank schweifen.

Dort bleibt er für unbestimmte Zeit kleben.

Erst musste ich feststellen, dass mein paradiesisches Chillen nur Fantasie war, dann mein warmes Bett verlassen und jetzt auch noch ein Outfit raussuchen, in dem mich die abertausenden von zukünftigen Schülern in der Aula sehen werden. Ja, sogar meinen Enkeln und Urenkeln werde ich dieses Foto unser die Nase reiben.
Heißt im Klartext: ich muss gut aussehen.

Plötzlich holt mich gedanklich der gestrige Tag ein. Es wird das erste Aufeinandertreffen von Benne und mir seit der Trennung. Also, vergesst was ich gerade gesagt habe - Ich muss verdammt nochmal bombastisch aussehen!

Mit diesem Ziel vor Augen, bestreite ich meine Mission. Zwei Stirnrunzler, fünf leicht verzweifelte Seufzer und Unmengen von Kleiderbügeln hin- und herschieben später, steht der preisverdächtige Look.
Meine hautenge destroyed-Jeans (die, die den Booty schön in Szene setzt) und eine Offshoulder-Bluse mit großen Blüten drauf.

Girly, aber cool - Einfach perfekt.

Nach einer schnellen Dusche föhne ich meine Haare und schlüpfe in meine schönste Unterwäsche.
Ich glaube daran, dass schicki Slips und heiße Dessous nicht für das „Von-Jungs-betrachtet-werden", sondern für uns Mädels selbst gemacht wurden. Damit wir uns unwiderstehlich gut fühlen, von der untersten Schicht Kleidung an, und das auch ausstrahlen.
Die Spitze zurecht zuppelnd kämme ich meine langen Haare. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass sie nun aussehen wie Spaghetti. „Ach, das ist ja nichts Neues", stelle ich fest und schlüpfe in meine Klamotten.

Flott föhne ich die Nudeln auf meinem Kopf und sehe noch, wie das Volumen - zack - meine Haare wieder im Stich lässt. Während ich mich mit dieser alltäglichen Enttäuschung abfinde, beginne ich meine Schminkprozedur. BB-Cream, Concealer, sowie ein bisschen was für die Augebrauen, flinkes Wimpern tuschen und ein Hauch Rouge.

Ich blicke in den Spiegel. Meine blauen Augen sind umzingelt von den vielen Sommersprossen, die alle irgendwo zwischen Mund und Stirn ( also überall ) beheimatet sind. Eine bockige Strähnen fällt mir ins Gesicht, während sich ihre Kolleginnen brav hinter den Ohren aufhalten. Nachdem ich auch die Rebellin wieder an ihren Platz verfrachtet habe, drehe ich mich zur noch immer schnarchenden Hazel um.
Sie liegt auf dem Bauch, halb unter meiner Decke und die morgendlichen Sonnenstrahlen scheinen in ihre Kuscheltier-ähnliche Hundeschnauze. Das Licht reflektiert leicht und lässt ihre nasse Nase schimmern.
Bei diesem Anblick fällt mir ein, was ich Schlafmütze fast vergessen habe. Wild wird in der Schminktasche gekramt, bis ich die Packung glücklich in meinen Händen halte.
Ruckzuck, versehe ich gezielt Nase, Wangenknochen und meine Augen mit den feinen glitzer Pigmenten. Zufrieden nicke ich im Spiegel meinem Werk entgegen. Der Highlighter macht den Look rund. Mein Spiegelbild sieht super aus und ich begebe mich voller Elan die Treppen hinunter.

„Du bist die beste Hazel", danke ich meiner verpennten Schminkassistenz und laufe die ersten Stufen Richtung Küche.

Von Liebe, Träumen und HundekeksenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt